„Ära des Friedens vorbei“: US-Hilfen reichen nicht für Sieg gegen Putin – Kuleba fordert Umdenken

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Die US-Hilfen sollen im Ukraine-Krieg unter anderem in Tschassiw Jar gegen Russland helfen. Außenminister Kuleba begrüßt die Lieferung – schlägt aber mahnende Worte an.

Kiew – Knapp 61 Milliarden US-Dollar ist es schwer und soll Kiew im Ukraine-Krieg unterstützen. Der US-Kongress hat ein neues Hilfspaket für die Ukraine verabschiedet. US-Präsident Joe Biden kündigte daraufhin sofortige Maßnahmen an: „In den nächsten Stunden“ werde man damit beginnen, Ausrüstung für die Flugabwehr, Artillerie, Raketensysteme und gepanzerte Fahrzeuge in die Ukraine zu schicken, verkündete der Politiker am Mittwoch, dem 24. April.

Für die Ukraine könnte die Unterstützung im Ukraine-Krieg genau zum richtigen Zeitpunkt kommen. Analystinnen und Analysten gehen davon aus, dass mithilfe der US-Waffen eine mögliche Offensive Russlands in den kommenden Monaten aufgehalten werden könnte. Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba lobte nun die angekündigte Unterstützung. Zugleich schlug er auch mahnende Worte an und zeichnete eine Prognose für Europa.

Neue Waffenlieferung für Ukraine-Krieg: Kuleba hofft auf zeitnahe Unterstützung

„Halleluja“, sagte Kuleba, als er nach seiner Reaktion auf die Abstimmung des US-Senats zu den weiteren Unterstützungen im Ukraine-Krieg gefragt wurde. Im Gespräch mit dem britischen Guardian führte der Politiker aus, dass in wenigen Tagen ein neues Waffenpaket auf dem Weg in sein Land sein könnte. Es sei „nur eine Frage der Logistik“, die Vorräte an die Front zu bringen.

Dmytro Kuleba
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba begrüßt das US-Hilfspaket im Ukraine-Krieg. Gleichzeitig macht er deutlich, dass es weitere Unterstützung braucht. (Archivbild) © Mindaugas Kulbis/AP/dpa

Nach einem monatelangen innenpolitischen Streit hatte der US-Kongress am späten Dienstagabend (Ortszeit) mit der Zustimmung des Senats milliardenschwere Hilfen für die von Russland angegriffene Ukraine gebilligt. Das Gesetz sieht Hilfen im Umfang von rund 61 Milliarden US-Dollar (57 Milliarden Euro) für Kiew vor. Die US-Regierung hatte die Freigabe der Mittel vom Parlament lange und vehement gefordert. Die bisherigen US-Hilfen für die Ukraine waren zuvor ausgelaufen. Joe Biden würdigte die Entscheidung mit deutlichen Worten gen Moskau: „Amerika steht an der Seite unserer Freunde. Wir stellen uns gegen Diktatoren.“ Die USA würden vor Kremlchef Wladimir Putin nicht klein beigeben. 

Hilfe für Ukraine im Krieg: Zahlreiche Waffenlieferungen für die Verteidigung gegen Russland

Wie die New York Times berichtet, ist ein beträchtlicher Betrag für die „Auffüllung der amerikanischen Verteidigungsvorräte“ vorgesehen und es werden Milliarden für den Kauf von US-Verteidigungssystemen bereitgestellt, die der Ukraine zugutekommen sollen. Das Waffenpaket sei „eine Lebensader“ für Kiews Militär, sagte Yehor Cherniev, der stellvertretende Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsausschusses des ukrainischen Parlaments. Allerdings können nicht alle Wünsche der Verteidigungsstreitkräfte erfüllt werden, heißt es aus US-Kreisen.

Eine erste Waffenlieferung an die Ukraine soll derweil unter anderem schultergestützte Stinger-Boden-Luft-Raketen und andere Luftverteidigungsmunition, 155-Millimeter-Granaten, Javelin-Panzerabwehrraketen, Streumunition und Gefechtsfeldfahrzeuge enthalten. Zudem soll Munition für die sogenannten High Mobility Artillery Rocket Systems (HIMARS), mit denen ATACMS-Raketen abgefeuert werden können, geliefert werden. 

Milliardenschwere US-Hilfen für Ukraine-Krieg: Kuleba ordnet ein – „Kein Paket kann Russland aufhalten“

Dass die US-Hilfen nicht ausreichen werden, damit die Ukraine im Krieg gewinnt, ist derweil auch Kuleba klar. „Kein einzelnes Paket kann die Russen aufhalten. Was die Russen aufhalten wird, ist eine Einheitsfront der gesamten Ukraine und aller ihrer Partner“, sagte er dem Guardian und forderte eine gesteigerte Waffenproduktion im Westen von Europa. „Wenn ich sehe, was Russland beim Aufbau einer verteidigungsindustriellen Basis in zwei Kriegsjahren erreicht hat und was der Westen erreicht hat, denke ich, dass aufseiten des Westens etwas nicht stimmt“, sagte Kuleba. „Der Westen muss erkennen, dass die Ära des Friedens in Europa vorbei ist.“

Zu einem möglichen Ende des Ukraine-Krieges sagte Kuleba, dass er nicht wisse, wie lange der Krieg mit Russland dauern würde. Dennoch appelliert er weiterhin an die Durchhaltekraft seiner Landsleute: „Jedes Mal, wenn ich an der Beerdigung eines Soldaten vorbeikomme, verdoppele und verdreifache ich meine Anstrengungen, um sie mit dem Sieg der Ukraine zu einem Ende zu bringen.“ Am Ende des Krieges würde seiner Ansicht nach nur eine Seite überleben – und zwar die Ukraine. „Aber wenn ich sage: ‚Überleben‘, dann meine ich nicht, dass Russland als Land aufhören wird zu existieren.“

Neue Offensive Russlands im Ukraine-Krieg? Tschassiw Jar gilt als wichtige Säule der Verteidigung

Während Kiew auf die angekündigte Waffenhilfe aus den USA wartet, sind die Augen der Beobachterinnen und Beobachter aktuell auf die Ostukraine gerichtet, wo die Lage im Ukraine-Krieg vor einer entscheidenden Wende stehen könnte. Schon länger wird befürchtet, dass eine mögliche Offensive durch die Truppen von Wladimir Putin bevorstehen könnte. Dass Charkiw im Ukraine-Krieg fallen könnte, halten Expert:innen allerdings derzeit für unwahrscheinlich. Unter der Inkaufnahme von hohen Verlusten setzt Russland allerdings in mehreren Regionen derzeit auf Bodengewinne.

Laut der Kyiv Post könnte in den kommenden Tagen allerdings Tschassiw Jar, eine Stadt in der Region Donezk, die 17 Kilometer westlich von Bachmut liegt, weiter im Zentrum der Kämpfe im Ukraine-Krieg stehen. Für künftige Angriffe durch Russland seien die Verteidigungskräfte drängender denn je auf westliche Waffenlieferungen angewiesen. Es wird davon ausgegangen, dass die Ukraine die Stadt um jeden Preis halten will. Roman Svitan, Militärexperte und Reserveoberst der Streitkräfte der Ukraine (AFU), sagte gegenüber Novaya Gazeta Europe, dass Tschassiw Jar ein „Eckpfeiler“ der ukrainischen Verteidigung in der Region Donezk sei. Seine Einnahme könnte es russischen Truppen ermöglichen, Kostjantyniwka, Druschkiwka, Kramatorsk und Slowjansk in der Nähe zu beschießen.

Russland will verstärkt auf Tschassiw Jar vorrücken: Stadt im Ukraine-Krieg von großer Bedeutung

Gegenwärtig soll die Ukraine die Stadt noch verteidigen können. Im aktuellen Bericht des Institute for the Study of War (ISW) heißt es: Der Ukraine sei es gelungen, verlorene Positionen östlich von Tschassiw Jar, südöstlich der Stadt Iwaniwske, zurückzugewinnen. Zugleich kündigte der russische Verteidigungsminister Sergei Schoigu an, die russischen Angriffe in der Region intensivieren zu wollen. Hintergrund ist dabei, dass Putins Armee die Versorgung der ukrainischen Verteidigung nachhaltig ausbremsen soll. Ob die russische Seite befürchtet, dass die Waffenhilfen für die Verteidigerinnen und Verteidiger Offensiv-Operationen erschweren könnten und deshalb härter vorgehen wollen, ist unklar – auszuschließen ist es allerdings nicht. (fbu)

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