„Unprofessioneller Machtkampf“: Verhandlungsexperte erklärt, ob sich Bahn und GDL jemals einigen werden

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Streiks bei der Deutschen Bahn werden den Zugverkehr erneut lahmlegen. Im Kern gehe es bei dem Konflikt eher um Egos als um Löhne, sagt ein Experte für Verhandlungen.

Es beginnt die nächste Runde in den Tarifverhandlungen zwischen der Deutschen Bahn und der Lokführergewerkschaft GDL. Allerdings findet die Auseinandersetzung nicht an einem Verhandlungstisch statt. An diesem Donnerstag soll ab 22 Uhr erneut gestreikt werden. Bis Freitagabend, 22 Uhr, drohen damit Tausende Zugausfälle. Im Güterverkehr werde der Streik bereits um 18 Uhr beginnen, kündigte die GDL an. Zuletzt hatte die Gewerkschaft am 15. und 16. November gestreikt. Bei dieser 20-stündigen Arbeitsniederlegung fielen gut 80 Prozent der eigentlich vorgesehenen Fernverkehrsfahrten aus. 

GDL-Chef Claus Weselsky (links) und DB-Personalvorstand Martin Seiler begrüßen sich zum Auftakt der Tarifverhandlungen im November.
GDL-Chef Claus Weselsky (links) und DB-Personalvorstand Martin Seiler begrüßen sich zum Auftakt der Tarifverhandlungen im November. © Fabian Sommer/dpa

Die Deutsche Bahn kritisierte, die GDL vermiese Millionen unbeteiligten Menschen das zweite Adventswochenende. Ein Streik so kurz nach dem Wintereinbruch und so kurz vor dem Fahrplanwechsel sei verantwortungslos und egoistisch, sagte Bahn-Personalvorstand Martin Seiler. „Anstatt zu verhandeln und sich der Wirklichkeit zu stellen, streikt die Lokführergewerkschaft für unerfüllbare Forderungen. Das ist absolut unnötig.“

Streik wird eine Lösung zwischen GDL und Bahn „nicht wahrscheinlicher machen“

Es sind Aussagen wie diese, über die Verhandlungsexperte Adrian Brandis sagt: Das führt nicht zum Ziel. „Ich beobachte hier einen unprofessionellen Machtkampf zwischen Seiler und Weselsky. Leidtragende sind die Bahnfahrer.“ Der Streik werde eine Lösung nicht wahrscheinlicher machen. Aber: „Weselsky hat keine andere Wahl, weil er zu Beginn sehr hohe Forderungen aufgestellt hat“, sagt Brandis. „Er muss jetzt hart bleiben, sonst wird er unglaubwürdig und der Gesichtsverlust droht.“

Adrian Brandis beschäftigt sich täglich mit der Frage: Wie kann man in einer Verhandlung das Optimum rausholen?
Adrian Brandis beschäftigt sich täglich mit der Frage: Wie kann man in einer Verhandlung das Optimum rausholen? © BRANDIS NEGOTIATIONS / F. Matthies

Der Knackpunkt ist die Arbeitszeit. Die GDL will für Schichtarbeiter eine Arbeitszeitverkürzung von 38 auf 35 Stunden pro Woche erreichen. Seiler hält die Forderung für nicht umsetzbar und sieht keinerlei Verhandlungsspielraum. Seine Begründung: Die Umsetzung sei zu teuer, und obendrein bedeute die Arbeitszeitverkürzung, dass man mehr Beschäftigte einstellen müsse, was angesichts des Fachkräftemangels schwer sei. Ein Argument, das Weselsky ebenfalls verwendet – allerdings in die andere Richtung: Ohne die 35-Stunden-Woche sei man als Arbeitgeber nicht mehr attraktiv.

„Kommunikatives Foulspiel“: Verhandlungsbereiter Weselsky, sture Bahn

Dennoch sagt Verhandlungsexperte Brandis, dass Weselsky kooperationsbereit sei. „Er hat mehrfach durchblicken lassen, dass er sich durchaus Kompromisse vorstellen könnte – auch bei der Arbeitszeit. Doch das wurde von Seiten der Bahn nicht gesehen oder bewusst ignoriert.“ Dazu würden kommunikative Spitzen gesetzt, „die eher auf die Durchsetzung eigener Befindlichkeiten schließen lassen“, sagt Brandis. „Herr Seiler sagte bei der letzten Gesprächsrunde, dass man ohne Herrn Weselsky gut und ‚in sachlicher Atmosphäre‘ verhandelt habe. Das ist ein kommunikatives Foulspiel und macht eine Lösung nur schwerer.“

Und trotzdem sollte man derlei Statements nicht überbewerten, sagt Brandis. „Es kann durchaus sein, dass Seiler und Weselsky intern schon viel weiter sind und auch vernünftig verhandeln können, aber nach außen so tun, als würden alle Zeichen auf Konfrontation stehen. Sie wollen natürlich beide ausstrahlen, dass sie sehr hart für die jeweiligen Interessen aller Beteiligten verhandelt haben.“

Nach dem Warnstreik will die GDL bis zum 7. Januar nicht mehr streiken. „Wir werden jetzt diese Streikaktion am Donnerstag und Freitag durchführen, und es ist für dieses Jahr die letzte“, sagte Weselsky dem MDR. Ob für die Zeit danach weitere Streiks endgültig vom Tisch sind, ist nicht klar. Weselsky hatte die Tarifverhandlungen am 24. November für gescheitert erklärt.

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