Trotz Aufruf von Öcalan: Türkei fordert bedingungslose Auflösung der PKK – und setzt Angriffe fort
Der Aufruf von Kurdenführer Abdullah Öcalan zu einem Frieden mit der Türkei bekommt Unterstützung aus dem Bundestag. Auch Deutschland solle den Prozess unterstützen.
Ankara – Der inhaftierte ehemalige Vorsitzende der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, Abdullah Öcalan, hatte die Gruppierung vergangene Woche dazu aufgerufen, ihre Waffen niederzulegen und sich aufzulösen. Die Partei hatte daraufhin einen Waffenstillstand mit der Türkei verkündet, eine vollständige Umsetzung der Forderungen Öcalans aber an Bedingungen geknüpft. Für die erfolgreiche Implementierung des Aufrufs müsse Öcalan etwa „in die Lage versetzt werden, unter freien Bedingungen zu leben und zu arbeiten“, hatte die PKK-Führung gefordert.
Erdogan fordert bedingungslose Auflösung der PKK – Türkei setzt wohl Militäroperationen fort
Jetzt fordert die Türkei laut Regierungsquellen die bedingungslose Auflösung der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK. Die PKK und „alle mit ihr verbundenen Gruppen müssen ihre Terroraktivitäten beenden, sich auflösen und unverzüglich und bedingungslos die Waffen niederlegen und abgeben“, meldete die dpa mit Verweis auf Quellen im türkischen Verteidigungsministerium. Aus Sicherheitskreisen hieß es, die Türkei habe erst keinen Grund für weitere Angriffe, wenn sich die PKK vollständig aufgelöst hat.
Die PKK hatte wiederum erklärt, sie werde die Waffen so lange ruhen lassen, wie „keine Angriffe auf uns erfolgen“. Die Türkei gab jetzt wiederum an, „ununterbrochen und entschlossen Operationen“ weiter durchzuführen. Alleine in der vergangenen Woche seien dabei in Syrien und im Irak 26 „Terroristen neutralisiert“ worden. Was das für den Waffenstillstand bedeutet, blieb zunächst unklar.

Kampf gegen Türkei soll beendet werden: Öcalan rief PKK zur Auflösung auf – Führung zögert
Noch hat die PKK-Führung einer Niederlegung der Waffen nicht zugestimmt. In einem Kongress soll es dazu eine Abstimmung geben. „Zweifellos erfordert das Niederlegen der Waffen und die Selbstauflösung der PKK in der Praxis die Anerkennung der demokratischen Politik und der rechtlichen Dimension,“ hatte Öcalan mitgeteilt.
Das bedeutet vor allem, dass die Regierung von Präsident Recep Tayyip Erdogan rechtsstaatliche Maßnahmen durchführt. Das würde bedeuten, dass vor allem die Repressionen gegen politische Gegner enden. Hunderttausende Menschen wurden nach dem Putschversuch 2016 in der Türkei aus politischen Gründen verhaftet und immer noch sitzen tausende politische Gefangene in den türkischen Gefängnissen.
Frieden mit Erdogan? PKK fordert Stopp der türkischen Angriffe und Freilassung von Öcalan
Dazu zählt „die Wiedereinsetzung demokratisch gewählter Bürgermeister kurdischer Städte und Gemeinden, die von Zwangsverwaltern ersetzt wurden, die Umsetzung der Europäischen Charta zur kommunalen Selbstverwaltung, muttersprachlicher Unterricht in den Schulen und die Freilassung kurdischer Politiker“, sagt der im deutschen Asyl lebenden kurdisch-alevitische Journalist Aziz Tunc im Gespräch mit Fr.de von IPPEN.MEDIA. Immer wieder werden in der Türkei demokratisch gewählte Bürgermeister von Zwangsverwaltern ersetzt und anschließend festgenommen.
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Ein Scheitern droht vor allem aber wegen der Militäroperationen gegen kurdische Stellungen im Irak und Syrien, weil die PKK einen Stopp der Angriffe fordert. Schließlich habe die PKK auch in der Vergangenheit ähnliche Aufrufe für einen Waffenstillstand gemacht, die allerdings nicht beachtet wurden, sagt Tunc. Es gelte daher abzuwarten. „Der Aufruf von Öcalan ist nur der Anfang eines Prozesses. Neben der PKK muss auch die türkische Seite die Bedingungen für einen Waffenstillstand erfüllen. Dazu zählt neben der Freilassung Öcalan auch ein Stopp der Angriffe auf die PKK“.
Nach Aufruf von Öcalan: Bundestagsabgeordnete fordern Erdogan zu Frieden mit Kurden auf
Auch im Deutschen Bundestag ist der Aufruf des Kurdenführers Öcalan ein Thema. Mehrere kurdischstämmige Abgeordnete des Bundestages fordern in einer gemeinsamen Erklärung, die unserer Redaktion vorliegt, die türkische Regierung auf, ihren Beitrag für einen Frieden mit den Kurden zu leisten. „Wir fordern Präsident Erdoğan auf, diesen Friedensprozess aktiv zu fördern, in dem er Demokratie, Freiheit und Rechtsstaatlichkeit stärkt. Dies umfasst die Freilassung aller politischen Gefangenen, die Wiederherstellung der Amtsgeschäfte abgesetzter Bürgermeister:innen sowie die Verankerung der kulturellen Rechte von Kurd:innen und anderen Minderheiten“. Unterzeichnet wurde die Erklärung von den Bundestagsabgeordneten Kassem Taher Saleh von den Bündnis90/Die Grünen sowie die Abgeordneten Gökay Akbulut, Mirze Edis, Cem Ince, Ferat Koçak und Cansu Özdemir von Die Linke.
Die Parlamentarier fordern auch Deutschland auf, ihren Beitrag dazu zu leisten. „Die neue Bundesregierung fordern wir auf, diesen Prozess konstruktiv und im Sinne einer nachhaltigen politischen Lösung zu begleiten. Dazu gehört auch, die ungerechtfertigte Kriminalisierung kurdischer Aktivist:innen zu beenden. Aufgrund der zahlreichen kurdisch- und türkischstämmigen Menschen in Deutschland trägt sie hierbei eine besondere Verantwortung“, heißt es in dem Papier. Der Aufruf Öcalans sollte von der Türkei nicht als Kapitulation, sondern als Chance für eine friedliche, freiheitliche und demokratische Lösung der kurdischen Frage verstanden. werden.
Nutzt Erdogan die Chance auf Frieden mit den Kurden? Zahlreiche Journalisten weiter in Haft
Ob Erdogan diese Gelegenheit zu einem Frieden mit den Kurden nutzen wird, wird sich zeigen. Dazu ist es vor allem eine Demokratisierung des Landes nötig. „Wie Öcalan sagte: ‚Demokratie ist die Kunst, dass die Menschen frei ihre Meinung sagen können.‘ Jetzt ist es an der Zeit, dass die Türkei spricht, jetzt ist es an der Zeit, dass die Gesellschaft sich frei ausdrückt“, sagte die Ko-Vorsitzende der pro-kurdischen Dem Partei in einer Rede.
Bislang war es aber so, dass Kritiker des türkischen Präsidenten sehr schnell festgenommen wurden. In den vergangenen Wochen wurden erneut mehrere Journalisten festgenommen. In dieser Wochen ist es bereits zehn Jahre her, dass der Journalist Mehmet Baransu seit 10 Jahren im Gefängnis sitzt, weil er die Machenschaften der Erdogan-Regierung aufgedeckt hatte. Mit ihm sind noch dutzende weitere Journalisten in der Türkei in Haft. (erpe/dpa)