„Mir bleibt wirklich die Luft weg“: 203 Haustiere auf einmal beschlagnahmt – Tierheim mit Hilferuf
203 beschlagnahmte Farbratten haben die Tierschützer in einem Heim in Mittelhessen aufgenommen. Erste Tiere wurden bereits von ihrem Leid erlöst.
Gießen – Das Video, das der Tierschutzverein Gießen und Umgebung am Montagabend (8. Juli) auf Facebook hochgeladen hat, ist nichts für schwache Nerven. Unzählige Farbratten drängen sich auf engstem Raum in kleinen Laborkäfigen. Sie haben Bissverletzungen, leiden an Milbenbefall und Hautproblemen. Manche haben sogar schon Körperteile verloren – abgebissen. Die Kameraaufnahmen sind verstörend.

Die Tiere stammen aus einer Art Animal Hoarding Fall, berichtet die Tierheimleiterin Hannah Wern. Das Veterinäramt habe sie am Montagmorgen aus der Wohnung des Halters beschlagnahmt. Zum Zeitpunkt des Videos waren es zunächst 140 Farbratten, doch es wurden noch mehr. Insgesamt musste das Tierheim spontan 203 Tierchen versorgen, darunter auch einige Babys. „Überall lagen Babys verstreut in den Ecken“, heißt es im Post des Vereins. Sogar frisch geborene ohne Fell sind darunter.

Tierheim Gießen braucht Hilfe: Gerettete Farbratten sind in furchtbarem Zustand
Sie alle haben gemeinsam, dass sie in einem furchtbaren Zustand sind. „Füße abgefressen, Ohren abgefressen, mir bleibt wirklich die Luft weg“, sagt Wern. „Es ist mit keinen Worten zu beschreiben, die Gerüche, die armen Tiere, die dort sitzen. Es ist einfach nur schrecklich.“ Die Einstreu, auf der die Tiere saßen, war völlig durchnässt und eingekotet, berichtet sie. Vier Tiere mussten bereits erlöst werden.

Zu den Hintergründen der Beschlagnahme ist noch nicht viel bekannt. Das Landratsamt bestätigte lediglich den Fall im Landkreis Gießen. Die Tiere stammen aus dem Haus eines Paares, weiß Wern. Diese hätten die Ratten im Keller gehalten, in den aufgestapelten Laborkäfigen. Die Vermutung liege nahe, dass die Tiere als Schlangenfutter herhalten sollten, denn das Paar habe auch Schlangen im Besitz. Im Wohnbereich habe es außerdem noch „Liebhabertiere“ gegeben, wie Wern es ausdrückt: Dort sollen offenbar Farbratten gelebt haben, die deutlich besser versorgt wurden als ihre Artgenossen im Keller.
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Das brauchen Farbratten
Farbratten sind lernfähige, neugierige und aufgeweckte Tiere. Sie werden schnell zahm, wenn man sich gut mit ihnen beschäftigt. Auch ein kontrollierter Freilauf ist möglich.
Außerdem brauchen die geselligen Tiere Artgenossen und viel Platz. Bis zu vier Farbratten wohnen am besten in einem Turmkäfig ab 150 Zentimetern Höhe bei einer Grundfläche von mindestens 150 mal 75 Zentimetern. Die Käfigeinrichtung sollte Schlafen, Graben, Erforschen und Klettern ermöglichen, die Einstreu mindestens 15 Zentimeter hoch sein. Die Einrichtung, beispielsweise Kletterstangen und Hängematten, sollte die ganze Höhe des Käfigs nutzen. Einrichtungsgegenstände können gerne hin und wieder getauscht werden, da Ratten sehr gerne erkunden. (Quelle: haustier-berater.de)
Von den mehr als 200 Tieren wurde jedes einzeln untersucht. Sie müssen aus den kleinen Käfigen in eine angemessenere Rattenhaltung gebracht und medizinisch versorgt werden. „Wir wissen gar nicht, wie wir das jetzt umsetzen und stemmen können. Wir brauchen auf jeden Fall Unterstützung“, heißt es im Video weiter. Spenden für die wahrscheinlich horrenden Tierarztkosten, Streu, Futter und weiteres würden dem Tierschutzverein weiterhelfen. Auch andere Tierheime können helfen, indem sie einen Teil der Tiere aufnehmen. Dazu laufe die Kommunikation schon, berichtet Wern.

Der Halter werde wohl die Kosten, die durch die nicht artgerechte Haltung entstehen, zahlen müssen, meint Wern. Doch bis das durchgesetzt ist, kann es noch dauern. Wer also dem Tierschutzverein helfen möchte, kann eine Spende via Paypal an info@tsv-giessen.de schicken oder auf das Konto bei der Sparkasse Gießen überweisen (Tierschutzverein Gießen e.V., IBAN: DE76 5135 0025 0200 5054 24). Auch Wunschliste für Sachspenden bei Amazon und Zookauf gibt es, diese finden sich über die Website tsv-giessen.de/?page_id=6342. (anki)