Macron gegen Scholz: Europas gefährlicher Kindergarten

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Einst vollmundige Beistandsbekundungen, heute gefährliche Sandkastenspiele: Bundeskanzler Olaf Scholz (li.) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron bei einem Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj (re.). Ein Kommentar von Merkur-Chefredakteur Georg Anastasiadis. © Ludovic Marin/AFP/Klaus Haag

Frankreichs Präsident Macron und Bundeskanzler Scholz beschwören zur Strategie für die militärische Unterstütztung der Ukraine einen Streit herauf, der zum Fiasko für den gesamten Westen werden kann. Ein Kommentar von Georg Anastasiadis.

Wie oft haben wir Sonntagsreden gelauscht und andächtig genickt, wenn in feierlichem Ton gefordert wurde, Europa müsse endlich erwachsen werden, weil der große Bruder USA nicht mehr Kindergärtner spielen kann und will? Und dann diese französisch-deutsche Sandkastenschlacht! Präsident Macron und Kanzler Scholz blamieren mit ihrem Schlagabtausch Europa. Und, viel schlimmer: Sie trampeln  auf dem Schicksal der tapferen Ukrainer herum, weil sich zur Unfähigkeit, den Verteidigern genug Munition zu liefern, nun auch noch ein tiefes, öffentlich zelebriertes strategisches Zerwürfnis gesellt, in dem der eine Moskau markig mit Eskalation droht und der andere rote Linien zieht. Spätestens jetzt weiß Putin, dass er die viel beschworene Einheit des Westens gesprengt hat. Wenn es dumm läuft, bringt ihn die Kakophonie auf beiden Seiten des Rheins auf die Idee, auf seinem weiteren Eroberungszug auch noch zu testen, was den Aggro-Europäern ihr Nato-Beistandsversprechen wert ist. Das bedroht unser aller  Sicherheit. Da brauchen Paris und Berlin gar nicht mit dem Finger auf den Erzbösewicht Trump zu zeigen.

Scholz und Macron müssen aufeinander zugehen, wenn ihr Streit nicht zum Fiasko werden soll

Der Grüne Anton Hofreiter hat mit seinem Zornesausbruch Recht: Das ist „unverantwortlich“. Blamiert steht auch die SPD-Spitzenfrau für die EU-Wahl im Juni da. Bei ihrem kühnen Vorschlag, über einen gemeinsamen Atom-Abwehrschirm über Europa nachzudenken, hat Katharina Barley die Rechnung erkennbar ohne Macron und Scholz gemacht. Die leben lieber ihre persönlichen Animositäten aus, als in schicksalhafter Lage ihrer Aufgabe gerecht zu werden, den Kontinent beisammen zu halten.

Auch wenn es beiden schwerfällt: Sie müssen, wenn sich ihr Streit nicht zum Fiasko für den ganzen Westen auswachsen soll, aufeinander zugehen. Oder, wenn ihr Ego dafür zu groß ist, den Polen Donald Tusk als Paartherapeuten engagieren. Dass wenigstens in Warschau wieder ein Mann der Vernunft regiert, ist ein kleiner Hoffnungsschimmer in dunkler Zeit.

Georg Anastasiadis

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