„Wasserstoff-Bluff“ der Ampel: Experten zweifeln an Habecks Milliarden-Plan
Wasserstoff spielt eine zentrale Rolle bei Deutschlands Energiewende. Die Bundesregierung hat ambitionierte Ziele bis 2030 – doch lassen die sich umsetzen?
Berlin – Der Ausbau der erneuerbaren Energien hat in Deutschland zuletzt an Fahrt aufgenommen: Laut Bundesregierung wurden im Jahr 2023 bereits 52 Prozent des Stromverbrauchs durch Solar- und Windenergie gedeckt. Auch klimaneutral hergestellter Wasserstoff soll im zukünftigen Energiesystem eine bedeutende Rolle spielen. Ein großer Teil des zukünftigen Wasserstoffbedarfs Deutschlands soll aus dem Ausland gedeckt werden. Am Dienstag (28. Mai) genehmigte die EU-Kommission milliardenschwere Förderungen. Dennoch gibt es Zweifel an der deutschen Wasserstoffstrategie.
Deutschlands ehrgeizige Wasserstoff-Ziele: „Rascher Hochlauf“ und Milliardeninvestitionen
Wasserstoff wird als Hoffnungsträger der Energiewende betrachtet. Die Bundesregierung hat ambitionierte Ziele: Bis 2030 soll Wasserstoff verstärkt in der Industrie, bei schweren Nutzfahrzeugen sowie im Luft- und Schiffsverkehr eingesetzt werden. Wasserstofffähige Gaskraftwerke sollen zur Stabilisierung des Stromnetzes beitragen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet eine rasche Zunahme der Wasserstoffnachabefrage und -integration. „Das wird jetzt in kurzer Zeit einen sehr schnellen Hochlauf geben“, sagte er im Februar. Doch bevor es so weit ist, sind einige Hürden zu überwinden. Ein wesentlicher Punkt ist der Ausbau der Wasserstoff-Infrastruktur.
Bundesweit sollen Leitungen von mehr als 10.000 Kilometern Länge entstehen, ergänzt durch Importterminals und Speicher. Habeck plant, rund 20 Milliarden Euro in diese Infrastruktur zu investieren. Dabei soll möglichst viel bestehende Infrastruktur umgestellt, statt neu gebaut werden. Allerdings bestehen Zweifel an der Umsetzbarkeit dieser Pläne. Das Fraunhofer Institut deutete in einer Studie an, dass eine Umstellung nur machbar sei, wenn sie bereits in der Planungsphase berücksichtigt würde. Professor Peter Newman von der Curtin University in Perth erklärte dem Portal t-online, dass die Idee, LNG-Anlagen könnten Wasserstoff annehmen, ein „Trump‘sches Narrativ“ sei – eine oft wiederholte Behauptung ohne tatsächliche Grundlage.
Die Rechercheplattform Correctiv sprach kürzlich sogar von einem „Wasserstoff-Bluff“. Der Traum von der Wasserstoff-Republik sei bislang noch nicht Realität. Ob und wann Wasserstoff tatsächlich verfügbar, bezahlbar und transportierbar sein werde, sei unklar – auch für die Bundesregierung. Als Beispiel hierfür nennt Correctiv ein Erdgaskraftwerk in Leipzig, das angeblich „vollständig wasserstofffähig“ sein soll, obwohl wichtige Bauteile fehlen und noch kein Test durchgeführt wurde.
Wasserstoff-Importe in Deutschland: Wohin geht die Reise?
Der Energiewirtschaftsverband BDEW forderte kürzlich mehr Tempo beim Aufbau von Einrichtungen für den Import und Transport von Wasserstoff. Laut einem Positionspapier des Verbands sollten Umstellung und Neubau von Pipelines und Importterminals sowie der Anschluss an die entsprechenden Infrastrukturen schnellstmöglich und zeitgleich angegangen werden. Dabei seien das H2-Kernnetz mit seinen Importpunkten und die Hafeninfrastruktur mit Anlandeterminals, Flächen für Tanklager, oberirdischen Speichern sowie Ammoniak-Crackern von entscheidender Bedeutung, berichtete die Deutsche Presse-Agentur am Mittwoch, der das Papier vorab vorlag. Zusätzlich seien langfristig absehbare Liefermengen erforderlich, um den Bau und die Auslastung der Importinfrastrukturen zu realisieren, hieß es.
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Ein Großteil des Wasserstoffbedarfs Deutschland kommt künftig aus dem Ausland. 50 bis 70 Prozent sollen laut der Wasserstoffstrategie der Bundesregierung im Jahr 2030 importiert werden. Ob dies sinnvoll ist, daran gibt es Zweifel. „Wenn man Wasserstoff verwendet, muss man ihn dort einsetzen, wo man ihn herstellt.“ Alles andere sei nicht wirtschaftlich, kommentierte Professor Newman gegenüber t-online. Eine von der Generaldirektion Energie der EU-Kommission veröffentlichte Studie kommt zu ähnlichen Schlussfolgerungen. Zudem birgt ein zu hoher Wasserstoffimport die Gefahr, dass Deutschland erneut von autokratischen Regierungen abhängig wird, warnte Verena Graichen vom Umweltverband Bund unlängst.
Die Zukunft des Wasserstoffs: Britische Experten äußern Zweifel an Einsatz in der Beheizung
Robert Habecks Ministerium setzt offenbar alles auf eine Karte: Wenn bis 2035 ausreichend grüner Wasserstoff beschafft und wie erhofft in den vorhandenen Gaskraftwerken verbrannt werden könne, würde Deutschland seinen Klimazielen zumindest nahekommen, so Correctiv. Scheitert dieser Plan, riskiert Deutschland das Verfehlen der Klimaziele und hätte gleichzeitig Milliarden Euro verschwendet. Ein Blick nach Großbritannien zeigt, wie das aussehen könnte. Der ehemalige Premierminister Boris Johnson wollte sein Land zum „Katar des Wasserstoffs“ machen.
Jedoch stieß dieses Vorhaben auf Widerstand in der Bevölkerung: In den britischen Dörfern Whitby und Redcar sollten Pilotprojekte starten, doch die Einwohner demonstrierten dagegen. Sie befürchteten, zu „Laborratten“ einer Technologie zu werden, die sich letztendlich in Großbritannien nicht durchsetzen würde, wie Guardian berichtete. Schließlich gab die Regierung bekannt, dass das Projekt eines „Wasserstoffdorfs“ nicht umsetzbar sei, da die lokale Wasserstoffproduktion nicht ausreichte, um die Gasversorgung auf die kohlenstoffarme Alternative umzustellen.
Private Haushalte sollten auf elektrische Heizmöglichkeiten wie Wärmepumpen umsteigen, während die Schwerindustrie Wasserstoff nutzen solle, rieten britische Experten, darunter Infrastrukturbeauftragte der britischen Regierung. „Es ist ziemlich klar, dass Wasserstoff bei der Beheizung von Häusern in Zukunft eine kleine Rolle spielen wird, wenn überhaupt. Das akzeptieren alle, von den Ministern bis zur National Infrastructure Commission, die Gasindustrie vielleicht weniger“, kommentierte der Analyst Jess Ralston gegenüber dem Guardian.
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