Gazprom: Russlands Energie-Titan steht vor Milliarden-Strafen – Druck aus Deutschland

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Wegen fehlender Gaslieferungen haben mehrere Energieunternehmen Gazprom verklagt. Es geht um Milliarden. Gazprom wiederum steckt in Turbulenzen.

Moskau – Der russische Gas-Titan Gazprom steckt in Schwierigkeiten. Weil der Konzern auf massive Gaseinkäufe Europas angewiesen ist, die seit dem russischen Überfall auf die Ukraine ausbleiben, musste er bereits 2024 zu verzweifelten Maßnahmen greifen. Immobilienverkäufe sollten das Unternehmen über Wasser halten. Anfang 2025 folgte dann eine massive Entlassungswelle. Außerdem wollen mehrere Energieunternehmen Geld vom Gazprom – und zwar in Milliardenhöhe.

18 Milliarden Euro wegen Energie-Manipulation – Gazprom stoppt Lieferungen durch Nord Stream

Zudem steht Gazprom vor einem sich häufenden Berg an Strafzahlungen. Verschiedene europäische Energiefirmen haben den Konzern wegen Manipulation von Gaslieferungen auf rund 18 Milliarden Euro verklagt. Das hatte das Nachrichtenportal Kyiv Independent am 10. März unter Berufung auf Berichterstattung der Moscow Times mitgeteilt. Grund für diese Klagen sollen die einseitig verringerten bis ausgesetzten Gaslieferungen von Russland nach Europa im Jahr 2022 sein. Damals hatte der Kreml-Diktator Wladimir Putin verlangt, dass westliche Unternehmen die Gaslieferungen aus Russland in der russischen Währung Rubel bezahlen sollten.

Das Gazprom-Logo auf einem Basketballplatz.
Das Gazprom-Logo auf einem Basketballplatz (Symbolfoto). Wegen fehlender Gaslieferungen haben mehrere Energieunternehmen Gazprom verklagt. Es geht um Milliarden. Gazprom wiederum steckt in Turbulenzen. © IMAGO / SOPA Images

Das betraf auch Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream, die Russland mit Deutschland verband. Die größte Klage soll vom deutschen Konzern Uniper gekommen sein, einst Gazproms größter Kunde und einer der Investoren des Nord-Stream-2-Projekts. Uniper hatte 20 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr importiert und forderte Kompensation für Verluste in Höhe von 14,3 Milliarden Euro, die sich aus dem russischen Lieferstopp ergeben hatten.

Gazprom hatte mit Gegenklagen reagiert, vor russischen Gerichten, um die legalen Vorgänge außerhalb Russlands zu blockieren. Uniper wiederum hatte bereits im Juni 2024 verlauten lassen, dass das Unternehmen die russischen Gaslieferverträge gekündigt hatte. Das sei dank eines Schiedsgerichtsspruchs passiert, der Uniper außerdem einen Schadensersatz von mehr als 13 Milliarden Euro zusprach. Die Berichterstattung von Kyiv Independent scheint die verschiedenen Maßnahmen der Energiekonzerne zusammenzufassen. Auf Anfrage von IPPEN.MEDIA verwies ein Sprecher von Uniper auf den Schiedsspruch von 2024, gab aber keine Statements zu einer etwaigen neuen Klage.

Gas-Lieferungen nur gegen Rubel – Putins Trick zur Rubel-Stärkung

Den Anfang nahm dieser Konflikt bereits kurz nach der völkerrechtlich illegalen Ukraine-Invasion durch Russland. Wichtig in diesem Rahmen ist vor allem die Schwächung des russischen Rubels – nach der Invasion war sein Wert drastisch eingebrochen. Um die Währung zu stützen (und einen Teilsieg in Sachen Propaganda zu erringen), hatte Putin verlangt, dass West-Unternehmen ihre Energielieferungen nur in Rubel bezahlen können. Ein Teil dieses neuen Systems war die Eröffnung zweier Konten bei der russischen Gazprombank (damals noch nicht sanktioniert). Wer nicht zahlte, für den drohten Kürzungen bei den Lieferungen von Öl und Gas.

Schon im Mai 2022 hatte die Washington Post berichtet, dass sich europäische Firmen zunehmend der neuen Putin-Direktive beugten. Vorher hatte es wochenlang Unklarheit darüber gegeben, ob ein solcher Schritt die westlichen Sanktionen verletzen würde. Das Nachrichtenmagazin Politico hatte im Vorfeld die schwammigen und teils inkonsistenten Vorgaben der Europäischen Kommission kritisiert.

Unter anderem gehörten die deutschen Konzerne VNG, RWE und Uniper zu denen, die sich eines Tricks bedient hatten: Sie zahlten in Euro auf ein Konto bei der Gazprombank, diese konvertierte die Zahlung in Rubel und so konnten – zumindest auf dem Papier – beide Seiten einen Gewinn verbuchen. Ob das dem tatsächlichen Sinn der Sanktionierung entsprach, war dabei nachrangig.

Gazprom schränkt Gaslieferungen ein – „einseitig und ohne rechtliche Gründe“

Das hinderte Russland nicht daran, die Gaslieferungen dennoch zu verringern. „Obwohl seit Juni 2022 nur noch eingeschränkt und seit Ende August 2022 kein Gas mehr geflossen war, waren die langfristigen Gaslieferverträge zwischen den beiden Unternehmen rechtlich noch in Kraft, einzelne Verträge hätten noch bis Mitte der dreißiger Jahre bestanden“, teilte Uniper dazu im Juni 2024 mit.

Wichtig dabei zu beachten: Im Sommer 2022 hatten noch Bauarbeiten stattgefunden (11. bis 21. Juli), nach denen der Betreiber die Lieferungen wieder aufgenommen hatte – allerdings in deutlich verringertem Maß. „Die Nord Stream AG hat alle geplanten Wartungsarbeiten an beiden Strängen ihrer Pipeline erfolgreich innerhalb der vorgesehenen Zeit abgeschlossen. Der Gastransport wurde am 21. Juli 2022 wiederaufgenommen“, sagte die Nord Stream AG selbst dazu.

Im September 2022 endeten die Lieferungen dann komplett, und zwar mehrere Wochen vor den Explosionen an den Nord-Stream-Pipelines. Davor hatte Russland noch verschiedene Gründe für diesen Schritt genannt, die deutsche Bundesregierung aber zeigte kein Verständnis. „Ab dem Frühjahr 2022 wurde die Gasversorgung ohne Grund immer mehr zurückgefahren“, hatte eine Sprecherin des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) auf Anfrage von IPPEN.MEDIA dazu erklärt. „Russland hat die Gasversorgung einseitig und ohne rechtliche Gründe eingestellt.“

Milliarden-Schiedsspruch für Uniper – „Beiträge in signifikanter Höhe“

Seitdem mussten sich die Energieunternehmen, die einst Milliarden in die Kassen des Kremls eingezahlt hatten, nach anderen Lieferanten für die benötigte Energie umsehen. Uniper hatte in diesem Rahmen massive Mehrkosten auf sich genommen. Dasselbe gilt für den Energiekonzern OMV aus Österreich, der ebenfalls einen Schiedsspruch gegen Gazprom gewann (hier ging es um 230 Millionen Euro) und entsprechende Lieferverträge aufgekündigt hatte.

Was geschieht nun mit den Strafzahlungen gegen Gazprom? „Ob Beträge in signifikanter Höhe zu erwarten sind, ist aus heutiger Sicht noch nicht abzuschätzen“, teilte ein Sprecher gegenüber IPPEN.MEDIA mit. Dabei könnte eine Vollstreckung des Schiedsspruchs in jeden Vermögensgegenstand erfolgen, zum Beispiel in Geldforderungen, Kontoguthaben oder Immobilien. Der Staat, in dem sich der jeweilige Vermögenswert befindet, muss den Schiedsspruch anerkennen, danach muss ein entsprechender Antrag erfolgen.

„Wichtig ist zu beachten, dass alle eingezogenen Beiträge an die deutsche Bundesregierung gehen“. Eine Sonderzahlung über 14 Milliarden Euro dürfte der neuen Regierung um den voraussichtlichen Kanzler Friedrich Merz gerade im aktuellen Umfeld gelegen kommen.

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