Teurer Reis: Japan schlittert mitten im Handelsstreit mit Trump in eine Regierungskrise
In Japan steigen die Reispreise rasant. Bauern leiden trotzdem unter niedrigen Einnahmen. Die Regierung sucht nun nach ungewöhnlichen Lösungen.
Es war der falsche Witz zur falschen Zeit: Er müsse nie Reis kaufen, scherzte Japans Landwirtschaftsminister Tako Eto am vergangenen Wochenende auf einer Spendenveranstaltung: „Dank meiner Unterstützer, die mir viel davon geben, habe ich so viel davon im Haus, dass ich ihn verkaufen könnte.“ Weil in Japan das Grundnahrungsmittel Reis seit Monaten teurer wird, fand freilich kaum jemand Etos Bemerkung zum Lachen, am Mittwoch reichte der Minister seinen Rücktritt ein. „Ich entschuldige mich bei den Menschen dafür, dass ich als Minister eine äußerst unangebrachte Bemerkung gemacht habe, während sie mit steigenden Reispreisen zu kämpfen haben“, erklärte Eto.
Die Ministerposse wirft ein Schlaglicht auf eine Krise, die Japan seit Monaten beschäftigt – und die gesamte japanische Regierung in Schwierigkeiten bringen könnte. Das Problem: Für immer mehr Japaner wird Reis zum Luxusgut. Etwa 4300 Yen kostet ein Fünf-Kilo-Sack derzeit im Supermarkt, umgerechnet rund 26 Euro. Und damit doppelt so viel wie noch vor einem Jahr. Die Regierung macht unter anderem schlechte Ernten wegen einer Rekordhitze im Sommer 2023 für den Preisanstieg verantwortlich. Berichte über steigende Preise und ein angeblich bevorstehendes Mega-Erdbeben führten zudem zu Hamsterkäufen – und einer weiteren Verteuerung.
Die meisten japanischen Reisbauern sind über 60
Um die Preise zu senken, ließ die Regierung im März erstmals seit einem Vierteljahrhundert wieder Reis aus dem Nachbarland Südkorea importieren, zudem wurden Notvorräte auf den Markt geworfen. Den Preisanstieg konnte das bislang allerdings nicht stoppen.
Und die Probleme reichen tief. Schon länger klagen japanische Landwirte, vom Reisanbau kaum noch leben zu können – während gleichzeitig die Preise in den Supermärkten steigen. „Reis wird zwar teuer, aber das bedeutet nicht, dass Bauern mehr verdienen“, sagte der Landwirt und Aktivist Yoshihide Kanno der Zeitung Asahi Shimbun. Kanno war Ende März zusammen mit etwa 3200 Reis- und Milchbauern nach Tokio gekommen, um auf die Lage der Landwirte aufmerksam zu machen. Mit Traktoren fuhren die Bauern bis ins Stadtzentrum der japanischen Hauptstadt. Das Problem, so Kanno: Die Bauern würden ihren Reis günstig an Großhändler verkaufen, die ihn dann teuer an den Einzelhandel weiterreichen würden. Für die Landwirte selbst bleibe am Ende kaum etwas übrig.

Die Folge: Immer mehr Reisbauern geben auf – was die Versorgungslage weiter verschärft. Zahlen des Marktforschungsunternehmens Tokyo Shoko Research zufolge haben im vergangenen Jahr so viele Reisbauern den Betrieb eingestellt oder Insolvenz angemeldet wie seit mehr als zehn Jahren nicht. Und die, die weitermachen, werden immer älter. Wie der Sender Nippon TV berichtet, sind von den rund 540.000 japanischen Reisbauern knapp 30 Prozent zwischen 60 und 69 Jahren alt; weitere fast 59 Prozent sogar 70 oder älter.
Ungewöhnliche Maßnahme: Japan will Reis exportieren – um Preise zu senken
Weil sich mit der Landwirtschaft kaum noch Geld verdienen lässt und Japan ohnehin eine der niedrigsten Geburtenraten weltweit hat, haben die Bauernhöfe ein massives Nachwuchsproblem. Zudem gilt der Job als anstrengend und arbeitsintensiv. Im Jahr 2040, so Prognosen, könnten in Japan deshalb nur noch 75.000 Menschen als Reisbauern arbeiten. Weil Einwanderung von der Regierung und weiten Teilen der japanischen Gesellschaft kritisch gesehen wird, ist kaum zu erwarten, dass Migranten – etwa aus Südostasien – die Leerstellen besetzen.
Aktuell rächt sich auch, dass die japanische Regierung die Reisproduktion über Jahrzehnte künstlich gedrosselt hatte, um ein Überangebot zu verhindern. Um den Reisanbau wieder attraktiver zu machen, will die Regierung in Tokio die Landwirtschaft nun effizienter machen, unter anderem durch mehr Automatisierung. Zudem greift sie zu einer auf den ersten Blick ungewöhnlichen Maßnahme: Sie will mehr Reis ins Ausland exportieren, von rund 46.000 Tonnen im vergangenen Jahr auf das Siebenfache im Jahr 2030. Der Hintergedanke dieser zunächst widersinnig wirkenden Maßnahme: Die Nachfrage aus dem Ausland soll Bauern ermutigen, mehr anzubauen, ohne dass fallende Preise im Inland die Erlöse der Landwirte sinken lassen.
Bei all dem geht es auch darum, das Land unabhängiger von Importen zu machen: Bislang liegt die sogenannte Selbstversorgerrate in Japan bei mageren 38 Prozent – der Rest muss eingeführt werden. In Deutschland beispielsweise liegt die Rate bei 83 Prozent.
Japan hat jetzt einen „Reisminister“
Für Japans Premierminister Shigeru Ishiba, der sein Amt erst im vergangenen Oktober angetreten hatte, kommt die Reiskrise zur Unzeit. Denn das Land kämpft ohnehin mit wirtschaftlichen Schwierigkeiten. So schrumpfte die japanische Wirtschaft im ersten Quartal 2025 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 0,7 Prozent. Schuld daran ist vor allem ein Rückgang bei den Exporten – ein Problem, das sich noch verschärfen dürfte, weil auch Japan von Donald Trump ins Visier genommen wurde. Der US-Präsident hatte unter anderem japanische Autos, das wichtigste Exportgut des Landes in die USA, mit 25-prozentigen Zöllen belegt. Auf alle anderen Güter drohen zudem 24-Prozent-Zölle, die Trump im Rahmen seines „Liberation Day“-Rundumschlags Anfang April angekündigt und später für 90 Tage ausgesetzt hatte. Japan fordert die Aufhebung der Zölle, mehrere Verhandlungsrunden mit den USA sind bislang ohne Ergebnis zu Ende gegangen.

Einer Umfrage der Nachrichtenagentur Kyodo zufolge waren Anfang Mai nur noch 27 Prozent der Japaner mit der Arbeit ihrer Regierung zufrieden, verglichen mit knapp 33 Prozent im Vormonat. Fast jeder neunte Befragte gab zudem an, die Regierung von Premierminister Ishiba tue nicht genug gegen die steigenden Reispreise. Richten soll es nun Shinjiro Koizumi, ein ehemaliger Umweltminister. Koizumi gilt als Rivale von Ishiba, im vergangenen Jahr wollte er selbst Premierminister werden. „Ich betrachte mich als Reisminister“, sagte Koizumi am Mittwoch, dem Tag seiner Vereidigung. Jetzt muss Japans neuer Reisminister liefern.