Wirtschaftsweise wird deutlich: „Die letzte Erhöhung des Bürgergeldes war zu hoch“ - CDU will gegensteuern

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Mitten im Wahlkampf meldet sich die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer zu Wort. Die Erhöhung des Bürgergeldes 2024 war zu hoch.

Berlin - Schon bevor überhaupt der offizielle Startschuss für die nächste Bundestagswahl gefallen war, hatte sich die Opposition das Bürgergeld als Wahlkampfthema ausgesucht. Besonders für Furore sorgte Ende 2023 die Ankündigung aus dem Hause von Sozialminister Hubertus Heil (SPD), dass das Bürgergeld 2024 um zwölf Prozent steigt. Der Regelsatz stieg dann von 502 Euro auf 563 Euro für eine Person. Schon im Jahr davor war die Grundsicherung von 449 Euro auf 502 Euro gestiegen.

Starke Erhöhung für das Bürgergeld: Wirtschaftsweise lobt die Nullrunde für 2025

Die Erhöhung des Bürgergeldes um zwölf Prozent zwischen 2023 und 2024 hat nun auch die Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer, in einem Interview mit der Rheinischen Post kritisiert. „Die letzte Erhöhung des Bürgergeldes um zwölf Prozent war zu hoch, da hat man den Inflationsanstieg überschätzt. Darum fällt die Erhöhung 2025 auch richtigerweise aus.“ Es gebe zwar noch einen Anreiz zu arbeiten, sagt Schnitzer, denn wer arbeiten geht, habe immer mehr Geld als derjenige, der nichts tut. „Das Problem ist aber, dass es für Geringverdiener, die aufstockend Bürgergeld bekommen, unattraktiv ist, eine größere Stundenzahl zu arbeiten. Wir müssen ihnen mehr vom Zuverdienst lassen.“

Monika Schnitzer
Monika Schnitzer ist die Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. © Bernd von Jutrczenka/dpa

Trotzdem warnte sie davor, bei den Bürgergeld-Kosten zu versuchen zu sparen - wie es die Union unter dem Kanzlerkandidaten Friedrich Merz (CDU) versuchen will. „Wohnen müssen die Menschen aber, und Umzüge in kleinere Wohnungen senken die Mietlast oft nicht, weil Neumieten höher sind als Bestandsmieten. Hier ist nicht viel zu sparen“, sagte Schnitzer.

Union will Bürgergeld abschaffen und Neue Grundsicherung einführen: Kann die CDU hier sparen?

CDU und CSU wollen nach der Bundestagswahl in einer neuen Regierung das Bürgergeld abschaffen und stattdessen eine Neue Grundsicherung einführen. „Wir werden dieses System Bürgergeld vom Kopf auf die Füße stellen. Da werden sich zweistellige Milliardenbeträge einsparen lassen“, sagte Merz bei der Vorstellung seines Wahlprogramms in Berlin. Das ist Experten wie Monika Schnitzer zufolge aber nicht möglich - schließlich gibt es ein Grundrecht auf eine Grundsicherung, die verfassungsrechtlich geschützt ist. Kürzungen dieser Leistungen sind auch nur bis zu einem bestimmten Punkt möglich. 2019 urteilte das Verfassungsgericht, dass maximal 30 Prozent der Leistung eines Bürgergeldempfängers gestrichen werden könnte.

Aus Sicht von Professorin Jutta Schmitz-Kießler vom Wissenschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) überschätzt die Union ohnehin, wie hoch die Kosten für das Bürgergeld gemessen am Gesamthaushalt sind. Das Bürgergeld mache gerade einmal 4,2 Prozent des gesamten Sozialbudgets aus. „Das legt nahe, dass Einsparungen im Grundsicherungssystem keineswegs horrende Beträge freisetzen und anderweitig Investitionen möglich machen würden.“ Dem WSI zufolge hat Deutschland 2023 gerade einmal 1,3 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für die Grundsicherung aufgewendet.

Viele Bürgergeld-Empfänger können nicht arbeiten

Es sei eine „Illusion“, dass man so wahnsinnig viele Bürgergeld-Empfänger einfach so in Arbeit bringen könnte. Ein Drittel der Empfänger seien nicht erwerbsfähig – die meisten davon seien Kinder. „Verschärfungen beim Bürgergeld werden keinen einzigen Arbeitslosen langfristig in Arbeit bringen, wären aber eine erhebliche Gefahr für den sozialen Frieden“, schreibt auch die WSI-Direktorin Bettina Kohlrausch.

Professorin Schmitz-Kießler hält aber auch die Bürgergelderhöhung von 2024 nicht für überhöht. „Die Grundsicherung ist von 2005, dem Inkrafttreten der Hartz-Reformen, bis 2023 etwa im gleichen Maße gestiegen wie die Preise – und weniger als die Löhne.“ Auch die Erhöhung 2024 habe die Inflation lediglich ausgeglichen und blieb hinter der Lohnentwicklung zurück.

Bürgergeld-Erhöhung soll nach dem Willen der CDU reformiert werden

Die beiden Expertinnen machen hier also einen Unterschied: Sollte das Bürgergeld lediglich die Inflation ausgleichen oder auch die Lohnentwicklung bei der restlichen Bevölkerung berücksichtigen? Tatsächlich richtet sich die Erhöhung nach geltendem Recht nach beidem: Inflation und Löhne werden berücksichtigt.

Das möchte die Union nun ändern. Im Wortlaut schreiben CDU und CSU in ihrem Programm: „Viele Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer konnten die überproportionale Erhöhung des sogenannten ‚Bürgergelds‘ nicht nachvollziehen. [...] Solche Fälle wollen wir in Zukunft verhindern.“ Die Anpassung der Grundsicherung soll „modernisiert“ werden. Details spart die Union aus, es ist also nicht klar, wie sie den Anpassungsmechanismus anpassen würden.

Auch interessant

Kommentare