Steigende Sozialbeiträge: Beitragsspirale dreht sich weiter – Experten rechnen mit neuen Rekordhöhen

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Ökonomen erwarten deutlich steigende Sozialbeiträge. (Symbolbild) © Jens Büttner/dpa

An steigende Sozialbeiträge sind Arbeitnehmer und Firmen gewohnt. Forscher fürchten, dass sich die Beitragsspirale unter Schwarz-Rot weiter dreht.

Berlin – Bereits kurz nach der Bekanntgabe des Koalitionsvertrags von Union und SPD gab es erste Kritik und die Sorge, dass es in den kommenden Jahren zu massiven Anstiegen bei den Sozialbeiträgen in Deutschland kommen könnte. Nach den Krankenkassen und dem Sozialverband VdK meldet sich nun auch der Essener Gesundheitsökonom Jürgen Wasem zu Wort. Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte er: „Ich erwarte, dass die Krankenkassenbeiträge ohne Reformen in den kommenden zwei Jahren jeweils um rund 0,2 Beitragssatzpunkte steigen.“

Steigende Sozialbeiträge: Kritik am Koalitionsvertrag – „Belastungen werden zunehmen“

Mit Blick auf den vergangenen Jahreswechsel spricht das Berliner Forschungsinstitut IGES bereits von einem „sprunghaften Anstieg der Beitragsbelastung“ bei den Sozialbeiträgen für Durchschnittsverdiener in Deutschland. Im Schnitt könnte die Mehrbelastung etwa 255 Euro für die Krankenkasse betragen. Der Zusatzbeitrag zum allgemeinen Satz von 14,6 Prozent war Anfang 2025 auf im Schnitt 2,9 Prozent gestiegen. „Ohne weitere Maßnahmen werden diese Belastungen zunehmen“, sagte IGES-Geschäftsführer Martin Albrecht der dpa.

Sein Institut rechnet für die kommenden zehn Jahre mit einem Anstieg der Belastungen durch die Sozialbeiträge in Deutschland von etwa 42 auf 49 Prozent. Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) blickt mit Sorge auf den aktuellen Koalitionsvertrag von Union und SPD: „Der Koalitionsvertrag verschärft das Problem: Anstelle von Vorschlägen zu einer Begrenzung des künftigen Beitragsanstiegs gibt es hier teure Versprechungen wie beispielsweise ein stabiles Rentenniveau und eine ausgeweitete Mütterrente“, sagte Marcel Fratzscher gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.

„Beitrags-Tsunami“: DAK-Chef kritisiert Koalitionsvertrag wegen der Aussicht auf steigende Sozialbeiträge

Die Kritik und Sorgen im Zusammenhang mit den Sozialbeiträgen in Deutschland sind nicht neu. Der DAK-Gesundheit-Chef Andreas Storm sagte gegenüber der Augsburger Allgemeinen: „Wenn nicht nachgelegt wird, dann ist mit diesem Koalitionsvertrag ein Beitrags-Tsunami vorprogrammiert.“ Angesichts der vorgesehenen Regelungen im Koalitionsvertrag von Union und SPD warnte er vor kräftig steigenden Beiträgen in der gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung spätestens zum Jahreswechsel.

Der Koalitionsvertrag von Union und SPD sieht in seinem Entwurf vor, Beitragssteigerungen der Sozialversicherungen abzuwenden, indem mehr Menschen in Arbeit gebracht werden. Ziel ist es demnach, so mehr Geld in die Staatskasse zu bekommen. VdK-Präsidentin Verena Bentele sah bereits vor dem Osterwochenende deutliche Mängel in den Plänen der künftigen Merz-Regierung. „So einfach, wie es sich die künftige Regierung vorstellt, ist es leider nicht. Die Rechnung geht nicht auf“, teilte sie in einer Erklärung mit.

Steigende Sozialbeiträge: Kritik am Koalitionsvertrag – Experte rechnet mit gravierenden Auswirkungen

Mit Blick auf steigende Kosten für die Krankenkassen sagte Bentele: „Würde man diese erhöhten Kosten für die Beitragszahlenden jetzt allein durch mehr Menschen in Arbeit abwenden wollen, müssten rund 4,2 Millionen Menschen mehr in die Krankenversicherung einzahlen, um die Summe zu kompensieren.“ Gegenüber dem Deutschlandfunk sprach die Politologin Andrea Römmele von der Berliner Hertie School derweil von einer Enttäuschung beim Thema Rente. Im Koalitionsvertrag sei nicht der große Wurf gelungen. Angesichts der demografischen Entwicklung mahnte Römmele Handlungsbedarf an, um zu verhindern, dass das System letztendlich kollabiere.

Die Abgabenbelastung gilt als eins der vordringlichen Hemmnisse für ein stärkeres Anspringen der Konjunktur in Deutschland. Die Zölle von US-Präsident Donald Trump und die Folgen des Ukraine-Kriegs verschärften die Lage. „Wir bräuchten aber auch wieder mehr privaten Konsum in Deutschland“, sagte Fratzscher. „Hohe Sozialabgaben wirken hier deutlich dämpfend“, so der DIW-Chef. „Wenn die Menschen in Deutschland nicht wieder mehr ausgeben, wird nachhaltige konjunkturelle Erholung kaum gelingen.“ (fbu/dpa)

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