Im „MUT-Talk“ mit Tijen Onaran spricht Commerzbank-Chefin Bettina Orlopp über Deutschlands wirtschaftliche Lage, internationale Unsicherheiten, die Rolle der Commerzbank – und über Mut.
Sie sieht erste positive Signale für die deutsche Wirtschaft: „„Es dreht sich. Die Stimmung wird deutlich besser. Wir haben leichtes Wachstum – ein Miniwachstum, aber immerhin.“ Für 2026 rechnet sie mit einem deutlichen Aufschwung, „stark unterstützt durch das Investitionspaket der neuen Bundesregierung“. Auch bei den Firmenkunden der Commerzbank nehme die Investitionsbereitschaft spürbar zu.
Commerzbank-Chefin erwartet bei Inflation "kleinen Rückschlag"
Mit Blick auf die geopolitischen Spannungen bleibt Orlopp vorsichtig optimistisch: „Im Moment sehen wir noch keine negativen Auswirkungen des Nahostkonflikts, aber wir beobachten das sehr eng.“
Die Bundesregierung müsse jetzt zügig handeln: „Wir gucken natürlich auf das, was die Regierung jetzt angekündigt hat – beim Bürokratieabbau, bei steuerlichen Erleichterungen, beim Thema Energiepreise. Da ist viel geplant, am besten noch vor der Sommerpause.“
Auch bei der Inflation zeigt sie sich zuversichtlich: „Ich glaube schon, dass wir nochmal einen kleinen Rückschlag erleben werden. Aber per se hat sich das besser entwickelt, als wir selbst gedacht haben.“
Bettina Orlopp sagt, ob sie Merz' Regierung Kredit geben würde
Zur Rolle der USA sagt Orlopp: „Die Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sind extrem wichtig. Europa ist ein wichtiger Handelspartner für die USA – und umgekehrt.“ Ein drohender Zollstreit wäre aus ihrer Sicht fatal: „Beim Thema Zölle gibt es in der Regel nur Verlierer.“ Sie setzt auf die Vernunft der Verantwortlichen: „Ich gehe davon aus, dass allen Beteiligten klar ist, dass sie eine Verantwortung haben.“
Auf die Frage, ob die Bundesregierung – wenn sie Kunde der Commerzbank wäre – bei ihr einen Kredit bekäme, antwortet Orlopp: „Das ist ja faktisch die Frage, ob man einen guten Job macht oder nicht. Ich finde, man sollte die neue Regierung jetzt einfach mal ihren Job machen lassen.“ Wichtig sei ein gemeinsames Auftreten: „Das hilft – auch in der Wirtschaft. Und sie brauchen ein Stück weit auch unsere Unterstützung.“
„Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“
Orlopp beschreibt klar, woran es derzeit mangelt: „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem.“ Unternehmen bräuchten vor allem eines: „Wenn Unternehmen investieren wollen, brauchen sie verlässliche Rahmenbedingungen.“ Doch das sieht derzeit nur eine Minderheit erfüllt: „In unserer Mittelstandsumfrage sagten nur 10 Prozent, dass sie sich mit den Rahmenbedingungen wohlfühlen.“ Die größten Hürden seien Bürokratie, hohe Energiepreise, mangelnde Infrastruktur und Engpässe in der Bildung.
Commerzbank-Chefin trifft US-Investoren - deren Deutschland-Bild überrascht
Gleichzeitig sieht Orlopp eine positive Außenwahrnehmung Deutschlands: „US-Investoren schauen sehr positiv auf Deutschland, auf Europa – und auch auf unsere Regierung.“ Das stehe im Kontrast zur oft skeptischen Stimmung im Land selbst. „Das ist wohl eine Mentalitätsfrage. Häufig ist die Stimmung schlechter als die tatsächliche Lage.“ Jetzt sei das Momentum da – „und das müssen wir nutzen.“
Übernahme-Krimi wegen Unicredit: „Commerzbank bleibt erst mal die Bank für Deutschland“
Zur viel diskutierten Übernahmefrage rund um die italienische Unicredit bezieht Orlopp klar Stellung: „Die Interaktionen mit der Unicredit beschränken sich auf normale Investoren-Gespräche. Sie ist ein großer Aktionär – nicht mehr, nicht weniger.“ Ihre oberste Priorität sei: „Für unsere Stakeholder da zu sein – also für Aktionäre, Kunden und Mitarbeitende.“ Die Commerzbank konzentriere sich auf ihre Weiterentwicklung – und werde deutlich, „wenn wir das Gefühl haben, dass jemand versucht, Dinge in eine falsche Richtung zu setzen“.
Auf die Frage nach der Zukunft der Bank sagt Orlopp selbstbewusst: „Sie bleibt erst mal die Bank für Deutschland.“ Zugleich betont sie: „Es ist eine Bank mit internationalem Ansehen – und das soll auch so bleiben.“ Vor allem aber: „Sie bleibt eine erfolgreiche Bank, die für ihre Aktionäre, ihre Kunden und ihre Mitarbeitenden da ist.“
Orlopps Rat an Frauen: weniger zweifeln, mehr ausprobieren
Am Ende des Gesprächs richtet Orlopp sich direkt an Frauen: „Also ich würde sagen, es gibt im Leben so wahnsinnig viele Chancen und man muss die Chancen einfach auch ergreifen.“ Sie ermutigt dazu, weniger zu zweifeln und mehr auszuprobieren: „Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass es nicht funktioniert. Dann mache ich halt einfach was anderes.“ Ihr Appell: „Diesen Mut zu haben, so ein bisschen diese Risikobereitschaft – das wünsche ich vielen.“
Den Talk mit Bettina Orlopp sehen Sie auch auf Spotify.