Putins Marine zerfällt: Russland will womöglich einzigen Flugzeugträger verschrotten
Jahrelange Sanierung, Millionenkosten und zahlreiche Pannen: Der letzte russische Flugzeugträger droht nun endgültig auf dem Schrottplatz zu landen.
Murmansk – Während China mittlerweile die größte Marine der Welt hat, fällt Russlands Seemacht immer mehr zurück. Im Ukraine-Krieg gelang es den ukrainischen Streitkräften sogar, die russische Schwarzmeerflotte nach Osten zurückzudrängen – trotz fehlender eigener Marine. Aktuellen Berichten zufolge muss Moskau nun womöglich auch seinen einzigen Flugzeugträger verschrotten. Welche militärischen Folgen eine solche Entscheidung hätte.
Seit 2017 außer Gefecht: Russisches Verteidigungsministerium muss über Verschrottung entscheiden
Seit 2017 lag der Flugzeugträger „Admiral Kuzenow“ in einem Dock von Murmansk, dem eisfreien Hafen der russischen Nordflotte. Das Ende der Reparaturarbeiten war für 2022 geplant, wurde aber immer wieder nach hinten verschoben, auch wegen zahlreicher Zwischenfälle. 2018 sank das Schwimmdock und ein abstürzender Kran beschädigte das Schiff, 2019 gab es einen Großbrand bei Schweißarbeiten mit zwei Toten und mehreren Verletzten. 2022 dann einen erneuten Brand, diesmal ohne Verletzte. Der letzte Einsatz der „Admiral Kuzenow“ war ein Angriff auf Stellungen in Syrien zwischen November 2016 und Januar 2017 mit insgesamt über 400 Kampfeinsätzen, wie Iswestija weiter berichtete.
Allein die Reparatur des Brandes von 2019 würde 350 Millionen Rubel (3,8 Millionen Euro) kosten, wie Alexey Rakhmanov, der Geschäftsführer von Russlands größtem Schiffbauer United Shipbuilding Corporation mitteilte. Wie das russische Medium Iswestija von internen Quellen erfahren hat, ist die Wiederherstellung von Russlands einzigem Flugzeugträger nun offenbar ausgesetzt. Eine Entscheidung des russischen Verteidigungsministeriums über eine mögliche Fortsetzung oder Außerdienststellung steht dem Bericht zufolge noch aus.
Schwächung im Ukraine-Krieg: Russland ohne Flugzeugträger – Das wären die militärischen Folgen
Die Meinungen über den militärischen Nutzen des Flugzeugträgers gehen auseinander. Einige Fachleute halten diese Trägerschiffe weiterhin für notwendig, da sie bei Einsätzen in großer Entfernung von der Heimat eine mobile Luftunterstützung ermöglichen. Andere sind überzeugt, dass Flugzeugträger längst überholt sind – teuer, schwer zu schützen und anfällig für moderne Waffensysteme.
Diese Trägerschiffe „sind eine sehr teure und ineffektive Marinewaffe. Die Zukunft gehört Robotersystemen und unbemannten Flugzeugen“, sagte etwa der ehemalige Kommandant der Pazifikflotte, Admiral Sergej Awakjanz zu Iswestija. Eigentlich sieht ein strategisches Planungspapier Russlands jeweils eine solche Trägereinheit für die Nord- und die Pazifikflotte vor. „Die Tatsache, dass viele Länder, darunter Indien und China, derzeit eine Flugzeugträgerflotte aufbauen, zeigt, dass solche Schiffe benötigt werden“, meint hingegen der Militärexperte Wassili Dandykin.
Zum Vergleich: Die USA haben elf Flugzeugträger, China hat zwei, wobei sich der dritte im Bau befindet. Der Kauf ausländischer Technologie, etwa aus China, wird unter russischen Experten ebenfalls diskutiert. Der Militärexperte Ilja Kramnik hält es indes für wahrscheinlich, dass die „Admiral Kusnezow“ verschrottet wird. Das Schiff sei technisch überholt, vor allem das Antriebssystem sei unzuverlässig. Statt weiter Geld in ein marodes Wrack zu stecken, spricht er sich gegenüber Iswestija für einen Neubau aus – der solle kleiner, moderner und praxistauglicher sein.

Stille Jäger unter Wasser: Borei-Klasse stellt Nato vor Herausforderungen
Im September vergangenen Jahres hatte die US-Denkfabrik Institute for the Study of War (ISW) berichtet, dass Matrosen des Flugzeugträgers „Admiral Kuzenow“ zu einem mechanisierten Bataillon für den Ukraine-Krieg zusammengezogen wurden. Die Experten interpretierten das als Beispiel für die zweckentfremdete Verwendung von Spezialisten, was auf Personalmangel und schlechte Organisation innerhalb der russischen Armee deuten ließe. Gleichzeitig könnte es womöglich auf ein Ende des Flugzeugträgers hinweisen. Noch ist das endgültige Schicksal des Transportschiffs allerdings nicht besiegelt.
Der Ukraine gelang es ohne eigene Marine mehrere Schiffe der Schwarzmeerflotte zu versenken, darunter das russische Kriegsschiff „Moskwa“ und die „Caesar Kunikow“. Innerhalb von nur vier Monaten verlor die russische Schwarzmeerflotte 20 Prozent seiner Schiffe, wie der britische Verteidigungsminister Grant Shapps im vergangenen Dezember mitteilte. Dabei handelt es sich allerdings um die kleinste der insgesamt fünf russischen Flotten: Die russische Marine ist gegliedert in die Nordflotte, die Pazifikflotte, die Schwarzmeerflotte, die Ostseeflotte sowie die Kaspische Flottille. Mit insgesamt rund 260 aktiven Schiffen (Stand: 2024) bleibt die russische Marine auch ohne den Flugzeugträger eine der größten Flotten der Welt.
Russlands Marine rüstet auf – und Nato wappnet sich
Der russische Präsident Wladimir Putin hat allerdings ein Ass im Ärmel: die U-Boote der Borei-Klasse, die als Hauptstütze der nuklearen Abschreckung Russlands gelten. Diese Atom-U-Boote „sind leiser als alle Vorgängerklassen – und damit im Ernstfall deutlich schwieriger zu finden“, hieß es dazu von der Bundeswehr im Jahr 2020. „Die allgemeine Bedrohung durch U-Boote wächst, die NATO muss dringend nachsteuern“, so die Warnung. Erst vor wenigen Monaten hatte Kremlchef Putin zudem das neue Atom-U-Boot „Perm“ eingeweiht, das mit Zirkon-Raketen ausgestattet werden kann.
Geopolitisch bedeutend ist die sogenannte GIUK-Lücke zwischen Grönland, Island und dem Vereinigten Königreich, die als Verbindung zwischen Atlantik, Nordmeer und Arktis dient. Russland wäre derzeit fähig, „im Krisenfall die See- und Luftverbindungen zwischen Nordamerika und Europa zumindest teilweise erheblich zu stören“, heißt es in einer Analyse des Metis Instituts. Die deutschen Militärexperten sehen die Bedeutung der GIUK-Lücke steigen, auch aufgrund „neuer Entwicklungen in der russischen Waffentechnologie sowie in der Ausrüstung der russischen Marine.“
Russland will seine Position als „führende globale Seemacht“ bis 2050 wiederherstellen. Doch auf dem Weg dahin liegen laut Experten auch Hindernisse. „Wirtschaftliche Schwierigkeiten, Konflikte mit europäischen Nationen, die zuvor bereit waren, Technologie an Russland zu verkaufen, und mangelnde Expertise im Großschiffbau drohen Russlands Wiederaufstieg in der Marine zunichtezumachen“, schrieb der spätere Außenministeriumssprecher Sean MacCormac für das Magazin Center for International Maritime Security (CIMSEC).