Selenskyj äußert sich zu Trump-Eklat im Weißen Haus – und zeigt keine Reue: „Nicht mehr verbündet“
Präsident Selenskyj gibt Einblicke in den Eklat im Weißen Haus. Ein Geschenk an Trump könnte der Auslöser gewesen sein. Die Folgen sind weitreichend.
Kiew – In einem Interview liefert der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj detaillierte Einblicke in den Eklat im Weißen Haus. Die Eskalation lag demnach womöglich an der Reihenfolge, für die sich Selenskyj bei seinen zwei Gastgeschenken für den US-amerikanischen Präsidenten Donald Trump entschied. Für den Ukraine-Krieg hat diese einfache Entscheidung nun weitreichende Folgen.
Hätte Selenskyj zuerst den Weltmeisterschaftsgürtel des ukrainischen Schwergewicht-Champions Oleksandr Usyk übergeben, wäre das Gespräch womöglich ganz anders verlaufen. Trump hatte in der Vergangenheit selbst Boxkämpfe organisiert. Stattdessen entschied sich der ukrainische Präsident, Trump zuerst einen Ordner mit Fotos von ukrainischen Kriegsopfern zu reichen. „Das ist harter Tobak“, murmelte Trump, als er wenige Momente vor der Eskalation mit ernster Miene durch das Album blätterte.

Selenskyj bereut Haltung bei Trump-Eklat nicht – wollte mit Empathie punkten
Die Bilder brachten die Attacken gegen Selenskyj ins Rollen. Die Frage eines Reporters eines rechtsgerichteten US-Mediums zur Kleidungswahl des ukrainischen Präsidenten verschlimmerte die Situation weiterhin. Schlussendlich wurde das Treffen unterbrochen, zu der eigentlich geplanten Unterzeichnung eines Rohstoffabkommens kam es nicht. Infolge des Eklats brachen die Ukraine-Hilfen der USA weitestgehend ab, inklusive der für den Krieg besonders wichtigen Geheimdienstinformationen.
Dennoch bereute Selenskyj seine Entscheidung, die Fotos zuerst zu übergeben, nicht. Die Menschen gerieten oft in den Hintergrund, meinte er im Interview mit der Time. Deswegen habe er mit dem Thema anfangen wollen. Zu der Frage, ob er das Gefühl hätte, Trump mit Empathie erreichen zu können, antwortete der ukrainische Präsident: „Er hat Familie, liebe Verwandte, Kinder. Er hat doch Gefühle, wie jeder andere Mensch auch.“ Weiterhin sagte er: „Ich wollte ihm zeigen, wofür ich stehe. Doch dann, nun ja, ist die ganze Unterhaltung in eine gänzlich andere Richtung gegangen“.
Ob diese Taktik tatsächlich Erfolg haben könnte, stellte Trumps Nichte Mary Trump schon 2020 infrage. In einem 2020 veröffentlichen Buch nannte die Psychologin Trump einen Narzissten und Soziopathen. Er habe nicht die Fähigkeit, menschliche Emotionen in vollem Umfang zu erfahren.
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In der Ukraine gefeiert: Selenskyj beweist bei Trump-Eklat Rückgrat
In der Ukraine kam der Verteidigungsversuch gegen die Vorwürfe von Trump und seinem Vizepräsidenten J.D. Vance gut an. Selenskyj führte dies auf einen Grund zurück: „In diesem Gespräch habe ich die Würde der Ukraine verteidigt“. Die Situation nach dem Gespräch ist allerdings nicht ideal für die Ukraine, das gestand auch der Präsident des Landes.
Zum Kurswechsel der USA vermutete Selenskyj: „Ich denke, dass es Russland gelungen ist, einige Mitglieder des Teams im Weißen Haus durch Informationen zu beeinflussen“. Man habe den USA zu verstehen gegeben, dass die Ukraine den Krieg nicht beenden wolle. Der russische Präsident Wladimir Putin sei es allerdings, der keine echte Diplomatie, entgegnete Selenskyj. „Er ist kein Mann des Dialogs. Er ist ein Mann des Ultimatums.“
Wegen Abhängigkeit? Selenskyj hält an Allianz mit den USA fest
In dem Interview hielt Selenskyj die Hoffnung aufrecht, dass die USA sich mittig zwischen der Ukraine und Russland positionieren wollten, obwohl auch nach dem Gespräch einige Ankündigungen des US-Präsidenten diese Vermutung bezweifeln ließen. Im Moment des Eklats habe es allerdings eher das Gefühl gegeben, „dass wir nicht mehr verbündet sind“.
Die Unberechenbarkeit von Trump habe laut Selenskyj allerdings auch einen Vorteil: In Russland verunsicherten die Rhetorik und die Aussagen des Republikaners ebenso. „Für sie ist alles Unerwartete beunruhigend.“ (lismah)