EU berechnet Preise für Heizen und Tanken durch den CO₂-Preis: Vier Länder wollen es stoppen
Um die europäischen Klimaziele zu erreichen, soll ein neuer EU-weiter CO₂-Preis die Menschen zum Umstieg auf erneuerbare Technologien bewegen. Es regt sich jedoch Widerstand.
Brüssel – Der Emissionshandel ist ein zentrales Instrument, mit dem die EU ihre Klimaziele bis 2050 erreichen will. Bis zu diesem Datum will Europa der erste klimaneutrale Kontinent werden – ein ambitioniertes Ziel. Um die fast 450 Millionen Bürgerinnen und Bürger der EU zum Umstieg auf saubere Technologien zu bewegen, soll also ein CO₂-Preis die fossilen Energien teurer machen. Das neue System soll zum 1. Januar 2027 an den Start gehen. Aus einigen EU-Ländern regt sich allerdings Widerstand gegen den EU-Plan.
Vier EU-Länder wollen den Start des CO₂-Preises der EU stoppen
Ein neues Briefing des Wissenschaftlichen Dienstes des Europäischen Parlaments (EPRS) fasst den aktuellen Stand bei der Implementierung des ETS II (wie der Emissionshandel offiziell abgekürzt wird) und den Sorgen, die einige Länder angesichts steigender Energiepreise hegen, zusammen. Demnach haben folgende EU-Länder offiziell Bedenken gemeldet und möchten den Start der europäischen CO₂-Steuer verschieben:
- Tschechien: Bittet um einen Aufschub um ein Jahr auf 2028
- Polen: Bittet um einen Aufschub um drei Jahre
- Slowakei: Hat Bedenken um soziale Verwerfungen geäußert und würde das ETS-Gesetz ganz überarbeiten
- Estland: Bittet um Aufschub, gestützt durch das estnische Parlament
Der Aufschub des CO₂-Preises um ein Jahr auf 2028 ist laut ETS-Gesetz möglich, es müssen aber konkrete Voraussetzungen dafür erfüllt sein. So muss im Jahr 2026 eine Untersuchung ergeben, dass die Preise für Öl und Gas durch die neue Steuer unverhältnismäßig stark ansteigen.
Aufschub von ETS II: Gaspreis muss auf 11 Cent steigen, Ölpreis auf 125 Euro
Konkret muss der Gaspreis in den ersten sechs Monaten des Jahres 2026 höher als der durchschnittliche Gaspreis im Februar und März 2022 liegen. Durch den russischen Angriffskrieg war der Gaspreis in dieser Zeit teilweise auf über 20 Cent pro Kilowattstunde angestiegen. Heute liegt er bei rund 9 Cent/kWh. Alternativ muss der Ölpreis der Sorte Brent in den ersten sechs Monaten des Jahres 2026 doppelt so hoch sein als der Durchschnitt der vorangegangenen fünf Jahre. Zwischen 2020 und Mai 2025 schwankte der Ölpreis in Deutschland zwischen 68 Euro und 90 Euro pro 100 Liter.
Tritt einer dieser beiden Ereignisse ein, wird der europäische CO₂-Preis automatisch um ein Jahr auf 2028 verschoben. Beim Gas bedeutet dies einen Preis von über 11 Cent/kWh und für Öl rund 125 Euro/100 Liter. Nach Ansicht von Analysten des Fachportals carbon-pulse.com ist dies jedoch „sehr unwahrscheinlich – es sein denn, geopolitische Ereignisse geraten außer Kontrolle“.
CO₂-Preis könnte scheitern: EU-Länder müssen Sozialfonds „intelligent“ nutzen
Der Wissenschaftliche Dienst notiert im Briefing allerdings auch die Gefahr, dass durch schlechte Kommunikation des Plans der CO₂-Preis scheitern könnte. Dies habe man in Frankreich gesehen, als die „Gelbwesten“-Bewegung das Land lahmlegte, als die Regierung einen nationalen CO₂-Preis von 45 Euro/Tonne CO₂ einführen wollte. Und in Deutschland habe man das gesehen, als die Ampel-Regierung das Heizungsgesetz einführte, welches in der Bevölkerung „aufgrund von Desinformation“ unbeliebt wurde, heißt es im Briefing.

Aus diesem Grund sei es das Gebot der Stunde, die höheren CO₂-Preise abzufedern, damit das System seine Wirkung auch entfalten kann. Dazu muss der Klimasozialfonds verwendet werden, in das die Einnahmen aus dem ETS II fließen sollen und die die EU-Mitgliedsstaaten zur Abfederung steigender Energiepreise verwenden sollen. „Es wird die Aufgabe jedes Mitgliedsstaates sein, die Einnahmen aus ETS II intelligent zu nutzen“.
Wie hoch der CO₂-Preis ab 2027 (oder 2028) ausfallen wird, ist unklar. Aktuelle Prognosen reichen von 70 Euro/Tonne im Jahr 2027 bis zu 150 Euro/Tonne schon im Jahr 2030. Laut dem EU-Briefing würden die Benzinpreise bei einem CO₂-Preis von 45 Euro/Tonne um 11 Cent pro Liter steigen, Diesel würde um 13 Cent steigen. Pro zusätzlichem Euro mehr für die Steuer steigen die Gaskosten in einem schlecht sanierten Haus mit Gasheizung demnach um 3,10 Euro pro Jahr und für Heizöl um 4,10 Euro. Heißt also: Bei einem CO₂-Preis von 70 Euro/Tonne CO₂ zahlt ein Verbraucher mit Gasheizung 217 Euro mehr im Jahr und bei einer Ölheizung 287 Euro mehr im Jahr.