Experten wettern gegen Steuerrabatt für Ausländer: „Regierung setzt an der falschen Stelle an“

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Die Bundesregierung will Ausländern Steuerfreiheit gewähren. Kritiker finden das unfair. Ein Experte vom Institut der Deutschen Wirtschaft hat eine andere Idee.

Köln/Berlin – Ohne Zuwanderung wird es nicht gehen, da sind sich Experten einig: Deutschland hat ein Fachkräfteproblem und ist langfristig auf Arbeitskräfte aus dem Ausland angewiesen. Die Ampel-Regierung plant im Zuge der „Wachstumsinitiative“, Ausländern Steuerfreiheit zu bieten, um Deutschland für sie attraktiver zu machen. Jetzt regt sich Kritik: Experten nennen den Steuerrabatt für Ausländer unfair und wenig sinnvoll.

Steuerrabatt für Ausländer, um Fachkräftemangel zu bekämpfen

Geplant sind gestaffelte Steuerrabatte, konkret heißt das: Für zugewanderte Fachkräfte sollen im ersten Jahr 30 Prozent ihres Bruttogehalts steuerfrei sein, im zweiten Jahr 20 und im letzten Jahr schließlich zehn Prozent. Sprich: Die Nettolöhne von ausländischen Fachkräften wären höher als die von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im selben Job.

Studien zufolge fehlen in Deutschland aktuell über 570.000 qualifizierte Arbeitskräfte. Nicht zuletzt in technischen Berufen und in Branchen, in denen es um Digitalisierung und Informatik geht, gibt es zu wenige Expertinnen und Experten, warnte zuletzt etwa der Verein Deutscher Ingenieure (VDI). Demnach gibt es in dem Bereich in Deutschland derzeit gut 160.000 unbesetzte Stellen.

Kritik an Steuergeschenk: Ampel-Regierung „setzt an der falschen Stelle an“

Beim Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln zweifelt man daran, dass die Steuergeschenke an Ausländer wirksam sein werden. „Die Bundesregierung verfolgt das richtige Ziel, setzt aber an der falschen Stelle an“, sagt der IW-Migrationsexperte und Volkswirtschaftler Axel Plünnecke im Gespräch mit IPPEN.MEDIA.

Es seien keine Steuerfragen, die ausländische Fachkräfte davon abhalten würden, sich für einen Job in Deutschland zu entscheiden. „Vor allem zu lange Visumverfahren bremsen den Zuzug nach Deutschland aus. Das Visumverfahren ist viel zu kompliziert und langwierig, sodass ausländische Fachkräfte und Unternehmen keine Planungssicherheit für ihre Einreise haben“, erklärt Plünnecke.

Plan von Ampel-Regierung kostet bis zu 600 Millionen Euro pro Jahr

Der von der Ampel geplante Steuerrabatt würde zunächst etwa 70.000 Menschen aus Nicht-EU-Ländern betreffen, die zum ersten Mal eine Aufenthaltserlaubnis für Arbeitszwecke erhalten haben. Nach Berechnung des IW würde der Staat dafür im ersten Jahr auf 300 Millionen Euro verzichten. Nach drei Jahren würden die Kosten auf bis zu 600 Millionen Euro im Jahr ansteigen, wenn neue Fachkräfte dazukämen. Die Summe hängt letztlich aber von den jeweiligen Gehältern ab: Je qualifizierter die Zugewanderten sind, und je mehr sie verdienen, desto höher sind die indirekten Kosten für den Steuerzahler.

Dabei könne man mit den für die Steuererleichterungen vorgesehenen Haushaltsmitteln sinnvoller einsetzen, findet Experte Plünnecke: „Mit dem Geld könnten Kapazitäten bei den Behörden erhöht und Prozesse modernisiert und digitalisiert werden, um mehr Tempo in Visa-Verfahren zu bringen.“ Zusätzlich könnten Maßnahmen wie Sprachkurse bei Goethe-Instituten, Begleitangebote international Studierender und Alumni-Arbeit an Hochschulen ausgeweitet werden, um hochqualifizierte Nachwuchskräfte anzuwerben.

„Steuerrabatte für eine spezielle Gruppe sind diskriminierend“

Derweil merken Kritiker an, dass sich andere Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer durch die Rabatte für Ausländer ungerecht behandelt fühlen könnten. „Steuerrabatte für eine spezielle Gruppe sind diskriminierend im Sinne der Steuergerechtigkeit, besser wäre es, die Abgabenlast für alle zu senken“, merkt etwa der IW-Steuerexperte Martin Beznoska.

Die Ex-Linken-Politikerin und BSW-Gründerin Sahra Wagenknecht geht noch weiter. Via Twitter schreibt sie: „Ein Steuervorteil für Ausländer wäre sozialer Sprengstoff. Die Ampel muss diese steuerliche Inländerdiskriminierung kassieren!“ Wagenknechts Partei BSW hatte zuletzt ein Gutachten beim Wissenschaftlichen Dienst des Bundestags zum Thema in Auftrag gegeben. Die Experten kommen darin zu dem Schluss: „Die Benachteiligung mag geeignet und erforderlich sein, um das wirtschaftspolitische Ziel zu erreichen; sie ist jedoch nicht mehr angemessen.“ Auch innerhalb der Koalition gibt es Uneinigkeit. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte, er sei mit dem Vorstoß der Koalitionsspitzen „nicht furchtbar glücklich“.

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