Experte kritisiert Bürgergeld-Wohnkosten: „Denkbar, dass jemand in Villa am Starnberger See wohnt”

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Ein Arbeitsmarkt-Experte zerlegt die Bürgergeld-Regelungen. Theoretisch könne das Wohnen in einer Villa finanziert werden. Doch es gibt regionale Unterschiede.

München – Ein Arbeitsmarkt-Experte schlägt Alarm: Die aktuellen Regelungen bei den Bürgergeld-Wohnkosten könnten zu absurden Situationen führen. Holger Schäfer vom Institut der Deutschen Wirtschaft sieht „für viele keine ausreichende Motivation, um sich beruflich zu engagieren“ und warnt bei bild.de: „Theoretisch wäre denkbar, dass jemand in der Villa am Starnberger See wohnt und das auch vom Jobcenter finanziert bekommt.“

Menschen stehen am Eingang zum Jobcenter Tempelhof-Schöneberg in Berlin
Die Debatte über Bürgergeld reißt nicht ab. Immer wieder rückt auch die Übernahme der Wohnkosten in den Fokus. © Jens Kalaene/dpa

Die Unterschiede bei den Mietobergrenzen für Bürgergeld-Empfänger sind deutschlandweit gravierend. Während München für einen Ein-Personen-Haushalt bis 50 m² eine Bruttokaltmiete von bis zu 890 Euro als angemessen einstuft, sind es in Frankfurt am Main 786 Euro. Leipzig hingegen setzt die Obergrenze bei nur 345,79 Euro für dieselbe Haushaltsgröße fest (Stand: 6. August 2025).

Scharfe Kritik an Bürgergeld-Wohnkosten: Experte stört sich vor allem an fehlender Prüfung während Karenzzeit

Diese Karenzzeit soll Betroffenen Gelegenheit geben, sich an ihre veränderte Lebenssituation zu gewöhnen, ohne unmittelbar einen Umzug bewältigen zu müssen. Erst nach Ablauf dieser zwölf Monate überprüfen die Jobcenter, ob die Wohnkosten den örtlichen Richtlinien entsprechen. Aus Sicht von Kanzler Friedrich Merz muss eine Deckelung der Mietkosten von Bürgergeld-Empfängern her.

Schäfer sieht dringenden Reformbedarf, insbesondere beim Sanktionssystem und den Unterkunftskosten-Regelungen. Die Aufgabe bestehe darin, ein System zu entwickeln, das Bedürftige ausreichend unterstützt, aber auch Arbeitsanreize schafft. Mit den aktuellen Regelungen könne es rein hypothetisch passieren, dass ein „Bürgergeld-Empfänger womöglich in einer größeren Wohnung wohnt und die vom Jobcenter bezahlt bekommt, als der Nachbar, der arbeitet, Steuern zahlt und dieses Bürgergeld mit seinen Steuern finanziert“, so Schäfer gegenüber bild.de. Aus Expertensicht sei das kein Motivationsschub für Bürgergeld-Empfänger, wieder zu arbeiten.

Für Bürgergeld-Beziehende bedeutet die Situation trotzdem häufig eine Ungewissheit. Zwar bietet die Karenzzeit im ersten Jahr Schutz, danach drohen aber möglicherweise Umzüge oder Zuzahlungen aus dem Regelsatz, falls die Miete als zu hoch bewertet wird. Die Diskussion um die Bürgergeld-Wohnkosten wird voraussichtlich anhalten. Es bleibt offen, welche Reformen kommen und wie diese das Verhältnis zwischen sozialer Sicherung und Arbeitsanreizen verändern werden. Eine Wirtschaftsweise warf der Regierung Merz in Sachen Bürgergeld-Reformen aber jüngst Mutlosigkeit vor.

Deutschen Städtetag erkennt Stadt-Land-Gefälle: Bürgergeld-Wohnkosten belasten Kommunen unterschiedlich stark

Die regionalen Unterschiede bei den Bürgergeld-Wohnkosten führen derweil zu einer ungleichen Belastung der Kommunen. Laut dem Deutschen Städtetag tragen Städte in Hochpreisregionen wie München oder Hamburg überproportional hohe Kosten, während strukturschwache Gebiete weniger belastet sind. Diese Schieflage verstärkt das Stadt-Land-Gefälle und könnte langfristig die kommunalen Haushalte in Ballungsräumen destabilisieren. Indes führte der verpasste Termin eines Bürgergeld-Empfängers dazu, dass dessen Jobcenter ein Bett-Attest anforderte. (kh)

Auch interessant

Kommentare