Warum E-Autos in China so erfolgreich sind – und deutsche Hersteller das Nachsehen haben
Jedes zweite in China neu zugelassene Auto fährt mit Strom. Der Siegeszug der E-Autos ist dort Folge einer langfristigen Strategie – die deutsche Hersteller alt aussehen lässt.
Die Verkehrswende kommt – zumindest in China: Im vergangenen Jahr wurde jedes zweite Elektroauto, das weltweit zugelassen wurde, in der Volksrepublik verkauft. Insgesamt 7,3 Millionen E-Autos (und Plug-in-Hybride) waren es 2023. Auch in diesem Jahr setzt sich der Siegeszug der Stromer fort. Laut der China Passenger Car Association (CPCA) wurden in den ersten neun Monaten bereits 7,13 Millionen E-Autos und Plug-in-Hybride zugelassen, alleine im September waren es 1,12 Millionen Fahrzeuge. Autos mit Batterie kamen damit auf einen Marktanteil von 52,8 Prozent und überholten den dritten Monat in Folge in den Zulassungsstatistiken die Verbrenner.
In Deutschland wurden zuletzt zwar mehr E-Autos zugelassen, das Kraftfahrt-Bundesamt meldete im September ein Plus von 8,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Zusammen mit den Plug-in-Hybriden kamen die Stromer aber nur auf einen Marktanteil von 23,7 Prozent. Woran liegt es, dass E-Autos in China, anders als hierzulande, ein absoluter Verkaufsschlager sind?
E-Autos in China: Siegeszug nicht aufzuhalten
Niedriger Preis: Für viele Käufer in China dürfte das wichtigste Argument der Preis sein. Einstiegsmodelle wie den BYD Seagull gibt es schon für umgerechnet unter 10.000 Euro. Zum Vergleich: Hierzulande will VW im kommenden Jahr endlich den lang erwarteten ID.2 auf den Markt bringen – für 25.000 Euro. Die chinesische Regierung zahlt Käufern zudem knapp 2600 Euro, wenn sie einen alten Verbrenner durch einen neuen Stromer ersetzen. Auch überbieten sich die Hersteller seit Monaten mit Rabattschlachten.
Günstiger Strom: Auch der Strom ist in China billig. Rund drei bis fünf Euro kostet es umgerechnet, eine Autobatterie für 400 Kilometer Fahrt zu laden. Das ist deutlich günstiger als die Fahrt zur Tankstelle, wo der Liter Benzin etwa einen Euro kostet. In Deutschland ist der Strompreis rund achtmal so hoch wie in der Volksrepublik.
Gute Infrastruktur: Wer in China in einem Ballungsraum lebt, hat es meist nicht weit bis zur nächsten Ladesäule. Laut der China Electric Vehicle Charging Infrastructure Promotion Alliance gab es in der Volksrepublik Ende vergangenen Jahres 2,7 Millionen öffentlich zugängliche Ladestationen. Regierungsangaben zufolge waren 2023 sogar fast 8,6 Millionen Ladestationen in Betrieb, die meisten davon auf privatem Gelände. Für Deutschland meldete die Bundesnetzagentur zum 1. September 2024 rund 146.000 öffentlich zugängliche Ladepunkte.
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Nachteile für Verbrenner: Wer in einer Großstadt wie Peking ein neues Auto anmelden will, braucht viel Geduld. Um den Verkehrskollaps zu verhindern, werden Zulassungen über eine Art Lotterie vergeben. Ein Nummernschild zu bekommen, kann Jahre dauern. Schneller geht es, ein E-Auto anzumelden, da diese in der Vergabe-Lotterie bevorzugt werden.
Andere Mentalität: Die Deutschen lieben ihre Autos. Für E-Fahrzeuge können sich viele aber nicht erwärmen – die Stromer haben hierzulande noch immer ein schlechtes Image. Chinesen sind da deutlich offener. Chinesische E-Auto-Käufer sind im Schnitt 34 Jahre alt (in der EU sind es 56 Jahre), für viele Chinesen ist der Stromer zudem ihr erstes Auto. Berührungsängste gibt es kaum. Technologieoffenheit bedeutet in China: Ja zum E-Auto.
E-Autos in China: Einheimische Hersteller stechen deutsche Konkurrenz aus
Vom E-Auto-Boom in der Volksrepublik profitieren vor allem einheimische Hersteller. Die meistverkauften Stromer kamen im September von BYD und Geely, auf dem dritten Platz lag der US-Autobauer Tesla, der in Shanghai eine sogenannte „Gigafactory“ betreibt. BYD, Li Auto und Xpeng verzeichneten im September den besten Monat ihrer Firmengeschichte. Warum sind die chinesischen E-Autobauer so erfolgreich?
Gute Qualität: Die chinesischen Käufer schätzen an den einheimischen Marken nicht nur den Preis, sondern auch die in den Fahrzeugen verbaute Technologie: große Bildschirme, eine perfekte Vernetzung mit anderen Geräten wie Smartphones oder Tablets, oder scheinbar banale Dinge wie Sessel, die sich zu einer Liege umbauen lassen. Chinesische E-Autos gelten zudem als sicher und zuverlässig. Der Technologievorsprung, den deutsche Hersteller beim Verbrenner haben, zählt beim Stromer nicht mehr. Auch die Markentreue nimmt in China ab. Wer früher unbedingt einen VW, Mercedes oder BMW sein Eigen nennen wollte, kauft heute auch ein Fahrzeug von Geely, BYD oder GWM. Zumal die chinesischen Hersteller neue Modelle schneller entwickeln und auf den Markt bringen als ihre deutschen Konkurrenten.
Massive Subventionen: Die USA und die EU werfen der Regierung in Peking vor, die chinesischen Autohersteller massiv zu subventionieren. E-Autobauer hätten so einen unfairen Wettbewerbsvorteil. Alleine für BYD seien die staatlichen Subventionen von umgerechnet rund 220 Millionen Euro im Jahr 2020 auf 2,1 Milliarden Euro zwei Jahre später gestiegen, so das Kiel Institut für Weltwirtschaft. Mit Ausgleichszöllen will die EU den Marktverzerrungen, die durch die Subventionen entstanden sind, begegnen.
Strategische Planung: Die chinesische Regierung treibt den Aufbau einer E-Auto-Industrie nicht nur mit direkten Subventionen voran. China hat sich auch frühzeitig den Zugriff auf Rohstoffe gesichert, die zum Bau von Batterien benötigt werden, und eine entsprechende Industrie aufgebaut. Chinesische Unternehmen dominieren heute weltweite Batterie-Lieferketten, Hersteller wie CATL sind global führend. Deutsche Autobauer hingegen sind bei Batterien oftmals auf Importe angewiesen.
Viel Konkurrenz: Dutzende Hersteller sind in China derzeit auf dem Markt, die meisten sind außerhalb des Landes völlig unbekannt. Bis auf BYD würden alle E-Autobauer derzeit Verluste machen, sagte Jörg Mull, der ehemalige Finanzvorstand der Volkswagen Group China, unlängst auf einer Online-Veranstaltung des Kiel Institut für Weltwirtschaft. „Nicht alle Anbieter werden überleben“, so Mull. „Die Hersteller, die übrigbleiben, werden extrem günstige Kostenstrukturen haben.“ Für die deutsche Konkurrenz verheißt das nichts Gutes.