„Weltuntergangs“-Gletscher könnte „Kettenreaktion“ auslösen
Der Thwaites-Gletscher droht ins Meer abzurutschen. Das würde eine Kettenreaktion nach sich ziehen, die den Meeresspiegel um 3,5 Meter ansteigen lässt.
Cambridge – Seit 2018 beobachten Forschende eine komplexe, sich schnell verändernde Umgebung am abgelegenen Thwaites-Gletscher in der Westantarktis. Seit Jahren schmilzt er durch das wärmere Meerwasser, das eine Folge des menschengemachten Klimawandels ist. Mittlerweile hat sich der größte, sich schnell verändernde Gletscher den Namen „Doomsday“-Gletscher („Weltuntergangs“-Gletscher) verdient.
„Weltuntergangs“-Gletscher: Thwaites zieht sich schneller zurück als bisher
Er erstreckt sich über eine Fläche, die der Insel Großbritannien oder dem US-Bundesstaat Florida entspricht, und ist stellenweise mehr als 2000 Meter dick. Das Volumen des Eises, das vom Thwaites-Gletscher und seinen Nachbargletschern ins Meer fließt, hat sich von den 1990er bis zu den 2010er Jahren mehr als verdoppelt, und die breitere Region, die als Amundsenmeer-Einbuchtung bezeichnet wird, ist für 8 Prozent des derzeitigen globalen Meeresspiegelanstiegs von 4,6 mm pro Jahr verantwortlich, so eine Mitteilung der British Antarctic Society (BAS).
„Der Thwaites zieht sich seit mehr als 80 Jahren zurück, wobei sich der Rückgang in den letzten 30 Jahren erheblich beschleunigt hat, und unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass er sich noch weiter und noch schneller zurückziehen wird“, so Geophysiker Rob Larter. Die International Thwaites Glacier Collaboration (ITGC) hat sich zum Ziel gesetzt, eine zuverlässigere Vorhersage darüber zu erstellen, wie sich der Gletscher in Zukunft verändern wird.
Kettenration könnte Meeresspiegel um 3,5 Meter steigen lassen
Durchgeführte Bohrungen an der vorgeschobenen, 600 Meter dicken Schelfeiszunge des „Weltuntergangs“-Gletschers brachten ans Licht, dass das Schelfeis von warmem Tiefenwasser erodiert und somit zum Schmelzen gebracht wird. Das Schelfeis fungiert eigentlich als Schutzschild und als auch als Stütze für den Thwaites-Gletscher, beschreibt Olaf Eisen vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven im Gespräch mit FOCUS online Earth. Sollte die Schelfeiszunge abbrechen, würde der Thwaites-Gletscher seinen Halt auf dem Festland verlieren und schrittweise ins Meer abgleiten.
Dies könnte eine Kettenreaktion auslösen, die drastische Folgen für die Westantarktis mit sich bringt. „Kollabiert der Thwaites-Gletscher, könnte der Meeresspiegel um 65 Zentimeter steigen“, so der Geophysiker, „Die größere Gefahr droht aber durch das dann einsetzende Abschmelzen der Westantarktis. Es könnte zu einem Meeresspiegelanstieg von 3,50 Meter führen.“ Mehrere große Städte, darunter auch Hamburg, stünden unter Wasser.
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Wissenschaftler geben Entwarnung: Vorbereitung könnte „Weltuntergang“ umgehen
Ein wirklicher Doomsday stünde aber auch beim Abschmelzen nicht bevor, gibt der Wissenschaftler Entwarnung: „Er könnte vermutlich noch verkraftet werden.“ Die Menschen hätten genug Zeit, sich darauf einzustellen und Vorkehrungen zu treffen. Einen Zeitpunkt für den Abrutsch des Gletschers können die Forschenden in einer neuen Studie noch nicht bestimmen „Wir können nur schwer voraussagen, wie schnell der Thwaites-Gletscher vollständig abschmilzt. Es kann 200 Jahre dauern oder 500“, so Eisen. In Rekordzeit brach 2012 ein anderer Gletscher in der Antarktis auseinander.
Doch Einfluss nehmen wir schon jetzt: „Unser heutiges Verhalten bestimmt den Meeresspiegel in 50 Jahren.“ Die einzige Chance, um einen Abrutsch zu verhindern, sei: „Die Reduktion der Treibhausgase und eine Rückkehr zum vorindustriellen Klima.“ (nr)