Die Lebende Krippe des Miesbacher Trachtenvereins hat eine lange Tradition. Und doch hat sie sich über die Jahre von einem Stand- in ein Bewegtbild verwandelt.
Miesbach – Es wäre ein Leichtes für Klaus Ruml, dem Josef eine Stimme zu verleihen. Und auch die anderen Schauspieler des Miesbacher Trachtenvereins täten sich nicht schwer, wenn ihre Rollen bei der Lebenden Krippe im Waitzinger Park plötzlich einen Text bekommen würden. Doch bei aller Veränderung, die das eigentlich statische „Bild“ der Heiligen Familie im Stall seit seiner ersten Aufführung vor fast 40 Jahren erfahren hat: Selbst sprechen sollen Maria, Josef, Hirten, Engel und Könige auch weiterhin nicht. „Die Lebende Krippe soll kein Bauerntheater werden“, sagt Joachim Baumann.
Als der heutige Schlierseer Diakon und seine Frau Kathrin als Pastoralreferentin in Miesbach sich 2011 erstmals in das traditionsreiche Spiel einbrachten, waren die beiden Seelsorger sofort angetan vom Engagement, das die Trachtler dafür seit Jahrzehnten aufbringen. Gut 30 Mitwirkende aller Altersgruppen sind im und um den Stall daran beteiligt. Vom Herrichten der aufwendig genähten Gewänder (Elisabeth Kloss) über die Licht- und Tontechnik (Florian Hofmann) und die Musik (Bläser der Stadtkapelle Miesbach) bis hin zum Transport und der Betreuung der selbstverständlich echten Tiere wie Schafe, Ochs und Esel (Familien Waldschütz und Hofer).
Standbild in Bewegtbild verwandelt
Doch bei aller Begeisterung spürten die Baumanns, dass noch mehr Potenzial in der Lebenden Krippe steckt. Also begannen sie, ihr ein Drehbuch zu verpassen und das Standbild in ein Bewegtbild zu verwandeln. Eines war ihnen dabei aber von Anfang an wichtig: die zugrundeliegende liturgische Handlung sollte nicht zu einem kreativen Spielball werden. „Die haben wir nie angetastet, und so soll es auch bleiben“, betont Joachim Baumann. Allerdings habe man begonnen, die Geschichte unterschiedlich zu akzentuieren. Einerseits durch die Einführung eines Erzählers (Paul Martin), der den stummen Rollen stellvertretend eine Stimme verleiht, ohne aber von ihnen abzulenken. Andererseits durch einen Scheinwerfer, der wie ein Spotlicht die Aufmerksamkeit der Zuschauer führt. So sei es gelungen, erklärt Baumann, der Lebenden Krippe in jedem Jahr ein besonderes Thema zu geben. Heuer lautet dieses „Wir haben einen Stern gesehen“, wobei die Heiligen Drei Könige mehr im Fokus stehen. Für Baumann ein wichtiges Zeichen in einer mehr denn je von Orientierungslosigkeit geprägten Gesellschaft.
Authentische Besetzung der Rollen
Bei der Besetzung ist es Baumann und auch Ruml wichtig, die jeweils dafür notwendige Lebenserfahrung einzubeziehen. So würde es keinen Sinn haben, ein zwölfjähriges Mädchen die Maria spielen zu lassen. Um die Mitwirkenden so richtig auf ihre Rollen einzustimmen, gibt es nicht nur eine Generalprobe am Freitagabend und eine Durchlaufprobe am frühen Samstagnachmittag, sondern auch ein letztes Zusammenfinden kurz vor dem Beginn um 17 Uhr. Dabei spricht Baumann alle Figuren und ihre Bedeutung nochmals einzeln an. So sollen sich die Schauspieler bewusst werden, welch große Verantwortung sie bei der Verkörperung ihrer Rolle haben. Nicht nur beim Spiel selbst, sondern auch zum Schluss, wenn die Engel die Kinder direkt vor die Krippe führen. „Wenn da jemand nicht glaubwürdig auftritt, würde das gerade bei Kleinkindern viel kaputtmachen“, erklärt Baumann. Ganz ähnlich wie bei einem Besuch des Nikolaus, der auch nicht als Kasperl daherkommen dürfe.
Bei den Erwachsenen gehe es hingegen darum, den Blick über die rituelle Bedeutung der Weihnachtsgeschichte hinaus zu weiten. Auch deshalb hänge ganz bewusst ein Kreuz im Stall. „Als Zeichen, dass wir hier nicht nur ein süßes Christkindlein vor uns haben, sondern einen Menschen, der später eine große Last auf seinen Schultern tragen wird.“ So hat diese Lebende Krippe nicht nur eine, sondern viele Ebenen, fasst Ruml zusammen. „Jeder soll sich auf einer wiederfinden. Mindestens.“
Die Lebende Krippe
des Miesbacher Trachtenvereins findet heuer am Samstag, 14. Dezember, um 17 Uhr am Trachtenstadl im Waitzinger Park statt. Das Thema lautet „Wir haben einen Stern gesehen.“ Für das leibliche Wohl ist davor und danach mit einer „Glühweinstund“ gesorgt.