Russland nach Putins Wiederwahl: Frage nach Nachfolge könnte die Amtszeit prägen
Putin ließ sich mit einem Rekord-Ergebnis im Amt bestätigen. Der Politikwissenschaftler Wolfgang Müller sprach mit IPPEN.MEDIA über die bevorstehende Amtszeit.
Moskau – Wladimir Putins Krönungszeremonie ist vollbracht. Der russische Präsident erreichte den russischen Auszählungen zufolge bei seiner Wiederwahl ein Rekordergebnis von 88 Prozent der Stimmen. Putin betrieb viel Aufwand, um sein Ergebnis bei der Präsidentschaftswahl 2018 noch einmal zu verbessern. So wurden Kritiker des Präsidenten, wie der Oppositionelle Boris Nadeschdin, von der Wahlkommission gar nicht erst zugelassen. Das Ergebnis könnte Putin nun Rückenwind für die kommenden sechs Jahre geben.
Putin nach Russland-Wahl – Ergebnis lässt in der Bevölkerung keine Diskussionen zu
Mit den hohen Wahlergebnissen wollte Putin vor allem auch ein Zeichen an die Bevölkerung senden, erklärte der Politikwissenschaftler Wolfgang Müller von der Universität Wien im Gespräch mit IPPEN.MEDIA. Seit der Präsidentschaftswahl 2012 hatte Putin seine Ergebnisse von Wahl zu Wahl steht verbessert. Für Putin sei es deshalb auch psychologisch wichtig gewesen, dass sich dieser Trend noch weiter fortsetzt, „um keine Diskussionen darüber zuzulassen, dass eine zwingende Zustimmung gegenüber dem Präsidenten als Kritik an seiner derzeitigen Politik ausgelegt werden könnte“, sagte Müller mit Blick auf das Ergebnis.
Russland-Experte Müller: Präsident Putin nach Wiederwahl wohl „weniger eingeschränkt“
Durch die so inszenierte Wiederwahl könnte sich der Putins politischer Handlungsspielraum noch einmal erweitern. „Ich würde nicht sagen, dass jetzt der Präsident sich aufgrund der hohen Zustimmungsrate bestätigt fühlt, die eine oder die andere Politik einzuschlagen“, ordnete Müller das Ergebnis ein. „Aber das, was ich wohl argumentieren würde, ist, dass er weniger eingeschränkt ist in seinen möglichen politischen Handlungen.“
Als grundlegend denkbaren Schritt nannte der Osteuropa-Experte eine erneute Teilmobilisierung in Russland für den Ukraine-Krieg. Diese war im Jahr 2022 in Russland vorsichtig diskutiert und dann nur mit Einschränkungen angegangen worden. Zu groß sei damals auch die Sorge vor innenpolitischen Konsequenzen und Demonstrationen gewesen. „Dieser Hemmschuh ist nun nach der Wahl weg, aber es gibt derzeit auch weniger militärischen Notwendigkeit für einen solchen Schritt“, erklärte Müller weiter.
Russland nach der Wahl – Frage nach Putins Nachfolge dürfte die Amtszeit prägen
Mit einem grundlegenden Kurswechsel in Putins Politik rechnet der Politikwissenschaftler jedoch nicht. „Die zentrale Frage ist, ob er in der kommenden Amtszeit die Thematik seiner Nachfolge ansprechen wird oder ob er davon ausgeht, dass er 2030 noch einmal kandidieren wird“, ordnete Müller ein. Die russische Verfassung würde es Putin erlauben, nach dem Ende seiner Amtszeit im Jahr 2030 ein weiteres Mal zu kandidieren. Dann wäre der russische Präsident 77 Jahre alt.
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Der Autokrat steht seit 1999, mit einer kurzen Unterbrechung an der Spitze der Russischen Föderation. Zwischen 2008 und 2012 war Putin in das Amt des Ministerpräsidenten gewechselt, weil die damalige Verfassung ihm keine weitere Kandidatur erlaubt hatte. Putins Vertrauter Dmitri Medwedew übernahm daraufhin für eine Amtszeit das Amt des Präsidenten.
Opposition in Russland könnte sich zunehmen radikalisieren
Sorgen um mangelnde Unterstützung nach der Wahl muss sich Putin wohl erst einmal nicht machen. Ein Sturz Putins von innen heraus gilt als äußerst unwahrscheinlich. „Es ist durchaus denkbar, dass aus dem Militärapparat oder aus den Geheimdiensten Initiativen kommen könnten, die Führungsfrage zu stellen“, erklärte Müller. „Allerdings ist es derzeit nicht absehbar.“
Für den Politikwissenschaftler sei es jedoch durchaus denkbar, dass die russische Opposition verstärkt zu illegalen Maßnahmen greifen könnte. „Je enger die legalen Betätigungsmöglichkeiten bleiben, desto stärker könnte es sein, dass dann eben die oppositionell eingestellten Menschen in derartige Akte wie eben Anschläge auf die Rekrutierungsbüros oder auch zuletzt auf die Wahlurnen betätigen“, so die Einschätzung von Müller. (fd)