Hass im Netz: Unterallgäuer wird Volksverhetzung vorgeworfen – Verhandlung vor Memminger Amtsgericht
Bei vielen Menschen scheint die Tatsache, dass es sich beim Internet um keinen rechtsfreien Raum handelt, noch nicht angekommen zu sein. Immer wieder müssen sich die Strafverfolgungsbehörden mit Fällen beschäftigen, in denen Bürger online Beleidigungen aussprechen oder andere Personengruppen pauschal diffamieren. Ein anderes Bild zeichnete sich vergangene Woche vor dem Memminger Amtsgericht ab, als sich ein 64-Jähriger dort wegen des Vorwurfs der Volksverhetzung verantworten musste.
Memmingen – Wie die Staatsanwaltschaft ausführte, sei im November 2023 auf dem öffentlich zugänglichen Facebookprofil des Beschuldigten ein Post veröffentlicht worden. In diesem, bei dem es sich vermutlich um eine Art Kettenbrief handelte, wurden muslimische Menschen aufs Übelste verschmäht und pauschal verdächtigt, ein Sicherheitsrisiko darzustellen. Mit den Äußerungen, die in dem Post getroffen wurden, sei den Beschimpften „die Eigenschaft als Mensch“ abgesprochen wurden.
Unterallgäuer muss sich wegen Vorwurf der Volksverhetzung vor Amtsgericht verantworten
Der Angeklagte gab an, den besagten Post – den er weder veröffentlicht noch geliket habe – in ganzer Länge im Gerichtssaal zum ersten Mal gehört zu haben. Erstmals erfuhr er von dem Verdacht, als ihn die Polizei telefonisch kontaktierte. Zuerst habe er gedacht, dass es sich bei dem Anruf um einen Scherz von Kollegen handele. Der Ernst der Lage wurde ihm bewusst, als er daraufhin das Polizeipräsidium in Memmingerberg aufsuchte.
Dort wurde sein Handy in der IT-Abteilung untersucht. Danach wurde ihm mitgeteilt, dass auf dem Gerät nichts gefunden worden sei. Der Beamte habe damals einen ganzen Packen mit Papieren gehabt, die sich mit den Facebookaktivitäten des Unterallgäuers beschäftigten. Unter anderem ging es dabei um eine Comedyseite, Hunde und American Football. Von dem besagten Posting habe er damals nur die ersten Zeilen gelesen, sagte der 64-Jährige. Dann habe er ein Schreiben, das ihm von dem Beamten vorgelegt wurde, unterschrieben. Später bekam er Post, in der ihm unter anderem eine Geldstrafe auferlegt wurde, gegen die er Einspruch einlegte. „Und jetzt sitz‘ ich da“, sagte der Beschuldigte, der mehrfach seine Verwunderung über die Ereignisse äußerte. Als er seinen Kollegen und Mitgliedern des Vereins, in dem der Unterallgäuer aktiv ist, davon erzählte, habe die Geschichte keiner glauben können.
Vorwurf der Volksverhetzung: Hat Unterallgäuer Facebookpost veröffentlicht?
Wie der 64-Jährige berichtete, habe er das Passwort für den Facebookaccount, von dem der Post veröffentlicht wurde, vergessen. Da er keinen Zugang mehr hatte, versuchte er, ihn löschen zu lassen. „Da habe ich gesehen, wie schwer so was geht.“ Im Anschluss habe er einen neuen Account erstellt und erhalte nun ständig Nachrichten, dass sich von den verschiedensten Orten aus in sein Profil eingeloggt werde. Daraufhin habe er mehrmals sein Passwort geändert – ohne Erfolg. Wie der Unterallgäuer auf Nachfrage des Richters erklärte, seien ihm auf seinem alten Profil keine Ungereimtheiten aufgefallen. Jedoch habe ihn ein Freund einmal darauf angesprochen, warum er ihm in Facebook so eine blödsinnige Nachricht geschrieben habe. Er habe diese bei seinen Nachrichten allerdings nicht finden können. Er sei politisch nicht aktiv und weder in einer Burschenschaft noch in sonstigen Gruppierungen vertreten. Auch zu Immigrationsthemen habe er nie etwas gepostet. „Ich habe damit nichts zu tun“, beteuerte der 64-Jährige, der mehrfach betonte, keinerlei rassistische Ansichten zu teilen.
Dies unterstrich die Vermieterin und frühere langjährige Lebensgefährtin des Beschuldigten, die vor Gericht als Zeugin aussagte. Weder eine solche Gesinnung noch das Verfassen von langen Texten wie bei dem Post würden zu ihm passen. Allerdings seien früher schon öfter komische Links zu Webseiten auf dem Profil des Unterallgäuers aufgetaucht, mit denen ihr damaliger Lebensgefährte aber nichts zu tun gehabt habe. Die Zeugin vermutete, dass die Facebookprofile des Angeklagten noch miteinander verknüpft sein könnten – weswegen es auch zu den Zugriffen durch Fremde kommen könne. Den betreffenden Post – den auch die Beamten nicht mehr auf dem Profil des 64-Jährigen finden konnten – habe sie nicht gesehen.
Richter warnt vor Gefahren des Internets
Letztendlich wurde der Unterallgäuer, wie von Staatsanwaltschaft und Verteidigung beantragt, freigesprochen. „Der Post passt nicht zu Ihnen“, befand der Richter. Der Angeklagte habe glaubhaft vermittelt, dass er „so etwas Ekelhaftes“ niemals veröffentlichen würde. Zudem hätten die Ermittler nichts auf seinem Handy gefunden, was gegen ihn spreche. „Am Ende gehe ich davon aus, dass hier etwas schiefgelaufen ist“, was die Gefahren – wie etwa Hacking – im Internet aufzeige, bekräftigte der Richter sein Urteil.
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