Mit KI, Rechenformeln und Handarbeit: Burschen malen Bayern-Rauten - „Baum soll nach was ausschauen“
Die Burschen und Madln haben ihren Maibaum verziert - nicht etwa nach Gutdünken und gemütlich frei Schnauze, sondern mit einer selbst erstellten Formel.
Wolfratshausen – Es geht um Tradition und Tracht. Es geht um die weiß-blaue Bayernfahne und schon auch ein bisserl um’s gemütliche Gemeinschaftsbier. Und nebenbei geht’s um Hypotenusen und hochkomplexe Formeln in einem Rechenprogramm: Die Wolfratshauser Maiburschen und -madln haben ihren Baum bemalt – ein nicht nur für Eingeweihte wichtiger Moment. Weil das 32-Meter-Trumm für mehrere Jahre die alte Floßlände zieren soll, legt die Kolpingfamilie großen Wert darauf, dass nichts die perfekte weiß-blaue Bayernoptik stört. „Es soll nach etwas ausschauen“, sagt Oberbursche Marinus Vogl. „Deswegen machen wir es uns nicht so leicht.“ Klar: Man könnte einfach aufrechte Rauten malen. Die Kolpingfamilie hat sich jedoch mehr vorgenommen: ein schräg-verschnörkeltes Rautenmuster. Quasi die Bayern-Flagge rund um den Baum herum.
Mit KI, Rechenformeln und Handarbeit: Maibaum kriegt hunderte Bayern-Rauten
Wie kompliziert kann das Malen von Rauten sein? Für die Antwort auf diese Frage hat Christian Gerardy eine Power-Point-Präsentation erarbeitet. Die soll auch künftigen Maifeier-Generationen helfen, das mit sanften Übergängen abgestimmte Muster auf ihre Stämme zu pinseln. Ein junger Mitstreiter schmunzelt, als Gerardy ausholt: Die insgesamt 442 kleinen Rauten auf dem Baum sollen exakt dem Neigungswinkel der Rauten des Bayern-Logos entsprechen. Der 28-Jährige erzählt von Winkeln, Hypotenusen, Versatz und dem Rechenprogramm, das er an seinem Laptop entworfen hat. Gerardy denkt auch an Details, die sich manchem Maiburschen nicht unbedingt auf Anhieb erschließen. Kolping praktiziert Maibaummalen 4.0 an der Bahnhofstraße – Laptop und Lederhose sind im Einklang.
Burschen und Madln bemalen ihren Maibaum - 448 Rauten hat das Programm berechnet
Die komplexe Rechenarbeit erfüllt einen höchst sinnvollen Zweck: Die kleinen Rauten sollen sich in perfekter Harmonie um den Baum herumschlängeln. Ein unsauberer Übergang würde das ganze Schmuckstück verschandeln. Und zwar auf einer Höhe, die Passanten jahrelang sehen könnten. Ab zwei Meter Baumhöhe bis etwa vier Meter über dem Boden wird die Rundum-Rautenform aufs Holz gezeichnet. „Das sieht man dann jahrelang. Das muss passen“, erklärt Valentin Allgeyer. „Je näher am Boden, desto sauberer müssen wir arbeiten.“ Er macht sich mit einem Bleistift Notizen auf dem Baum.
Maibaum wird verziert: Bei Wolfratshauser Mai-Tradition machen viele junge Leute mit.
Weiter oben am Stamm wird das Verzieren einfacher: ein abwechselndes Band aus breiten, blauen und weißen Streifen. „Das ist leichter zu malen – und es ist so hoch, das sieht man nicht so genau vom Boden aus“, sagt Kolping-Oberbursch Vogl. Trotzdem arbeiten die Maibaummaler akribisch. Xaver Kieslinger und Thomas Kunz kontrollieren die aufgespannten Seile, Nägel und Bleistiftnotizen. Sie dienen später als Orientierung. Ein Beobachter gibt ihnen einen Tipp mit: „Wenn’s zu kleine Streifen sind, schaut der Baum aus wie im Längsstreifenpulli“ – also nicht sehr schmeichelhaft geformt.
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Etwa zehn Zentimeter sind die beiden Bändchen auseinander. „Das passt“, lautet das Fazit. Im Hintergrund dudelt Volkstümliches aus einem Lautsprecher. Die Burschen haben die Playlist gewechselt: Kurz zuvor hatte noch Heavy Metal aus der Box gedröhnt. Viel blaue Farbe ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht auf dem Baum. Thomas Kunz erklärt aber gelassen: „Wenn’s einmal läuft, dann geht’s schnell.“