Ein Prozess am Amtsgericht Regensburg um einen möglichen Angriff auf einen Polizisten muss neu aufgelegt werden. Im ersten Verfahren hatte der Richter geschlampt.
Regensburg - Es war kein Glanzstück der Justiz, was Richter Stephan Lohmann im November vor dem Amtsgericht Regensburg ablieferte. Im Verfahren um einen mutmaßlichen Schlag gegen einen Polizisten am Rande einer Demonstration ließ Lohmann die Anklage zu, ohne die Akte gründlich zu prüfen.
Erst kurz vor dem Termin fiel dem Richter etwas auf
Erst kurz vor dem Termin fiel ihm auf: Das zentrale Beweismittel, ein Video, das den Schlag zeigen sollte, fehlte. Stattdessen enthielt der Datenträger in der Akte ein Video von einer völlig anderen Veranstaltung. So stand Aussage gegen Aussage, da nur der möglicherweise geschädigte Polizist als Zeuge geladen war.
Der Prozess scheiterte – obwohl Lohmann den Angeklagten auf fragwürdige Weise zu einem Geständnis drängen wollte („So schlimm wird es dann schon nicht werden.“). Selbst die Staatsanwaltschaft sah sich gezwungen einzugreifen.
Neuer Prozess mit zusätzlichen Zeugen
Ein neuer Termin wurde mehrfach verschoben, da das Video weiterhin unauffindbar blieb. Nun soll das Verfahren Mitte August neu beginnen – mit einer neuen Richterin, vier statt nur einem Polizisten als Zeugen und möglicherweise auch dem bislang vermissten Video.
Ob das Video tatsächlich Teil des Prozesses sein wird, bleibt unklar. Der Sprecher des Amtsgerichts Regensburg äußerte sich vage: „Es hat sich herausgestellt, dass zum Zeitpunkt des letzten Hauptverhandlungstermins nicht alle Dateien aufgerufen werden konnten, die sich auf den Datenträgern in der Akte befanden.“
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Gibt es das Video oder nicht?
Diese „technischen Schwierigkeiten“ seien nun behoben. Ob die Videodateien als Beweismittel taugen, werde die neue Richterin „in richterlicher Unabhängigkeit“ entscheiden.
Diese Unabhängigkeit schützt offenbar auch Richter Lohmann vor Konsequenzen für seine nachlässige Prozessführung. Seine Aufgabe wäre es gewesen, die Akte auf Vollständigkeit zu prüfen, bevor er die Anklage zur Hauptverhandlung zuließ. Doch das unterließ er, sah sich das zentrale Beweisvideo im Vorfeld nicht einmal an.
Video ist ein zentrales Beweismittel
Dieses Video ist entscheidend. Der Polizist sprach von einem gezielten Schlag gegen seinen Helm, während der Angeklagte, ein Promotionsstudent Anfang 30, jede Gewaltanwendung bestritt. Er könne sich höchstens vorstellen, im Gedränge mit den Armen gerudert zu haben, um nicht zu stürzen, und dabei den Helm berührt zu haben. Doch selbst das halte er für unwahrscheinlich. Daran würde er sich erinnern.
Der Polizist selbst hätte den Vorfall wohl nicht angezeigt – zumindest nicht gegen den Angeklagten. Er habe keine Verletzungen erlitten und auch nicht gesehen, woher der Schlag kam. Erst der Beweissicherungstrupp, von dem das Video stammen soll, habe ihn darauf hingewiesen.
Einstellung gegen Geldauflage abgelehnt
Eine Einstellung des Verfahrens gegen Geldauflage lehnte die Staatsanwaltschaft trotz der dünnen Beweislage ab. Möglicher Hintergrund: eine Weisung des bayerischen Justizministeriums aus dem Jahr 2020, die eine priorisierte Bearbeitung von Gewalttaten gegen Polizisten vorsieht. Zudem gibt es eine Anordnung des bayerischen Innenministeriums, wonach Einstellungen gegen Geldauflage (§153 StPO) „auf den Ausnahmefall beschränkt sind und einer sorgfältigen Prüfung und Begründung“ bedürfen.
Ob der Prozess gegen den 30-Jährigen in seiner Neuauflage sorgfältiger geführt wird und die Anklage diesmal von einer Richterin zugelassen wurde, die die Akte geprüft hat, wird sich Mitte August zeigen. Und ob dann das ominöse Video endlich vorliegt.