Serie: „So geht es Deutschland wirklich“ - Zimmerer über Hass nach Grünen-Outing: „Bevor du mein Dach richtest, zünde ich es an“
Söder macht Hass gegen Grüne salonfähig, findet Zimmerer
Wirtschaftlich habe diese plötzliche Ablehnung zu einem „Einbruch“ geführt, mit dem er schon gerechnet habe. Da Hanus jedoch davon ausgegangen war, die Bürgermeisterwahl zu gewinnen, waren ihm die ausbleibenden Aufträge „im ersten Moment wurscht“. Doch Hanus unterlag, und spürte die wirtschaftlichen Einbußen. „Das hole ich nicht mehr auf“, sagt er. „Dieser Stempel bleibt ja.“
Insbesondere Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe seiner Meinung nach dafür gesorgt, dass der Hass auf die Grünen mittlerweile salonfähig ist. „Das hat es vorher so nicht gegeben. Früher waren die Grünen halt Spinner, aber jetzt sind wir das Feindbild“, sagt Hanus. „Da, glaube ich, macht der Ministerpräsident gut Stimmung dafür.“
„Ich gehe am Sonntag in die Kirche und esse Schnitzel“
Verstehen kann der Zimmermann den Hass nicht. „Ich hau‘ den Nagel noch genauso rein wie gestern“, sagt er. Seine politische Meinung ändere nichts an seiner Person. „Ich gehe genauso am Sonntag in die Kirche, weiß, wie man sich anzieht und esse nach wie vor Schnitzel.“ Doch er weiß: Als CSU-Wähler hätte er es im Ort wahrscheinlich leichter.
Hanus sitzt an einer Holztafel in seiner Büroleiterwohnung, die über der Werkstatt liegt. Auf einem selbst geschreinerten Tisch mit einem „Stammtisch“-Kärtchen stehen zwei Hofbräu-Tonkrüge. An der Wand hängen großformatige Bilder seiner Familie, die ihn, seine Frau und die beiden Kinder in Tracht auf einer Alm zeigen.
Gegenüber zieren ein Hirschgeweih und ein Jägerschein die Wand, vor der großen Fensterfront erheben sich majestätisch die Berge. Davor stehen ein paar Ledersessel, die schon in der ersten gemeinsamen Wohnung von Hanus und seiner Frau Barbara standen.
In dem Obergeschoss, das der Zimmermann sowie sein Team eigenhändig und überwiegend mit Holz ausgebaut hatten, riecht es angenehm nach dem Naturrohstoff. Sogar Hanus Brille hat Holzoptik.
Im mehrheitlich konservativen Bayern ein Grüner zu sein – das ist für manche Bajuwaren wohl so gottlos wie Weißwurst mit Haut zu essen, am besten noch abends. Das zeigt ganz objektiv auch die jüngste Bundestagswahl : Im Freistaat gewann die CSU alle 47 Wahlkreise, sicherte sich aufgrund des neuen Wahlrechts 44 Direktmandate.
Die Grünen hingegen verloren ihr einziges Direktmandat an die CSU. Insbesondere in den ländlichen Gegenden kamen sie bei den Zweitstimmen nur vereinzelt auf Ergebnisse im zweistelligen Prozentbereich.
„Ich will kein fucking Atomkraftwerk haben“
Bei den Grünen engagiert sich Hanus erst seit relativ kurzer Zeit; 2019 trat er mit Mitte 40 in die Partei ein. „Mein ganzes Leben lang, seitdem ich 15 und im Handwerksverein Lenggries war, wird gemeckert, dass die da oben nichts machen für uns Handwerker – egal, wer regiert hat“, sagt Hanus. „Und dann habe ich mir gedacht: Schimpfen ist das eine – aber dann muss man sich vielleicht mal engagieren.“
Doch was treibt einen selbstständigen Zimmermann mit einem Familienbetrieb in zweiter Generation im tiefsten Bayern zu den Grünen? „Eigentlich geht es mir um unsere Umwelt und darum, was wir unseren Kindern und Kindeskindern hinterlassen“, sagt Hanus.
Er sagt klar Nein zu Kernkraft – „Ich will kein fucking Atomkraftwerk haben“ – und Ja zum Verbrennerverbot und neuen Heizenergien. Die ganze Aufregung um diese Themen kann der 50-Jährige nicht nachvollziehen. „Ich mach' das doch nicht für mich, sondern damit die nach mir auch noch was haben.“
Außerdem hat der Lenggrieser das Gefühl, in der Partei etwas bewirken zu können. „Ich kann die Holzbauinitiative umsetzen, Holzhäuser bauen“, sagt Hanus, der im Vorstand des Ortsverbandes sitzt und Mitarbeiter des Bundestagsabgeordneten Niklas Wagener (B‘90/Die Grünen) ist.
Im Grunde seien die Grünen für jeden Handwerker eine gute Option. „Jeder Heizungsbauer müsste doch eigentlich sagen: Ja super, dann bauen wir eine neue Heizung ein“, sagt er lachend. Auch das Baugewerbe könne profitieren. „Ich verstehe gar nicht, wie man sich als Unternehmer so wehrt gegen seine finanzielle Sicherheit. Das schafft ja auch Arbeitsplätze.“
Holz aus der Umgebung, alternative Bautechniken
Auch in seinem Betrieb achtet Hanus auf Nachhaltigkeit . So kauft sein Betrieb das meiste Holz von Waldbauern aus der Umgebung und möglichst wenig verleimtes Holz von der Industrie. Außerdem setzt er auf alternative Bautechniken wie Strohballen- und Lehmbau, biologische Hanfdämmung und LED-Beleuchtung.
Die Werkstatt heizt der Betrieb mit einer Hackschnitzelheizung, die mit Holzspänen befeuert wird. Eine Zeitschaltuhr sorgt dafür, dass die Energiekosten niedrig bleiben. Sie belaufen sich monatlich auf rund 2000 Euro, sagt Hanus.
In Zukunft will der Geschäftsführer seinen Fuhrpark noch auf E-Mobilität umstellen und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach installieren.
Sein Image als grüner Zimmerer habe ihm aber nicht nur Ablehnung eingebrockt, sondern auch neue Kundschaft gebracht. Vor allem Zugezogene würden seine ökologische Ausrichtung schätzen. Die neuen Kunden würden die finanziellen Einbußen „fast ganz“ kompensieren.
Die Wirtschaftssituation insgesamt ist zwar schwierig, sagt Hanus. „Aber wir haben halt auch 20 Jahre gehabt, die alles andere als angespannt waren. Das war jetzt auch nicht normal, dass wir ein Jahr im Voraus ausgebucht waren“, sagt er. Dass seine Zimmerei bis zum Sommer mit Aufträgen ausgebucht ist, findet er ganz angenehm.
Geschäftsführer vermietet nebenbei zwei Häuser
Finanziell macht sich der Geschäftsführer „wenig Sorgen“. Seine Einkünfte bezieht Hanus nicht nur aus der Zimmerei, sondern auch aus der Vermietung von zwei selbstgebauten Häusern. Zudem sind zwei Schreiner Untermieter in seiner Werkstatt.
Dass Hanus gut verdient und von seinem Einkommen leben kann, ist das Ergebnis harter Arbeit. „Ich hatte die ersten 15 Jahre gar keinen Urlaub. Wir haben sechs Tage die Woche gearbeitet und am siebten Tag waren wir im Büro, meine Frau und ich“, sagt Hanus. 2,5 Millionen Euro Schulden hätten sie gehabt. „Da durftest du nicht krank werden. Wir haben alles auf eine Karte gesetzt und unsere ganze Energie da reingesteckt.“
Mit Erfolg: Das Ziel, mit 55 Jahren schuldenfrei zu sein, wird Hanus voraussichtlich zwei bis drei Jahre früher erreichen. Die Kraft dafür zieht er wohl aus seiner Leidenschaft für den Beruf. „Ich arbeite so gern. Für mich ist das keine Quälerei“, sagt er.
Für Erfolg opferte Zimmermann Zeit mit seiner Familie
Für seinen beruflichen Erfolg hat der Zimmermann aber auch viel geopfert – zum Beispiel die Zeit mit seinen Kindern. Nach der Arbeit sei der Zimmermann oft müde gewesen; meistens habe sich seine Frau um die Kinder gekümmert, sagt Hanus und knetet seine Hände.
Umso überraschter ist er, dass sein Sohn Klaus den Betrieb dann in dritter Generation übernehmen möchte. Im Sommer wird der 21-Jährige seine Meisterschule machen. „Er weiß ganz genau, auf was er sich einlässt“, sagt der Geschäftsführer. „Aber es freut mich natürlich.“ Er selbst wird sich dann zurückziehen. „Zwei Chefs geht auch nicht. Ich muss mich dann schon aus dem Staub machen“, sagt er und lächelt.
Über die Ampel-Koalition: „Eigentlich viel erreicht“
Dass nun auch die Ampelkoalition mit den Grünen den Chefsessel in der Bundesregierung geräumt hat, findet Hanus schade. „Eigentlich haben wir viel erreicht. Es ist einiges durchgegangen und auch das Gebäudeenergie-Gesetz wird in einer geordneten Form kommen, bei der CDU heißt das dann CO2-Bepreisung“, sagt Hanus.
Das Umdenken in Sachen Energietechnik und Erneuerbare Energie – wenn auch bedingt durch den Ukrainekrieg – begrüßte Hanus. „Ich hoffe nicht, dass es die letzte Lösung sein wird, aber es ist zumindest eine neue Idee.“
Das Ergebnis bei der Bundestagswahl war laut Hanus erwartbar. Er glaubt nicht, dass sich mit einer möglichen schwarz-roten Koalition grundlegend etwas im Land ändern wird. „Ich lasse mich aber liebend gern täuschen und würde es dem Herrn Merz auch sehr gönnen, dass er das toll macht und alle zufrieden sind“, sagt der Zimmermann schmunzelnd.
Er ist jedenfalls froh, dass die Grünen voraussichtlich nicht mitregieren werden. Erstens, weil er Koalitionen mit nur zwei Parteien besser finde und zweitens, weil die Opposition eine demokratische Partei in ihren Reihen braucht.