Nach Demo für getöteten Lorenz (21): Auto von Discobetreiber in Brand

Nach den tödlichen Polizeischüssen auf einen 21-Jährigen in Oldenburg werten die Ermittler Video- und Audioaufzeichnungen aus. Das teilte die Staatsanwaltschaft mit. Die Beamten prüfen zudem das sichergestellte Mobiltelefon des Polizisten, der geschossen hat. Auch der polizeiliche Funkverkehr aus der Nacht werde ausgewertet, hieß es.

Aufnahmen der Bodycams der Polizisten, die bei dem Einsatz dabei waren, stehen demnach nicht zur Verfügung. Die Geräte seien nicht eingeschaltet gewesen, hieß es.

Nach Demo für Lorenz: Auto von Discobetreiber in Brand

Nach der Großdemo am Freitag für den durch Polizeischüsse getöteten Lorenz brachen in Oldenburg mehrere Feuer aus. Das hat die Polizei nun mitgeteilt. Unter anderem sei ein Molotowcocktail auf das Auto des Betreibers der Disco, vor der Lorenz in der Nacht seines Todes in Streit geraten war, geworfen worden. 

Außerdem sollen die Reifen eines Reisebusses und mehrere Mülltonnen angezündet worden sein. Verletzt wurde niemand, hieß es weiter. Die Polizei könne bislang keinen Zusammenhang mit der Demonstration beweisen, zu der Tausende gekommen waren. Noch am Freitagabend war von einem weitgehend störungsfreien Verlauf die Rede. Zuvor hatte der NDR berichtet.

21-Jährige starb durch Polizeischüsse

Die Staatsanwaltschaft bittet die Bevölkerung in dem Fall weiter um Mithilfe. Wer Hinweise zu den Geschehnissen in der Nacht von Samstag auf Sonntag in der Oldenburger Innenstadt machen kann, solle sich bei der Polizei Delmenhorst melden. Ziel sei eine lückenlose Aufklärung. 

Nach den bisherigen Ermittlungen schoss ein 27-jähriger Polizist am Ostersonntag gegen 2.40 Uhr auf den 21-Jährigen und verletzte ihn tödlich. Der junge Mann war zuvor nach einer Auseinandersetzung vor einer Diskothek durch die Innenstadt geflohen. Einige Personen verfolgten ihn, worauf der 21-Jährige ihnen unter Vorhalt eines Messers gedroht haben soll. Der Staatsanwaltschaft zufolge steckte er das Messer anschließend wieder in die Hosentasche ein und lief davon. 

Polizist schoss fünfmal auf den jungen Mann

Er traf auf Einsatzkräfte der Polizei und sprühte mit Reizstoff. Dann schoss ein 27-jähriger Polizeibeamter fünfmal in Richtung des 21-Jährigen und traf ihn mindestens dreimal von hinten in Oberkörper, Hüfte und Kopf. Ein vierter Schuss soll den Oberschenkel gestreift haben. Der junge Deutsche erlitt lebensgefährliche Verletzungen und starb kurze Zeit später im Krankenhaus. Das Messer, mit dem der Mann seine Verfolger bedroht haben soll, wurde sichergestellt. Hinweise, dass er vor den tödlichen Schüssen damit auch Polizisten bedrohte, gebe es derzeit nicht, so die Staatsanwaltschaft. 

Blumen und Kerzen stehen am Tatort in der Oldenburger Innenstadt
Blumen und Kerzen stehen am Tatort in der Oldenburger Innenstadt Foto: Hauke-Christian Dittrich/dpa

Bündnis befürchtet rassistischen Hintergrund

Der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen. Für Freitagabend hatte das Bündnis "Gerechtigkeit für Lorenz" zu einer Kundgebung in Oldenburg aufgerufen. "Wir fordern lückenlose Aufklärung", teilte das Bündnis in einer Pressemitteilung mit. Die Initiative befürchtet, dass die Schüsse auf den Schwarzen einen rassistischen Hintergrund haben könnten. "Besonders für Schwarze Menschen ist das Vertrauen in die Polizei seit Jahren massiv erschüttert. Dieser Fall trifft nicht nur die Familie – er trifft eine ganze Community, eine ganze Stadt", hieß es in der Mitteilung. 

"Es darf keine Vertuschung, keine Bagatellisierung und kein Schweigen geben. Wir wollen wissen, was genau in jener Nacht passiert ist – und warum ein junger Mensch sterben musste." Das Bündnis forderte eine unabhängige Untersuchung des Einsatzes und strukturelle Veränderungen. "Es reicht nicht, auf interne Ermittlungen zu vertrauen. Zu oft wurden Fälle wie dieser unter den Teppich gekehrt – das darf nicht wieder passieren", schrieb das Bündnis. 

Kriminologe kritisiert Ermittlungen durch benachbarte Dienststelle 

Der Professor für Kriminologie und Strafrecht von der Goethe-Universität Frankfurt, Tobias Singelnstein, kritisierte die internen Ermittlungen der niedersächsischen Polizei. "Ermittlungen durch die benachbarte Dienststelle ist das schlechteste Modell, was wir in Deutschland haben", sagte der Kriminologe der Deutschen Presse-Agentur. "Es gibt Bundesländer, die einen Schritt weiter sind und spezialisierte Dienststellen geschaffen haben, die beim Landeskriminalamt angesiedelt sind oder sogar ganz selbstständig sind."

Der 27-jährige Beamte wurde vorläufig suspendiert - das ist in solchen Fällen üblich. Gegen ihn läuft ein Verfahren wegen Totschlags, das von der Staatsanwaltschaft Oldenburg geführt wird. Auch das ist Standard. Die Ermittlungen übernimmt die Polizei Delmenhorst.