Klapprad-Weltmeisterschaft 2024 in Pfronten: Ein Oberallgäuer holt sich den Titel

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Die Champions aus dem Oberallgäu: Elias Keck (links) und Dietmar Müller feiern ihren Klapprad-Doppelsieg auf dem Breitenberg. © Helga Fendt

Großer Spaß und eine große sportliche Herausforderung treffen beim vielleicht schrägsten Bergrennen der Alpen aufeinander. Bei der Klapprad-WM 2024 in Pfronten holte sich dieses Mal ein Oberallgäuer den Titel.

Pfronten – Eigentlich taugen sie nur zum Brötchenholen: die Klappräder aus den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts. Zu klein für vernünftiges Radeln, mit Rücktritt und ohne Gangschaltung, die Witzfiguren des Bikegeschäfts. Also genau richtig für das größte Gaudiradrennen in den bayerischen Alpen - die Klapprad-WM in Pfronten. Ein Ski-Langläufer aus dem Oberallgäu krönte sich jetzt am Breitenberg zum König aller Klappradler.

Klapprad-WM in Pfronten 2024: Manche Teilnehmer wissen nicht, was sie erwartet

Das Reglement ist streng: Reifengröße 20 Zoll, Baujahr zwischen 1960 und 1980, nur Originalteile inklusive funktionierender Klingel und Helmpflicht. Die Strecke: zuerst sechs Kilometer flach, dann sechs Kilometer hinauf auf die Hochalpe, 640 Höhenmeter mit Steigungen bis zu 20 Prozent. „Unmenschlich!“, stellt Markus (35) aus Oy nüchtern fest. Er hat seine Freunde Moritz und Dennis aus dem Württembergischen überredet, die Wand am Breitenberg in Angriff zu nehmen. Die beiden wissen nicht, was sie erwartet: „Dabei sein ist doch alles“, freuen sie sich vor dem Start in Pfronten.

Auch Werner (58), Felix (50), Veit (54) und Jochen (44) aus Nürnberg versprühen Optimismus: „Machbar,“ sagt Werner, „irgendwie“. Jochen hat extra trainiert, um überhaupt eine Chance beim Kampf um den Klapprad-Titel zu haben: „Eine Woche quer durch die Alpen, mit’m Radl!“ 154 Klappräder sind angemeldet, manche mit künstlichem Fuchsschwanz am Lenker, andere mit Bierfäßchen auf dem Gepäckträger. Die Strecke zieht sich - bei den hochsommerlichen Temperaturen muss unterwegs „nachgetankt“ werden. Ein Schweizer zeigt sich zuversichtlich, aufgrund seiner alpinen Erfahrung die Klapprad-Krone holen zu können. Johanna (37) aus Oberschwaben rechnet sich höchstens Außenseiterchancen aus: „Hauptsache, ich komme oben an.“

Mitmachen ist alles

Die Idee für dieses zugegebenermaßen ziemlich verrückte Bergrennen hatte vor 16 Jahren Organisator Bernhard Dinser: „Warum denn nicht?!“ grinst er. „Es gibt keine Preise, kein Geld, keine Urkunde - Mitmachen ist alles.“ Bei der Quälerei am Berg sind alle gleich, weiß Markus: „Da ist es wurscht, woher einer kommt oder was er für einen Job hat.“ Die Gleichmacher sind ihre Fahrräder.

Manche rostig direkt vom Dachboden, andere hochglanzpoliert aus dem Internet oder liebevoll gepflegt von Generation zu Generation weitervererbt: „Meine Tochter steht auf das Ding,“ erklärt Jochen, „aber noch brauch‘ ich’s, zum Brötchenholen, jeden Sonntag.“ Klappräder fordern besonders die Oberarmmuskeln, weiß Florian (44) aus Bad Wurzach: „Und du musst treten, treten, treten, das macht deine Oberschenkel kaputt!“ Und dann treten sie in die Pedale: Tamas und Luis lassen ihre Beine wirbeln, wie Geschosse jagen sie am Pfrontener Leonhardskirchlein vorbei, das Volk jubelt.

„Go, Papa, go!“ steht auf einem Transparent, Kuhglocken, Böllerschüsse, Polizeisirenen. Die versammelten Reporter hetzen zur Breitenbergbahn, um rechtzeitig oben am Ziel in 1510 Metern Höhe zu sein. Aus lautlos dahinschwebenden Kabinen beobachten sie die Dramen des Klappradspektakels, das sich auf den endlosen Serpentinen unter ihnen abspielt. Die unhandlichen Fahrräder fordern ihren Tribut. Schon kurz nach dem Einstieg in die Wand steigt praktisch jeder ab, Schieben ist angesagt, Tragen ist strikt verboten. Der Weg ist schotterig, die Sonne sticht, die Luft wird immer dünner, der Schweiß strömt.

Oben auf der Hochalpe sitzen die Zuschauer im Schatten und schlürfen kühle Getränke: „Das schaffen die nie“, wird gemutmaßt, „mit solchen Fahrrädern, unmöglich, ein Wahnsinn.“ Viel Zeit für das herrliche Bergpanorama und für Spekulationen bleibt nicht, denn bald taucht tief unten der erste Klappradler am Waldrand auf: „Das gibt’s doch nicht!“, begeistert sich eine Dame und wischt sich den Schweiß von der Stirn. „E-li-as! E-li-as! E-lias!“ skandiert ein Trupp junger fescher Dirndlträgerinnen, die Startnummer 899 schleppt sich den Berg hoch, ein junger Mann im gescheckten Kuhkostüm keucht dem Ziel entgegen.

Frischgebackener Weltmeister

Es ist der neue Weltmeister der Klappradler, Elias Keck aus Weitnau im Oberallgäu, 21 Jahre alt, mit einem Gefährt, das etwa dreimal so alt ist wie er: „Das war echt hart,“ japst der Champion, „einmal hätte ich fast aufgegeben.“ Hat er aber dann doch nicht. Als professioneller Skilangläufer startet Keck für den TSV Buchenberg und hat es schon in den Kader von Bundestrainer Peter Schlickenrieder geschafft.

Das verpflichtet: Keck bezwingt die Wand mit einer „fifty-fifty“- Kombination aus Treten und Schieben in weniger als einer Stunde! Da bleibt nicht nur dem Vizeweltmeister buchstäblich die Luft weg: Dietmar Müller aus Missen (Oberallgäu) ist 52 und wird zum dritten Mal Zweiter am Breitenberg: „Ich hab mir‘s wieder bewiesen - ich schaff‘s immer noch!“ jubelt Müller und geht Arm in Arm mit Elias ein kühles Bier trinken. Natürlich alkoholfrei.

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