Kluger Verzicht der Erdinger Grünen: Lieber Stadtrat statt Show

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Schönes Wochenende wünscht Dieter Priglmeir © hep

Es wird keinen Grünen Erdinger OB-Kandidaten geben. Und das macht Sinn. Ein Kommentar dazu.

Überraschend ist es nicht, dass die Grünen bei der Kommunalwahl 2026 in Erding keinen eigenen OB-Kandidaten stellen. Schließlich ist es bereits 18 Jahre her, dass sie zuletzt einen Kandidaten ins Bürgermeister-Rennen schickten.

Damals herrschte Aufbruchstimmung – gleich sechs Bewerber wollten die Nachfolge von Karl-Heinz Bauernfeind antreten. Grünen-Kandidat Günter Kuhn kam im ersten Wahlgang mit knapp 4 Prozent lediglich auf den fünften Platz – hinter Max Gotz (CSU, 48%), der später in der Stichwahl siegte, Rainer Mehringer (UWE, 16 %), Hans Schmidmayer (SPD, 12,5 %), Hans Egger (Erding jetzt, 11,6 %) und Roswitha Bendl (ÖDP, 4,9 %). Nur die Republikanerin Inge Sporrer schnitt mit 2,7 % schlechter ab.

Diese Erinnerung zeigt, wie sehr sich die politischen Verhältnisse seither verändert haben. Das damalige Kuhn-Desaster ist natürlich nicht der Grund, warum die Grünen heuer auf einen OB-Kandidaten verzichten. Auch der amtierende Oberbürgermeister kassierte schließlich zwei Wahl-Watschn, bevor er erfolgreich war.

Die Entscheidung der Grünen ist aus anderen Gründen sinnvoll: Auch wenn alle sechs Stadtratsmitglieder intern und parteiübergreifend für ihre gute politische Arbeit geschätzt werden, hätte keiner der Mandatsträger oder jungen Ortssprecher Konrad Thees und Lisa Schießer eine Chance gegen Gotz. Warum also personelle, finanzielle und zeitliche Ressourcen binden, die anderswo sinnvoller eingesetzt werden könnten? Nämlich für den Aufbau einer schlagkräftigen Stadtratsliste. Ziel ist es, die derzeit sechs Sitze auszubauen, oder – was derzeit auch schon optimistisch ist – zumindest diese zu halten. Eine starke Liste mit kompetenten Köpfen erhöht die Chance, als sachorientierte Kraft wahrgenommen zu werden. Kurzum: Lieber Stadtrat statt Show

Den Grünen muss aber auch bewusst sein, welchen Preis sie für diese Entscheidung zahlen. Bürgermeisterkandidaten erhalten naturgemäß viel öffentliche Aufmerksamkeit – sie werden zu Podiumsdiskussionen eingeladen und häufig von uns Reportern um Stellungnahmen gebeten. Weniger mediale Präsenz bedeutet zwangsläufig eine geringere Sichtbarkeit. Wähler könnten das als ambitionslos werten – so löblich es auch ist, lieber die Inhalte als Personen in den Mittelpunkt zu rücken.

Letztlich wird das Kreuz – oder bei der Kommunalwahl die Zahl – hinter einem Namen gemacht. Es liegt nun an Persönlichkeiten wie den beiden jungen Ortssprechern, dem gut vernetzten Gerhard Ippisch, dem hemdsärmeligen Herbert Maier oder der unerschrockenen Helga Stieglmeier, dafür zu sorgen, dass der Wahlkampf nicht als farblos empfunden wird. Ein blasser Auftritt könnte nämlich auch schnell die dringend benötigten Wahlkampfhelfer entmutigen.

Wobei: Diese Gefahr scheint derzeit nicht zu bestehen. Der Elan ist ungebrochen. Auf die Frage, wie viele Bürger bei seiner telefonischen Sprechstunde angerufen haben, meinte Herbert Maier trocken: „Eine Nachbarin als Testanruferin – und dann noch jemand. Und das seit 2020.“ Trotzdem wolle man auch neben Informationsständen, Hausbesuchen und der Präsenz auf allen Social-Media-Kanälen diesen Service beibehalten, das war beim Stammtisch überhaupt keine Frage. Also Herr Maier, bleiben Sie am Telefon: Die Chance, dass es ein paar Anrufer mehr werden, ist deutlich größer, als in Erding einen Grünen OB zu bekommen. Zumindest in diesem Punkt also alles richtig gemacht.

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