„Das hier kann süchtig machen“: Modelleisenbahnfreunde zeigen Welt, die auch kuriose Elemente hat

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„Entspannung pur“ seien die wöchentlichen Treffen, zu denen ein Mitglied sogar aus Salzburg anreist. Ein Besuch beim Modelleisenbahn-Club in München.

München – Hinter einer Brandschutztür im Westend fährt gerade eine S-Bahn ein. „Bitte nicht mehr einsteigen“, hallt es leise, als der Besucher den Raum betritt. „Zurückbleiben.“ Mehrere Männer schauen gebannt zu, wie der Zug gemächlich den Bahnhof verlässt. Im Gewerbehof in der Gollierstraße nimmt der Münchner Modelleisenbahn-Club jeden Freitag eine Auszeit vom Alltag.

Mit Liebe zum Detail pflegen die Mitglieder ihre digital gesteuerte H0-Anlage. H0 („Halb Null“) gilt als gebräuchlichste Baugröße für Modelleisenbahnen. Das Areal gleicht einem Wimmelbild. Es gibt Wiesn-Zelte, das Münchner Pumuckl-Haus, knutschende Paare, einen Wildbiesler, der sich von einer Anhöhe erleichtert. Und vieles mehr.

Modelleisenbahn-Club trifft sich jeden Freitag in München: Anlage zeigt auch kuriose Szenen

„Das Schöne ist, dass die Anlage nie fertig wird“, sagt Christopher Kremser. „Jeder soll sich so einbringen, wie er möchte. Der eine hat ein Faible für Dampfloks, der andere steht auf Trambahnen.“ Sounddecoder auf den Zügen geben Ansagen und Fahrgeräusche originalgetreu wieder. Kremser (28) zeigt stolz auf eine Waffenschieber-Szene, die er in liebevoller Kleinarbeit modelliert hat. In unmittelbarer Gleisnähe warten Spezialkräfte der Polizei auf den Zugriff. Die gesamte Anlage ist 36 Meter lang.

„Es braucht schon Leute, die anschieben“

Kremser ist dem 1933 in München gegründeten Club mit elf Jahren beigetreten. Er hat eine Ausbildung zum U-Bahn-Fahrer gemacht, arbeitet inzwischen als Stellwerker. Er deutet auf die beiden großen Bildschirme im Raum. Sie zeigen an, welche Züge gerade unterwegs sind, welche Weichen gestellt werden müssen. „Bei uns im Club sitze ich auch am Stellwerk“, sagt der 28-Jährige mit einem Schmunzeln, „aber im Urlaub schalte ich schon mal ab.“

Wir machen Brotzeit, ratschen und tauschen uns über unser Hobby aus.

Wie Kremser haben die meisten der Club-Mitglieder beruflich mit Zügen zu tun. Helmuth Ehrenthaler hat jahrelang Lokführer ausgebildet, ist inzwischen in Pension. „Es braucht schon Leute, die anschieben und ein bisserl mehr Zeit haben“, erklärt der 70-Jährige.

Großes Areal für Modelleisenbahnen in München: Club-Mitglied reist extra aus Salzburg an

Die Freitage im Modelleisenbahn-Club bestehen längst nicht nur aus Tüfteln und Testfahrten. „Wir machen Brotzeit, ratschen und tauschen uns über unser Hobby aus.“ Ein Club-Mitglied reist dafür jeden Freitag aus Salzburg an. Gebrotzeitet wird stilecht. An Sitzbänken, die aus einem ausgemusterten Speisewagen stammen. Das jüngste der etwa 70 Club-Mitglieder ist 19, das älteste 90 Jahre alt.

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Vereinsvorstand: „Auch nicht anderes als der Karnickelzüchterverein“

Die Freitage im Modelleisenbahn-Club seien für ihn „Entspannung pur“, erklärt Michael Feierlein. Der 54-Jährige ist seit seiner Geburt Mitglied, sein Vater hat ihn zum Verein gebracht. Alte Dampfloks haben es dem Vorstand ganz besonders angetan. Ungewöhnlich findet Feierlein sein zeitaufwändiges Hobby nicht. „Wir treffen uns, und haben Spaß. Wir machen auch nichts anderes als der Karnickelzüchterverein.“

Ab und zu kommt es bei den Testfahrten auf der Anlage zu kleineren Unfällen. Dann müssen die Züge in die Werkstatt. So wie die Trambahn, die Christopher Kremser in den Händen hält. Bei einem Zusammenstoß ist das Jägermeister-Werbebanner an der Außenseite in Mitleidenschaft gezogen geworden. Das gehört dringend repariert.

Vereinsvorstand aus München
Vereinsvorstand Michael Feierlein (54) hat sichtlich Spaß. © lks

„Man findet immer irgendwas“, stellt Alexander Scharf klar. „Und es hilft schon, wenn man ein bisschen Verständnis für das Kleinteilige mitbringt.“ Der Lokführer gehört zu den Technik-Experten im Verein. Seit kurzer Zeit können die Club-Mitglieder ihre Fahrzeuge mit einer Handy-App steuern. „Das läuft alles über WLAN“, erklärt der 35-Jährige. Ein Befehl per App, und der Zug fährt los. „Viele bei uns nutzen aber noch ihre Handregler.“

„Das kann wirklich süchtig machen“

Er habe schon als Kind immer Lokführer werden wollen, denkt Scharf zurück. Die Faszination für Züge und das drumherum sei immer geblieben. Seit einem Jahr ist er Mitglied im Modelleisenbahn-Club. „Vorher habe ich mich zu Hause mit meinem Hobby beschäftigt. Aber jetzt kann ich das in ganz anderen Dimensionen ausleben.“ Ein Vereinskollege warnt zum Abschied: „Das hier kann wirklich süchtig machen.“

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