Sich um eine an Demenz erkrankte Verwandte zu kümmern, ist gewiss ein feiner Zug. Das Fälschen eines Testaments hingegen nicht. Mit diesem Vorwurf sieht sich allerdings ein Ehepaar aus dem Landkreis konfrontiert. Die Staatsanwaltschaft fordert Wertersatz in Höhe von 1,5 Millionen Euro.
Allein wegen eines moralischen Vergehens wandert man in Deutschland noch lange nicht hinter Gitter. Auch nicht als Erbschleicher. Solange man sich auf die Dreistigkeit beschränkt, einer reichen Witwe schöne Augen zu machen, gibt es auf legalem Wege aber nur wenig zu holen, weshalb potenzielle Erbschleicher häufig auf rechtswidrige Methoden zurückgreifen, um an den Nachlass des von ihnen auserkorenen Opfers zu gelangen.
Bei Betrügern besonders beliebt ist die Urkundenfälschung. Denn worauf wird sich nach dem Ableben eines Verwandten oder engen Bekannten als erstes gestürzt? Ganz recht: das Testament. Eben dieses zu seinem eigenen Vorteil abzuwandeln oder gar ein völlig neues anzufertigen, verlangt von den Tätern im wahrsten Sinne Fingerspitzengefühl. Immerhin wird die Echtheit eines handschriftlich verfassten Testaments penibel geprüft. So auch in einem Fall, der derzeit das Weilheimer Schöffengericht um Richter Lars Baumann beschäftigt.
Ehepaar soll Testament gefälscht haben
Eben beschriebener Betrug wird nämlich einem Ehepaar aus dem westlichen Landkreis vorgeworfen. Der 65-Jährige und seine 64-jährige Frau sollen das Testament einer Familienangehörigen zu ihren finanziellen Gunsten umgedichtet haben.
Das Erbe, um das es sich in diesem Verfahren handelt, kann sich in jedem Fall sehen lassen. Der Wertersatz, dessen Begleichung die Staatsanwaltschaft von den beiden Angeklagten fordert, beläuft sich auf satte 1,536 Millionen Euro. Die sechsstellige Summe umfasst auch eine Immobilie im Wert von rund einer Million Euro. Diese soll das Ehepaar nach dem Ableben der Erblasserin vergleichsweise schnell in bares Geld verwandelt haben.
„Die Unterschriften stammen nicht von uns“
„Ich kann nur sagen, dass wir die Testamente nicht gefälscht haben“, beteuerte die 64-Jährige. Insgesamt sind es drei Testamente, die ihre Verwandte hinterlassen haben soll. Glaubt man den beiden Beschuldigten, so stammt das Älteste aus dem Jahr 2012. Nach dem Tod der Erblasserin habe man sich durch ein prall gefülltes Regal „gewurschtelt“ und in einem der rund 50 Ordner die Dokumente entdeckt, berichtete der 65-Jährige. Vorgelegt hatten die beiden zunächst aber nur eines der handschriftlichen Testamente. „Wir dachten, wir müssen nur das Neueste abgeben“, behauptete die Angeklagte.
Dass die Frau aufgrund ihrer Demenz bereits knapp zwei Jahre vor ihrem Tod „testierunfähig“ gewesen sein soll, wie es in der Anklage heißt, „ist unserer Meinung nach falsch“, hakte der Anwalt des 65-Jährigen ein. Zu einem Zeitpunkt, „als sie noch klar war“, habe man das Dokument nämlich mit ihr angeschaut. „Die Unterschriften stammen nicht von uns“, wiederholte die 64-Jährige.
Ehepaar dementiert Anschuldigungen
Vor ihrem Tod sei die Frau ein „Teil der Familie gewesen“, sagte sie. Gepflegt hatten das Ehepaar ihre Verwandte ab 2010. Erst 2017, wenige Monate vor ihrem Ableben, „ging's bergab“ mit der Gesundheit der Erblasserin, erzählten die beiden. Während sie sich wöchentlich um das Wohl der zum Ende kränklichen Frau gekümmert hatten, habe sich der Teil der Verwandtschaft, der in den USA lebt, kaum um die Familie geschert, so die Angeklagten. Der Besuch einer Nichte sei gar ein echtes „Desaster“ gewesen, erinnerte sich die 64-Jährige. Und dennoch spielt eine 88-jährige Zeugin aus Übersee eine wichtige Rolle in dem Verfahren. Sie fungiert in dem Prozess als Nebenklägerin und fühlt sich aufgrund des Verdachts der Urkundenfälschung um ihr rechtmäßiges Erbe gebracht.
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Sollten sich die Anschuldigungen als wahr herausstellen – und das ohne Geständnis der Beschuldigten – so laufe das Verfahren auf eine drei- bis vierjährige Freiheitsstrafe hinaus, eröffnete Lars Baumann den Angeklagten. Nur über ein Geständnis könnten sich die beiden in die Bewährung retten. Doch das Ehepaar blieb bei seiner Geschichte.
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Da noch nicht genug Vergleichsmaterial vorliegt, mussten die beiden Beschuldigten unter Aufsicht einer Sachverständigen des Landeskriminalamts händische Abschriften anfertigen. Sobald der Vergleich der Schriftproben mit den Testamenten erfolgt ist, soll der Prozess fortgesetzt werden. „Sie sehen, wir kämpfen mit völlig offenem Visier“, äußerte sich der Anwalt des 65-Jährigen abschließend.