„Grotesk und geschichtsvergessen“: Heftige Reaktionen auf Wortänderung in Kult-Song von Udo Lindenberg
Das Wort „Oberindianer“ aus einem Song von Udo Lindenberg wollen Berliner Chöre nicht mehr singen. Es hagelt heftige Reaktionen aus der Politik.
Berlin – Die Aufregung in Deutschland ist mal wieder groß. Stein des Anstoßes diesmal: Die Entscheidung der Berliner Chöre, bei ihren Darbietungen eines Kult-Songs von Udo Lindenberg in Zukunft ein Wort zu streichen. Die Reaktionen auf die Entscheidung sind eindeutig.
Was war passiert? Chöre in Berlin wollen bei Udo Lindenbergs Hit „Sonderzug nach Pankow“ aus dem Jahr 1983 das Wort „Oberindianer“ weglassen. Es könne aus heutiger Sicht diskriminierend wahrgenommen werden, teilte die Stiftung Humboldt Forum in Berlin zur Begründung mit. Anlass sind zwei geplante Auftritte im November von acht Chören in dem Zentrum für Kunst, Kultur, Wissenschaft und Bildung. Nach einer offenen Diskussion mit den Chören und der künstlerischen Leitung habe sich die Stiftung entschieden, das Wort teilweise zu streichen. Es sei geplant, „Ober“ und dann ein lange gehaltenes „I“ zu singen. Hier sei man aber noch in der Abstimmung.
Zoff um Lindenberg-Song: „Oberindianer“ soll nicht gesungen werden
1983 hatte Lindenberg mit seinem „Sonderzug nach Pankow“ frech an „Oberindianer“ DDR-Staatschef Erich Honecker appelliert, ihn in der DDR auftreten zu lassen. Der Hamburger Rocker singt in seinem Song unter anderem: „Ich muss da ‘was klären, mit eurem Oberindianer. Ich bin ein Jodeltalent und will da spielen mit ‘ner Band.“
Das Argument der Stiftung: „Auch wenn das Wort in dem Lied ‚Sonderzug nach Pankow‘ in seiner Entstehungszeit 1983 eine metaphorische Konnotation hatte - und es sich damals satirisch-kritisch auf Erich Honecker bezog - sind wir uns auch bewusst, dass in dem Wort die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen nachklingt“. Das Wort werde von vielen indigenen Menschen und von vielen Besuchern als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen.
Aus der Politik gibt es heftigen Gegenwind für die Entscheidung. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki sagte gegenüber der Bild: „Wie kulturlos ist es eigentlich, einen über vier Jahrzehnte alten Liedtext eigenmächtig zu zensieren und damit Udo Lindenbergs Kunst in eine Reihe mit schweren Verbrechen in der amerikanischen Kolonialgeschichte zu stellen?“ Der FDP-Politiker sieht die Kunstfreiheit von dem Vorgehen bedroht. Besonders das „üppig mit staatlichen Mitteln“ finanzierte Humboldt-Forum sollte genau diese zu schützen versuchen. Angesichts der Millionen-Förderung nimmt Kubicki auch gleich noch die Kulturstaatsministerin Claudia Roth ins Gericht. Die Grünen-Politikerin solle sich klar zur Kunstfreiheit bekennen, so der Politiker zu dem Blatt.
„Geschichtsvergessen“: Eklat um Wort-Auslassung bei Lindenberg-Song
Deutliche Worte hagelt es auch von der Generalsekretärin der CDU in Berlin, Ottolie Klein. Das Vorgehen sei „grotesk und geschichtsvergessen“, schrieb sie via X (vormals Twitter). Dann ordnete sie diese Beurteilung ein: „Am ehemaligen Standort des Palasts der Republik wird nun ein Lied zensiert, dessen Text das diktatorische SED-Regime auf die Schippe genommen hat. Ein Lied, das Udo Lindenberg schon 1983 nicht in der DDR singen durfte. Diese moralisierende und übergriffige Cancel Culture stößt zu Recht auf Unverständnis.“
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Unterstützung für den Begriff „geschichtsvergessen“ erhält Klein vom Historiker Hubertus Knabe, Ex-Direktor der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen: „Das Humboldt-Forum entwickelt sich immer mehr zur linksradikalen Sekte. Es wird Zeit, dass diejenigen, die diese Ausrichtung befördern und bezahlen, aus dem Amt gewählt werden“, so der Historiker gegenüber der Bild.
Lindenberg war zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen. Für das Format „Vielstimmig 2024“ waren die Chöre aufgefordert worden, sich mit dem Humboldt-Forum auseinanderzusetzen. Im Fokus stand dieses Mal dabei die Sonderausstellung „Hin und weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“. Die Auftritte sind am 16. und 17. November geplant. (rist/dpa)