Neuer Leopard-Panzer: Bundeswehr kupfert bei Putins Truppen ab

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Zukunft ungewiss: Wachablösung oder Verlängerung der Dienstzeit – der deutsche Leopard-Kampfpanzer hat ein Upgrade erfahren; künftig wird kein Mann mehr im Turm sitzen. Die Waffen werden fernbedient. Möglicherweise wird das Modell aber auch vom MGCS abgelöst. © IMAGO/Juliane Sonntag

Leopard, Panther, Black Panther oder MGCS: Die Nato-Staaten suchen gegen Russland ihren ultimativen Panzer – und kupfern deren Ideen ab.

Berlin – „Wir haben also eine überaus lebendige Leopard-Zukunft vor uns“, sagte Ralf Ketzel im vergangenen Oktober. Das Magazin Defence Network hatte den Vorsitzenden der Geschäftsführung von KNDS über die Zukunft der Bundeswehr-Leoparden befragt, und Ketzel war guter Dinge. Wladimir Putin hatte die Welt genötigt, Panzer wieder aus der Mottenkiste des Landkrieges herauszuholen, und gleichzeitig hat der Ukraine-Krieg deren Götterdämmerung eingeläutet: Russland und die Ukraine rücken dem rollenden Stahl mit sirrenden Kleinstflugkörpern äußerst erfolgreich zu Leibe.

Mit dem jetzt vorgestellten Leopard 2 A-RC 3.0 könnte die Bundeswehr ihre Haupt-Kriegswaffe modernisieren, bevor sie sie vielleicht Mitte der 2040er-Jahre vom smarten MGCS (Main Ground Combat System) ablösen lässt – der MGCS soll ein vernetztes Waffensystem darstellen und an einen Panzer nur noch durch sein Rohr erinnern. Seine Premiere hat das Upgrade des bestehenden Leopards auf der Rüstungsmesse Eurosatory 2024 vom 17. bis 21. Juni in Paris. Das Fahrzeug basiert auf dem inzwischen seit fast 50 Jahren im Dienst stehenden Leopard-Panzer der verschiedenen Modernisierungsstufen. Allerdings sehen manche Beobachter im Fahrzeug eine weitgehende Neuentwicklung und titulieren den Panzer bereits als Leopard 3, weil er den bereits modernisierten Leopards 2 A8 technisch überholt. Die Revolution des „Dreiers“ ist sein Turm.

Er ist wirklich die Grundlage der Landstreitkräfte Europas. Ich glaube also nicht, dass MGCS den Leopard ablöst, sondern dass beides parallel läuft und sich ergänzt.

Statt des Ladeschützen sitzt dort ein Lade-Automat, wodurch der Turm jetzt unbemannt bleibt, und das Fahrzeug fünf Tonnen abgespeckt hat, weil Turm sowie Chassis jetzt kompakter gebaut worden sind – er soll künftig unter 60 Tonnen wiegen. Hersteller ist das KNDS-Konsortium aus der deutschen Rüstungsschmiede Krauss-Maffei Wegmann und der französischen Nexter. Immerhin versprechen deren Ingenieure alle bestehenden Leopard auf die neue Technologie „abwärtskompatibel“ umrüsten zu können. Der Schutz der Besatzung wird dadurch erhöht, dass die beschuss-sensitive Fläche des Panzers um ein Drittel geschrumpft ist. Gleichzeitig wird die Feuerkraft gesteigert.

„Bis zu drei Schuss in zehn Sekunden“ – der Leopard hat künftige eine höhere Feuerkraft

Möglicherweise wächst das neue Kaliber von den heute verbauten 120 auf 140 Millimeter; oder mindestens auf 130 Millimeter, wie Defence Network unter Berufung auf Bundeswehr-Angaben schreibt – das größere Geschütz soll dann auch das MGCS bewaffnen. Das Magazin beruft sich auf Auskünfte aus dem Bundeswehr-Beschaffungsamt: Dem heutigen 120-Millimeter-Geschütz fehle das „Aufwuchspontial“, wird dort behauptet. „Daher müsse MGCS über eine durchsetzungsfähige Waffe verfügen, um auch in der Zukunft duellfähig zu bleiben. Dafür wiederum brauche es eine höhere Anfangsgeschwindigkeit beim Abschuss bei gleichzeitig höherer Geschossmasse. Beides sei nur durch den Kaliberaufwuchs zu erreichen“, schreibt Defence Network über die Informationen aus dem Bundesamt für Ausrüstung, Informationstechnik und Nutzung der Bundeswehr (BAAINBw).

„Durch den Autolader kann der A-RC 3.0 bis zu drei Schuss in zehn Sekunden abfeuern. Die Zahl der ,Ready Rounds‘, also der abschussbereiten Munition, soll laut KNDS größer sein als beim Leopard 2. Dieser trägt insgesamt 42 Schuss mit sich, wovon allerdings lediglich 15 ,Ready Rounds‘ sind, auf die der Ladeschütze schnell zugreifen kann“, schreibt das Magazin futurezone. An aktiver Bewaffnung verfügt der 3.0 außerdem über eine auf dem Turm angebrachte 30-Millimeter-Maschinenkanone, die von der Besatzung fernbedient wird. Laut futurezone soll die Maschinenkanone im Einsatz beispielsweise gegen Drohnen auch autonom feuern können. Abschussvorrichtungen für Lenkraketen und Kamikaze-Drohnen sind ebenfalls vorhanden und können außerhalb des Einsatzes eingeklappt werden.

Russlands Ideen abgekupfert: Nur der T-14-Armata kämpft im Ukraine-Krieg mit einem unbemannten Turm

An passiver Bewaffnung fällt die serienmäßig vorgesehene Reaktivpanzerung auf. Reaktivpanzerung ist eine auf dem Panzerstahl liegende Panzerung, die auftreffenden Geschossen die Energie nimmt, bevor die das Chassis durchschlagen können – an bisherigen Panzer-Modellen musste die Reaktivpanzerung jeweils nachgerüstet werden. Laut futurzone wird am Turm des 3.0 auf die Reaktivpanzerung allerdings verzichtet; möglicherweise aufgrund der Annahme, dass die verkleinerte Fläche ausreichend Schutz gewährleistet. Einen unbemannten Turm bietet aktuell lediglich der russische T-14-Armata im Ukraine-Krieg. Laut futurezone soll auch das Update des US-amerikanischen Abrams mit der Bezeichnung M1E3 einen unbemannten Turm bekommen, um den Kampfwert zu steigern.

„Der Turm ist immer eine Schwachstelle eines Kampfpanzers. Und wie der Ukraine-Krieg gezeigt hat, können selbst improvisierte, günstige Kamikaze-Drohnen Kampfpanzer zerstören. Auch moderne Panzerabwehrwaffen mit Hohlladungen durchschlagen problemlos den Turm eines Kampfpanzers“, schreibt futurezone. Ralf Ketzel hatte den Abschied vom Mann im Turm aufgrund der immer tödlicheren Bedrohungen durch Drohnen bereits Ende vergangenen Jahres angekündigt: „Wir besitzen hierfür zwei Lösungen. Zum einen haben wir für Schweden und Griechenland einen wirklich schweren Schutz gegen Artilleriegeschosse realisiert, die Hohlladungen verschießen. Das ist aber ein wirklich schwerer Schutz. Dann haben wir noch das Trophy- Selbstschutzsystem, das nun auch einige deutsche Leoparden erhalten werden. Auch dieses bietet einen gewissen Schutz gegen Drohnen. Aber wirklich ausreichend sind beide Lösungen nicht“, sagte der KNDS-Geschäftsführer gegenüber Defence Network.

Deutschlands neuer Leopard: Keine Brückenlösung, sondern Vorläufer des Zukunfts-Panzers

Der neue 3.0 verfügt über das in Israel entwickelte APS Trophy-System (Active Protection System) gegen anfliegende Geschosse. „Abstandsaktive Schutzmaßnahmen können in Softkill- und Hardkill-Systeme eingeteilt werden“, schreibt das Bundeswehr-Journal. „Softkill-Abwehrsysteme neutralisieren die Bedrohung, ohne diese zu zerstören. Zu diesen Systemen gehören beispielsweise Täuschkörper, Störsender oder Blendlaser. Hardkill-Abwehrsysteme zerstören anfliegende Geschosse – etwa eine Panzerabwehrlenkwaffe, eine Granate oder ein Wuchtgeschoss – vor dem Auftreffen.“

Bis zum möglichen Bau des Leopard 2 A-RC 3.0 wird das Heer 18 Kampfpanzer Leopard 2 A8 bekommen, wie das Bundesministerium der Verteidigung im Mai vergangenen Jahres angekündigt hat: „Die neueste derzeit in der Bundeswehr genutzte Version ist der Leopard 2 A7V. Die moderneren Kampfpanzer 2 A8 sollen zwischen 2025 und 2026 ausgeliefert werden. Der Rahmenvertrag mit dem Hersteller enthält eine Option für den Kauf weiterer Kampfpanzer Leopard 2 A8.“ Möglicherweise wird diese Option dann umgewandelt, wie das Militär-Blog hartpunkt vermutet aufgrund Aussagen des Herstellers KNDS: „KNDS bewertet den Leopard 2 A-RC 3.0 eigenen Angaben zufolge ,nicht nur als Brückenlösung bis zur Einführung des Landkampfsystems der nächsten Generation MGCS, sondern auch als entscheidenden technologischen Vorläufer des MGCS‘.“

K2 Black-Panther, Leopard oder MGCS: Rennen um einen Nato-Standardpanzer noch offen

Mehr als 2500 Leopard 2-Panzer unterschiedlicher Varianten nutzen die Nato-Staaten sowie Länder wie Österreich und die Schweiz, wie die Tagesschau aufgrund von Daten des Institute for Strategic Studies (IISS) und der Statistik-Website 23degrees.io. Darunter fallen einsatzbereite sowie eingelagerte oder bestellte Panzer. Größter Mitbewerber des KNDS-Exportschlagers will Rheinmetall werden. Zwar liefert die deutsche Rüstungsschmiede schon Geschützrohre für den Panzer des Konkurrenten, allerdings hat das Unternehmen mit dem KF 51-Panther einen Konkurrenten für das künftige Main Ground Combat System vorgestellt. Außer Ungarn scheint aber bisher kein Nato-Partner Interesse an dem Fahrzeug angemeldet zu haben.

Der Leopard gilt als technisch ausgereizt und soll vom MGCS abgelöst werden – auch in seiner modernisierten Version. Das erste Serienfahrzeug soll 2035 ausgeliefert werden. Der Zeitplan ist straff, orakelt European Security & Defence: Für Frankreich und Deutschland ist es nach wie vor unerlässlich, in den 2030er-Jahren mit dem Austausch ihrer derzeitigen Kampfpanzer zu beginnen – dasselbe gilt für viele Benutzer des Leopard 2. Polen rüstet inzwischen mit koreanischen K2 Black-Panther-Panzern nach. Sollte das MCGS später kommen als geplant oder doch viel teurer werden als erhofft, kann eine Zwischenlösung wie der Leopard 2 A-RC 3.0 vielleicht doch bereits den Nato-Panzer der Zukunft darstellen.

Ketzel bezeichnet das MGCS gegenüber Defence Network als „ein extrem politisches Projekt“, wie er sagt. „Die industrielle Kooperation zwischen Deutschland und Frankreich im Landbereich hat keine lange Tradition, im Gegensatz zur seit langem bestehenden Kooperation zwischen den Leopard-Nutzernationen Er ist wirklich die Grundlage der Landstreitkräfte Europas. Ich glaube also nicht, dass MGCS den Leopard ablöst, sondern dass beides parallel läuft und sich ergänzt.“

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