CDU-NATO-Expertin Serap Güler warnt vor Putin-Angriff: „Ich wäre zur Bundeswehr gegangen“

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Serap Güler will eine Wehrpflicht für Frauen, der Bundeswehr-Personalmangel bereite ihr Sorgen. Ein mögliches Amt im neuen Kabinett schließt sie nicht aus.

Berlin – Zwei Wochen Dauerverhandlung und der Start des neuen Bundestags: Serap Güler macht trotzdem keinen erschöpften Eindruck, als sie aus dem Plenum in ihr Berliner Abgeordnetenbüro kommt. „Manchmal hilft ein bisschen Koffein“, sagt sie und nimmt einen Schluck aus der Flasche mit Cola, zuckerfrei.

Die Bundestagsabgeordnete aus Köln gehört zu den – eher wenigen – besonders einflussreichen Frauen innerhalb der CDU und ist die erste türkischstämmige Abgeordnete der Partei. In manchen Kreisen wird sie als mögliche Kandidatin für ein Amt im neuen Kabinett gehandelt. In den letzten Jahren hat sie sich einen Ruf vor allem als versierte Verteidigungsexpertin und Bundeswehr-Kennerin erarbeitet, war in den Koalitionsverhandlungen Mitglied der Arbeitsgruppe „Außen und Verteidigung“.

Frau Güler, im neuen Bundestag sind weniger Frauen als vorher. Und nur elf Prozent der Abgeordneten haben einen Migrationshintergrund. Ist das ein Problem?

Es muss uns klar sein, dass das Parlament niemals eins zu eins die Gesellschaft widerspiegeln kann. Aber ja, 25 Prozent der Menschen haben eine Migrationsgeschichte, in meinem Heimat-Bundesland, in Nordrhein-Westfalen, sind es sogar über 30 Prozent. Es wäre wünschenswert, wenn das in den Fraktionen deutlicher sichtbar wäre.

CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler im Gespräch mit Peter Sieben
CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler, seit 2021 im Bundestag, hat sich als Verteidigungsexpertin profiliert. © Jon Lasse Schmitt

Was den Frauenanteil betrifft: Wären Sie für Parität in Ihrer Fraktion?

Die Union hat sicherlich viele qualifizierte Frauen, die Verantwortung übernehmen können und wollen. Es geht also nicht um Quoten, sondern um gute, verantwortungsbewusste Politik. Das ist gerade in diesen unruhigen Zeiten, in denen wir leben, wichtiger denn je.

Serap Güler: Personalmangel bei der Bundeswehr größtes Problem

Apropos: Sie waren im Zuge der Koalitionsverhandlungen an der wichtigen Arbeitsgruppe Außen und Verteidigung beteiligt. Wo drängt es bei dem Themenkomplex am ärgsten?

Beim Thema Bundeswehr-Personal. Durch die Grundgesetzänderung haben wir die Ausstattung rein finanziell sichergestellt. Aber es muss auch jemanden geben, der diese Ausstattung benutzt. Die Personalentwicklung bei der Bundeswehr bereitet mir große Sorge, wir haben dieses Jahr noch weniger Soldatinnen und Soldaten als im letzten Jahr.

Zwischenzeitlich gab es die Idee, auch Menschen ohne deutschen Pass eine Karriere in der Bundeswehr anzubieten. War das Thema in den Verhandlungen?

Nein, und ich glaube auch nicht, dass es jetzt Thema sein sollte. Aber ich hätte mir sehr gewünscht, die Bundeswehr weiter zu öffnen und eine Wehrpflicht auch für Frauen einzuführen. Dazu bedarf es aber einer weiteren Grundgesetzänderung, und dafür gibt es in dieser Wahlperiode keine Mehrheit. Die Linken werden das nicht mitmachen, und mit der AfD werden wir das nicht machen.

Serap Güler im Gespräch mit Bundestagsreporter Peter Sieben in ihrem Abgeordnetenbüro in Berlin.
Serap Güler im Gespräch mit Bundestagsreporter Peter Sieben in ihrem Abgeordnetenbüro in Berlin. © Jon Lasse Schmitt

Russland unter Putin „könnte bis 2029 in der Lage sein, die NATO anzugreifen“

Wenn Sie jetzt selbst in der Situation wären: Würden Sie freiwillig zur Bundeswehr gehen?

Ich würde zur Bundeswehr gehen, ja. Alleine, um mich selbst schützen zu können. Natürlich schützen die Soldatinnen und Soldaten dieses Land. Aber wir müssen ein Bewusstsein für Selbstverteidigung schaffen. Russland könnte bis 2029 in der Lage sein, die NATO anzugreifen. Und ich möchte keinem jungen Menschen zumuten, eingezogen zu werden, ohne je Kontakt mit der Bundeswehr gehabt oder je eine Waffe in der Hand gehalten zu haben.

Glauben Sie tatsächlich, dass Putins Russland einen Angriff auf Deutschland wagen würde?

Ich möchte niemandem Angst machen. Aber es muss ein Bewusstsein dafür geben, wie ernst die Lage ist. Ich will die Menschen dafür sensibilisieren, dass unsere beste Abwehr eine gute Verteidigungsfähigkeit ist, die wir jetzt rasch aufbauen müssen. Da müssen wir schneller werden.

Müssen wir auch deshalb schneller werden, weil der aktuelle US-Präsident Donald Trump heißt und die USA als Partner nicht mehr zuverlässig sind?

Trump ist ein herausfordernder Präsident für uns alle. Aber es wird auch eine Zeit nach Trump kommen. Die USA bleiben sehr enge Verbündete für Europa und Deutschland. Aber wir müssen unabhängiger werden. In dem Punkt hat Trump ja nicht Unrecht, wenn er sagt: Ihr solltet selbst mehr in eure Sicherheit investieren.

Umgang mit Trump: „Nicht zu viel Demut“

Was würden Sie dem künftigen Bundeskanzler raten: Wie soll er Trump begegnen?

Ich will nicht anmaßend sein und dem Bundeskanzler irgendwas raten. Er ist selbst durch und durch auch Außenpolitiker. Ich glaube aber, dass man jemandem wie Trump nicht mit zu viel Demut begegnen sollte. Man muss ihm deutlich machen können, dass wir auf Augenhöhe diskutieren.

Serap Güler
Wie soll Deutschland mit Trump umgehen? „Man muss ihm deutlich machen können, dass wir auf Augenhöhe diskutieren.“ © Jon Lasse Schmitt

Können wir das?

Das geht nur dann, wenn die Europäische Union wirklich vereint ist. Trumps Ziel sind bilaterale Gespräche mit den EU-Ländern. Und egal wer es ist, ob Frankreich, Polen oder Deutschland, alle ziehen immer den Kürzeren, wenn sie diese Gespräche vereinzelt führen.

Was sind Ihre Ziele für die nächsten vier Jahre? Gibt es ein Amt, das Sie anpeilen?

Das sucht man sich ja nicht selbst aus. Man wird für etwas berufen. Und je nachdem würde ich mich der Verantwortung stellen. Aber Debatten über Ämter stehen jetzt nicht an erster Stelle.

Sondern?

Als ich am Tag der konstituierenden Sitzung ins Plenum kam, hat mich die neue Sitzordnung wahnsinnig gestört. Der AfD-Block ist spürbar größer geworden, und es ist nun unsere Aufgabe, das in den nächsten vier Jahren mit einer klugen Politik zu ändern.

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