Konservative vor historischer Pleite bei Großbritannien-Wahl – Starmer erhebt Vorwürfe gegen Tories

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Die Konservativen dürften bei der Großbritannien-Wahl katastrophale Ergebnisse einfahren. Labour-Chef Keir Starm warnt indes vor Wählerunterdrückung.

London – Die Konservativen steuern bei der Großbritannien-Wahl auf ein absolutes Debakel hinzu. Jetzt erklärte selbst Mel Stride, sonst treuer Kabinettskollege von Premier Rishi Sunak und darüber hinaus auch dessen Arbeitsminister, dass man sich „auf einen außerordentlichen Erdrutsch“ gefasst machen müsse. Die konkurrierende Labour-Partei von Keir Starmer werde wohl einen Sieg feiern, „wie es ihn in diesem Land wahrscheinlich noch nie gegeben hat“, so Stride gegenüber GB News.

Es sei „höchst unwahrscheinlich“, dass die Umfragen falsch liegen, sagte Stride auch im Gespräch mit dem Radiosender BBC4. Seit Wochen kann die Labour-Partei einen 20-Punkte-Vorsprung gegenüber den Tories halten, deren Wahlkampf von mehreren Skandalen überschattet werden; so wetteten mehrere Politiker und Parteimitglieder auf einen Neuwahltermin, ehe dieser vom Premierminister verkündet wurde.

Starmer vor Großbritannien-Wahl: Konservative unterdrücken Wahlbeteiligung

Trotz allem Grund zur Vorfreude kritisierte Labour-Chef Starmer derweil, die Konservativen würden bereits vor dem Wahltermin am morgigen Donnerstag (4. Juli) die Wahlbeteiligung unterdrücken. Mit ihren pessimistischen Aussagen würden die Tories versuchen, die Bevölkerung vom Wählen abzuhalten und so ihre Verluste zu begrenzen. Starmer bezog sich unter anderem auf einen Gastbeitrag von der früheren Innenministerin Suella Braverman im Telegraph.

Darin schrieb die potenzielle Anwärterin auf den Tory-Vorsitz, falls Sunak abdanken sollte, dass die Großbritannien-Wahl „vorbei“ sei und man schon jetzt eine „schonungslos ehrliche Analyse“ einleiten müsse. Ein Ziel könne nicht mehr das Ziel der Konservativen sein. „Bei der Abstimmung am Donnerstag geht es nur noch darum, eine ausreichend starke Opposition zu bilden“, schrieb sie. „Es ist vorbei, und wir müssen uns auf die Realität und die Frustration der Opposition vorbereiten“, so Braverman.

„Man kann sehen, was die Tories vorhaben“, sagte Keir Starmer vor der Presse bei einer Wahlkampfveranstaltung in Wales. „Sie versuchen, die Menschen aufzufordern, nicht von ihrem demokratischen Recht Gebrauch zu machen, wählen zu gehen, und versuchen, die Menschen vom Wählen abzuhalten“. Es sei eine „schreckliche Situation“ für die die „einst angesehene“ Tory-Partei, dass man zu solchen Mitteln greifen müsse.

Keir Starmer (l.), Vorsitzender der Labour-Partei, und Rishi Sunak, Premierminister von Großbritannien, während ihrer TV-Debatte.
Keir Starmer (l.), Vorsitzender der Labour-Partei, und Rishi Sunak, Premierminister von Großbritannien, während ihrer TV-Debatte. © dpa/Phil Noble

Labour-Chef Starmer: Voraussichtlicher Erfolg bei Großbritannien-Wahl trotz Unbekanntheit

Labour-Chef Keir Starmer ist für den erwarteten Erfolg nur in eingeschränktem Maße verantwortlich, sind Expertinnen und Experten der Ansicht. Viele Wählerinnen und Wähler wissen wenig über den einstigen Chef der Anklagebehörde CPS oder über die Ziele seiner Sozialdemokraten. Schuld sind vielmehr die Konservativen selbst. Der Politologe Tim Bale nennt die 14-jährige Regierungszeit der Konservativen katastrophal. „Sie sind schon zu lange im Amt und können kaum oder gar keine nennenswerten politischen Erfolge vorweisen“, sagt Bale von der Queen Mary University of London im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

„Der Brexit hat nicht funktioniert. Die Einwanderungszahlen sind aus Sicht der Brexit-Gegner zu hoch. Die Wirtschaft ist träge. Das staatliche Gesundheitswesen NHS steckt in der Krise. Und sie haben eine Reihe hoffnungsloser Politiker gewählt“, so Bale. Neben Ex-Innenministerin Suella Braverman und Wirtschaftsministerin Kemi Badenoch steht auch Penny Mordaunt für die Sunak-Nachfolge bereit. Einem Bericht der Times nach wurden für beide bereits entsprechende Websites vorbereitet. Braverman und Badenoch sind allerdings Vertreterinnen des rechtskonservativen Parteiflügels. Unter ihrer Führung könnten sich die Tories noch stärker zu einem Ersatz für eine rechtspopulistische Partei entwickeln als bisher.

Großbritannien-Wahl: Tories vor dem Abgrund – es droht der komplette politische Machtverlust

Fast täglich gibt es neue Schreckensnachrichten für die Partei, die als eine der erfolgreichsten politischen Kräfte der westlichen Welt gilt. Manche Umfrageprojektionen sehen die Konservativen bei deutlich unter 100 Sitzen. 2019 hatten sie 365 der 650 Mandate abgeräumt. Als erster amtierender Premierminister der Geschichte könnte Sunak in seinem Wahlkreis abgewählt werden.

Es ist durchaus möglich, dass die Tories nicht einmal die stärkste Oppositionsfraktion im Unterhaus stellen. Damit einher ginge vor allem ein großer Verlust an Einfluss: Die offizielle Opposition unterhält ein Schattenkabinett, darf Ausschüssen vorsitzen und bekommt deutlich mehr Redezeit im Parlament als kleinere Parteien.

Diese Rolle könnte den Liberaldemokraten zufallen. Parteichef Ed Davey sorgt im Wahlkampf mit aufsehenerregenden Stunts wie Bungee-Jumping dafür, dass die Partei im Gespräch bleibt. Vor allem in Südengland gelten die „Libdems“ manchen Konservativen als Alternative. Für die Tories stellt sich bereits die Frage, wie es nach der erwarteten Wahlpleite weitergeht. Eine wichtige Rolle spielt dabei, wer überhaupt im Parlament übrig bleibt. (nak/dpa)

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