„Alles verrottet, alle korrumpiert“: Insider zeichnet düsteres Bild von Putins Armee
Das russische Militär hat ein Korruptionsproblem. Der neue Mann im Verteidigungsministerium soll das nun lösen – und Russland in seinem Angriffskrieg zum Sieg verhelfen.
Moskau – Der russische Präsident Wladimir Putin trennte sich am vergangenen Sonntag (12. Mai) überraschend von seinem Verteidigungsminister Sergej Schoigu. Es folgten Entlassungen und sogar Festnahmen ranghoher Generäle. Der Vorwurf: Korruption. Experten gilt das Chaos im Verteidigungsministerium als Sinnbild für den Zustand der russischen Armee. Nach mehr als zwei Jahren Ukraine-Krieg sind die militärischen Ergebnisse aus Sicht des Kreml noch immer dürftig.
Putin macht „Outsider“ zum Verteidigungsminister: „Alle sind korrumpiert“
Schoigus Nachfolger wird der Wirtschafts- und Finanzexperte Andrej Beloussow. Aus Sicht von Experten will Moskau damit die Rüstungsindustrie auf Vordermann bringen. Zuletzt betonte Putin immer wieder die Bedeutung der Rüstungsproduktion für einen Sieg gegen die Ukraine. Eine Aufgabe des Beloussows wird außerdem sein, sich mit der Korruption in seinem Haus zu beschäftigen. Der Wirtschaftsfachmann hat keinen militärischen Hintergrund, das ist offenbar so gewollt: „Derzeit gibt es kein Militärpersonal“, sagte ein Insider aus dem Kreis des Verteidigungsministeriums dem russischen Exil-Medium Meduza. „Alles ist verrottet, alle sind korrumpiert.“
Dass Schoigu gehen musste, könnte laut dem Kreml-Insider noch einen weiteren Grund haben: Anfang Mai hatte der damals noch im Amt befindliche Verteidigungsminister „bessere Waffen“ für die russische Armee angeordnet. Um das Tempo der Offensive aufrechtzuerhalten, sei es nötig, „Umfang und Qualität der Waffen“ zu erhöhen, so Schoigu damals. Offenbar ein Affront für Sergej Tschemesow, den Chef des staatlichen russischen Rüstungsunternehmens Rostec. Sein Konzern sei Hauptlieferant für die Invasion in der Ukraine. „Fast 80 Prozent der Waffen, die in der Zone des nördlichen Militärbezirks eingesetzt werden, wurden in den Unternehmen unseres Konzerns hergestellt“, entgegnete Tschemesow kurz darauf, wie die Nachrichtenagentur Ria Novosti berichtete.
Korruptionsverdacht in der russischen Armee: Hochrangige Generäle festgenommen
Der Waffenproduzent wollte Berichten zufolge die Entlassung Schoigus erreichen, dessen Beschwerden ihm nicht gefielen. Tschemesow hat laut der Meduza-Quelle selbst beste Verbindungen in den Kreml: „Er ist eine Person aus dem engsten Kreis, in direktem Kontakt mit dem Präsidenten.“ Die Entlassung und Festnahme des Generals und Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow Ende April wegen Korruptionsverdachts spielte dem Drängen Tschemesows weiter in die Karten. Der Militär galt als enger Vertrauter Schoigus. Zusammen mit Gleichgesinnten pochte Tschemesow weiter darauf, den Verteidigungsminister zu schassen.
Offenbar mit Erfolg: „Wenn eine Person schimpft und um die Absetzung bittet, ist das eine Sache. Wenn es zwei sind, ist es eine andere“, so der Insider weiter. Mit Blick auf die Korruption im Ministerium habe man Putin gefragt: Wie lange noch?, hieß es von der Quelle. Der Verteidigungsminister musste seinen Posten schließlich räumen, wurde aber zum Sekretär des nationalen Sicherheitsrates ernannt. Kurz darauf ein weiterer Paukenschlag: Der General und hochrangige Mitarbeiter des Verteidigungsministeriums, Juri Kosnezow, kam in Untersuchungshaft. Auch gegen ihn liegt der Verdacht vor, „in großem Umfang“ Bestechungsgelder angenommen zu haben.

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Mit dieser Taktik soll Russlands Armee den Ukraine-Krieg gewinnen
Moskau hat das Land längst auf Kriegswirtschaft umgestellt und die Rüstungsbetriebe produzieren im Akkord in drei Schichten rund um die Uhr. Die Zahlen sprechen für sich: Für Militär und Sicherheit gibt Russland nach Putins Angaben etwas mehr als 8,7 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts aus. Im Februar hatte der Kremlchef mitgeteilt, dass in den 18 Monaten zuvor über eine halbe Million Arbeitsplätze in der Rüstungsindustrie entstanden waren. Allein bei Rostec arbeiten insgesamt 450.000 Menschen. Wie der Nato-Geheimdienst schätzte, produziert Russland jährlich drei Millionen Stück Artilleriemunition. Zum Vergleich: Europa und die USA kommen trotz überlegener Wirtschaftskraft gemeinsam auf 1,2 Millionen Stück pro Jahr.
Dennoch ist das aus Kreml-Sicht nicht ausreichend. „Wir müssen die Anstrengungen in diese Richtung verdoppeln und verdreifachen“, forderte Putin am Mittwoch bei einer Sitzung mit Vertretern der Rüstungsindustrie eine Erhöhung des Tempos in der Produktion. „Wir haben oft gesagt, dass derjenige gewinnt, der die neuesten Mittel des bewaffneten Kampfes schneller beherrscht.“ Dafür soll der neue Mann im Verteidigungsministerium nun sorgen. Die russische Armee dehnte unlängst die Front weiter aus und startete vergangene Woche eine Offensive in der Region Charkiw. Damit will Moskau offenbar die Überlegenheit bei der Truppengröße und dem Munitionsvorrat ausnutzen. „Seit diesem Jahr verbessern unsere Truppen in allen Richtungen täglich ihre Positionen“, lobte Putin am Mittwoch.
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