Bauernproteste „im Prinzip normal“: Kühnert liefert neuen Zündstoff in den „Tagesthemen“
Tausende Bauern protestieren gegen das geplante Aus für Steuervergünstigungen. Die Kritik an der Regierung ist laut – für Kevin Kühnert aber kein Grund zur Sorge.
Berlin – Mit empörten Protesten und einer langen Traktorkolonne haben Tausende Landwirte in Berlin Front gegen das vorgesehene Aus für Steuervergünstigungen gemacht. Mit den Plänen würden sie nach Angaben des Bauernverbandes pro Jahr mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet. Entsprechend aufgeladen war die Stimmung am Montag (18. Dezember) in Berlin, als Tausende Bauern unter anderem Bundesagrarminister Cem Özdemir (Grüne) anfeindeten.
SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hat das Haushaltspaket der Ampel-Koalition indes verteidigt und die Kritik an den Maßnahmen als „im Prinzip normal“ bezeichnet. Es sei nicht außergewöhnlich, dass Interessensgruppen wie etwa die Landwirte auf die Straße gingen und auf, „aus ihrer Sicht, unbillige Härten“ hinwiesen, sagte Kühnert in den ARD-„Tagesthemen“.
Kühnert nimmt Sparpläne der Ampel in Schutz: SPD musste „bittere Pillen“ schlucken
Kühnerts Parteigenossin Manuela Schwesig kritisierte unterdessen das von der Bundesregierung angestrebte Ende der Steuervergünstigungen für Bauern. „Wir brauchen eine starke Landwirtschaft, auch damit die Preise stabil bleiben. Die Kürzungen für die Landwirtschaft gehen zu weit und kommen zu plötzlich“, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern dem Stern. Nun müsse „eine vernünftige Lösung gefunden werden.“
Doch Kühnert betonte, auch die SPD haben einige „bittere Pillen“ schlucken müssen. „Aber wir tragen das im Sinne eines Gesamtkompromisses mit, und so appelliere ich auch an alle anderen.“ Wer etwas an dem Paket ändern wolle, müsse das Geld dann an anderer Stelle einsparen. Seine Partei sei allerdings auch bereit, nochmal grundsätzlich über ein erneutes Aussetzen der Schuldenbremse zu sprechen.
Trotz koalitionsinterner Streitereien um die beschlossenen Einsparungen nahm Kühnert das Paket in Schutz. Die meisten Beschlusspunkte würden mitgetragen, von „einigen mit mehr, von anderen mit weniger Begeisterung“. Jetzt sei „die Zeit für anderslautende Vorschläge“ – für eine von der SPD vorgeschlagenen Lockerung der Schuldenbremse habe es keine Mehrheit gegeben, sagte Kühnert.
Anfeindungen gegen Özdemir auf Bauerndemo: „Wie es das Land noch nicht erlebt hat“
Zu der Kundgebung in der Hauptstadt hatte der Bauernverband binnen weniger Tage bundesweit mobilisiert. Auf Transparenten stand „Finger weg vom Agrardiesel“, „Traktoren statt Panzer“, „Grüne Wiesen, Vieh und Felder opfert ihr für Steuergelder“ oder „Die Ampel muss weg.“ Dicht an dicht standen Traktoren auf der Straße des 17. Juni, eine Wagenladung Mist landete auf der Fahrbahn.
Bauernpräsident Joachim Rukwied attackierte die Bundesregierung scharf. Mit den Plänen werde die Branche pro Jahr mit einer Milliarde Euro zusätzlich belastet. „Das ist eine Kampfansage“, und die Landwirte nähmen sie an. Die Ampel müsse die „unzumutbaren Vorschläge“ komplett zurücknehmen, sonst werde man „ab 8. Januar überall präsent sein in einer Art und Weise, wie es das Land noch nicht erlebt hat“.
Bauernproteste in Berlin: Özdemir schlägt geballter Zorn entgegen
Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne), dem teilweise Rücktrittsforderungen entgegenschallten, war schnell auf Distanz zu den Ampel-Plänen gegangen, bekam aber geballten Zorn zu spüren. „Ich weiß, dass Sie mit einer Riesenwut hier nach Berlin gekommen sind“, rief er von der Bühne. Klar sei, dass mehr gespart werden müsse, aber eben nicht überproportional in der Landwirtschaft. Er kämpfe „im Kabinett dafür, dass es in dieser Härte nicht kommt.“
Özdemirs kurze Rede wurde mehrfach vom Pfiffen und Zurufen unterbrochen. Rukwied rief zu Respekt auf und bat darum, zuzuhören. Der Minister wandte sich gegen herabwürdigende Äußerungen und mahnte: „Gehen Sie nicht denen auf den Leim, die das radikalisieren wollen.“
Einen Vertrauensverlust in die Regierung sieht Kevin Kühnert derweil aber nicht. „Das ist der normale Gang der Dinge“, sagte er in den „Tagesthemen“. Sollten die Beschwerden auch innerhalb der Koalition nicht nachlassen, „müssten wir tatsächlich noch einmal grundsätzlich darüber sprechen, ob wir uns nicht doch in einer Haushaltsnotlage befinden“. (nak/dpa)