Wahl in Tunesien: Umstrittener Amtsinhaber feiert Erdrutschsieg – Sorge um Zukunft

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Tunesien, Tunis: Der tunesische Präsident Kais Saied (R) gibt seine Stimme in einem Wahllokal während der Präsidentschaftswahlen ab. Der 2019 gewählte Präsident Kais Saied kandidiert für eine Amtszeit von weiteren fünf Jahren. © Khaled Nasraoui / dpa

Der umstrittene Präsident Kais Saied steht vor einem klaren Wahlsieg in Tunesien. Setzt sich nun sein repressiver Kurs fort?

Tunis – In Tunesien nimmt die Sorge um die Demokratie weiter zu. Der Amtsinhaber Kais Saied hat die Präsidentschaftswahl laut Nachwahlbefragungen mit haushoher Mehrheit erneut gewonnen. Die Befragungen von Wählerinnen und Wählern nach ihrer Stimmabgabe am Sonntag ergaben eine Mehrheit von 89,2 Prozent für den amtierenden Staatschef, wie das nationale Fernsehen am Abend meldete. Der seit Jahren zunehmend autoritär herrschende Saied hatte keinen gewichtigen Konkurrenten, deswegen galt seine Wiederwahl von vornherein als ausgemacht. 

Laut den Nachwahlbefragungen des Instituts Sigma Conseil erzielten Saieds einzige zwei Konkurrenten nur geringe Stimmenanteile: Der liberale Unternehmer Ayachi Zammel erhielt demnach 6,9 Prozent, der frühere Abgeordnete Zouhair Maghzaoui bekam 3,9 Prozent der Stimmen. Zammel kandidierte aus dem Gefängnis, wo er seit September einsitzt. Ihm wird vorgeworfen, Unterstützerstimmen gefälscht zu haben, um für die Wahl antreten zu können. Dem Politiker drohen 14 Jahre Haftstrafe. Neben Zammel sind auch andere, wesentlich bekanntere Oppositionspolitiker entweder im Gefängnis oder wurden von der Wahlbehörde von der Kandidatur ausgeschlossen.

Tunesien mit niedrigster Wahlbeteiligung seit Revolution im Jahr 2011

Nach der Veröffentlichung der Nachwahlbefragungen feierten rund 400 Anhänger des Präsidenten im Zentrum der Hauptstadt Tunis seinen Sieg. Sie riefen: „Das Volk will Kais nochmal haben. Der 66-jährige Saied selbst sagte am Sonntagabend in einer Rede vor seiner Wahlkampfzentrale, er wolle „die Revolution von 2011 fortsetzen“ und ein von Korruption und Verschwörungen gesäubertes Land aufbauen. „Tunesien wird frei und unabhängig bleiben und niemals ausländische Einmischung akzeptieren“, fügte er hinzu.

Präsidentschaftswahlen in Tunesien
Eine Frau gibt ihre Stimme in einem Wahllokal während der Präsidentschaftswahlen ab. Der 2019 gewählte Präsident Kais Saied kandidiert für eine Amtszeit von weiteren fünf Jahren. © Khaled Nasraoui / dpa

Das vorläufige offizielle Ergebnis der Wahl soll nach Angaben der Wahlbehörde „spätestens“ am Mittwoch veröffentlicht werden. Die Wahleteiligung an dem Urnengang war schwach. Nach Angaben der Wahlbehörde gaben nur 27,7 Prozent der 9,7 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimmen ab. 

Damals war der Langzeitherrscher Zine El Abidine Ben Ali nach Massenprotesten gestürzt worden. Tunesien ist das Geburtsland des „Arabischen Frühlings“ – der einstigen Serie pro-demokratischer Massenproteste in der arabischen Welt ab Ende 2010.

Tunesiens Machthaber entwickelte sich zu einem zunehmend autoritären Herrscher

Saied war 2019 mit der Mehrheit von 73 Prozent erstmals ins Amt gewählt worden. Die damalige Wahl verlief demokratisch. Seither hat sich der tunesische Präsident jedoch zu einem zunehmend autoritären Herrscher entwickelt. 2021 löste er das Parlament auf, ein Jahr später setzte er den Obersten Richterrat ab und besetzte die Leitung der Wahlbehörde nach seinen Vorstellungen.

Proteste vor den Wahlen in Tunesien
Kritiker bezweifeln, dass die Präsidentschaftswahl in Tunesien nach demokratischen Grundsätzen ablaufen wird. (Archivbild) © Anis Mili/AP

Im Sommer 2022 ließ Saied dann in einem Referendum über eine Verfassungsänderung abstimmen, die ihm praktisch die Rolle des Alleinherrschers sicherte. Ab Februar 2023 wurden Politiker und Geschäftsleute festgenommen, die sich gegen den Staatschef gestellt hatten, 2024 folgten die Festnahmen bekannter Gewerkschafter, Bürgerrechtsaktivisten und Journalisten. 

Nach der jetzigen Wiederwahl Saieds befürchten Kritiker, dass dieser seinen repressiven Kurs weiter verstärkt. „Saied hat versprochen, Verräter und Feinde Tunesiens loszuwerden“, sagte der politische Kommentator Hatem Nafti. „Er wird seine Wiederwahl dafür nutzen, noch mehr Repression zu rechtfertigen.“ (afp/jal)

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