„Ethnische Säuberung“: Gewalt gegen Drusen – nun herrscht in Syrien ein fragiler Waffenstillstand

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Bei Gewalt zwischen Drusen und der syrischen Armee sind wohl Hunderte Menschen gestorben. Gegen einen ersten Waffenstillstand gibt es bereits Widerstand.

Auch mehr als ein halbes Jahr nach dem Sturz des Assad-Regimes kommt Syrien nicht zur Ruhe, immer wieder eskaliert die Gewalt, kommt es zu blutigen Auseinandersetzungen. Zuletzt traf es die Region Suwaida im äußersten Südwesten Syriens. Seit dem Wochenende war es dort zu Zusammenstößen zwischen der syrischen Armee und mehreren Volksgruppen gekommen, darunter Angehörige der religiösen Minderheit der Drusen. Mehr als 350 Menschen seien bei den Auseinandersetzungen getötet worden, berichtet die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte.

Am Mittwoch begann die syrische Armee mit dem Abzug aus der Region. „Gesetzlose Truppen“ seien aus Suwaida „weggefegt“ worden, hieß es am Mittwochabend aus dem Verteidigungsministerium in Damaskus. Syriens Übergangspräsident Ahmed al-Scharaa gab die Verantwortung für die Sicherheit in der Region eigenen Angaben zufolge an örtliche Vertreter. Zudem forderte er eine Aufarbeitung der Ereignisse der letzten Tage. „Wir sind entschlossen, diejenigen zur Rechenschaft zu ziehen, die das Volk der Drusen misshandelt haben“, sagte al-Scharaa am Donnerstag in einer Fernsehansprache. Die Drusen, so al-Scharaa weiter, stünden unter dem Schutz des Staates.

Angehörige der syrischen Armee am Dienstag in der Stadt Suwaida
Angehörige der syrischen Armee am Dienstag in der Stadt Suwaida: Die Soldaten ziehen seit Mittwoch offenbar aus der Region ab. © Bakr Alkasem/AFP

Menschenrechtler: Mehr als 200 Drusen sterben bei Konflikt in Syrien

Begonnen hatte die Gewalt am Sonntag mit Kämpfen zwischen Drusen und sunnitischen Beduinen. Daraufhin schicke die syrische Regierung am Montag Soldaten in die Provinz Suwaida, die am Dienstag schließlich in die gleichnamige Provinzhauptstadt einrückten, woraufhin dort die Gewalt eskalierte. Dabei sei es auch zu Hinrichtungen gekommen, so Menschenrechtler. Zudem hätten syrische Truppen in mehreren Dörfern der Provinz Eigentum zerstört und gestohlen.

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM) spricht in dem Zusammenhang von „ethnischer Säuberung“ und erklärte, lokalen Quellen zufolge seien über 200 Drusen getötet worden. Unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben nicht. „Die neuen syrischen Machthaber und die mit ihr verbündeten islamistischen Rebellen treiben die Islamisierung des Landes gewaltsam voran. Im März wurden Tausende von Alawiten angegriffen und getötet. Jetzt richten sich die Angriffe gegen die sehr bekannte und traditionsreiche drusische Minderheit“, sagte Valerio Krüger, Sprecher der deutschen Sektion der IGFM, am Donnerstag.

Die Drusen sind eine religiöse und ethnische Gemeinschaft, die insbesondere in Syrien, dem Libanon, Israel und Jordanien lebt. Sie praktizieren eine monotheistische Religion, die im 11. Jahrhundert aus dem Islam hervorging, aber auch Elemente des Christentums, der jüdischen Mystik und anderer philosophischer Traditionen enthält.

Drusen-Schutzmacht Israel greift Ziele in Syrien an

Die israelische Regierung versteht sich als Schutzmacht der Drusen. Am Mittwoch griff deshalb auch Israels Armee in den Konflikt ein und flog Angriffe auf ein „militärisches Ziel“ in der Zone des Präsidentenpalastes in Damaskus sowie auf das Hauptquartier der syrischen Armee in der Region um die syrische Hauptstadt. Israel wolle verhindern, dass Syriens Regierung der drusischen Minderheit Leid zufüge, hieß es in einer gemeinsamen Stellungnahme von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Israel Katz. Syriens Übergangspräsident al-Scharaa sprach hingegen von Angriffen „auf zivile und staatliche Einrichtungen“ in Syrien, die zu einer „erheblichen Komplikation“ geführt und die Dinge in Richtung einer „massiven Eskalation“ getrieben hätten.

Auch die USA, die Türkei und mehrere arabische Staaten hatten sich in den Konflikt eingeschaltet. „Wir haben uns auf konkrete Schritte verständigt, die diese besorgniserregende und erschreckende Situation heute Abend beenden“, schrieb US-Außenminister Marco Rubio am Mittwoch auf der Plattform X. Laut Scheich Jussef al-Dscharbuh, einem der drei wichtigsten religiösen Anführer der syrischen Drusen, sieht eine Vereinbarung zu einer Waffenruhe in Suwaida „die vollständige Integration der Provinz“ in „den syrischen Staat“ vor. Ob die angekündigte Waffenruhe hält, ist allerdings fraglich. So lehnte ein weiterer Drusen-Führer, Scheich Hikmat al-Hidschri, die Vereinbarung mit der islamistischen Regierung in Damaskus ab. Auch Israel setzte am Donnerstag seine Angriffe fort. Ob diese im Zusammenhang mit dem Konflikt in Suwaida stehen, ist allerdings unklar (sh/AFP)

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