Donald Trump in allen Punkten schuldig: Die Folgen für den Ex-Präsidenten und die US-Wahl

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Donald Trump wurde verurteilt, eine Gefängnisstrafe steht im Raum. Experten sagen, dass der Republikaner erschreckend folgenlos davonkommen könnte.

New York – Als erster ehemaliger US-Präsident wurde Donald Trump strafrechtlich verurteilt. Im Schweigegeldprozess gegen ihn wurde der 77-Jährige am Donnerstag (30. Mai) von den zwölf Geschworenen in allen Punkten schuldig gesprochen. Wie geht es nun weiter für ihn und seinen Wahlkampf um das Amt des Präsidenten?

Donald Trump im Schweigegeldprozess verurteilt: Experten rechnen nicht mit einer Haftstrafe

Trump wurde von der Jury in allen 34 Anklagepunkten für schuldig befunden, Geschäftsdokumente gefälscht zu haben, um das vor der Wahl 2016 an Stormy Daniels gezahlte Schweigegeld von 130.000 Dollar (nach heutigem Wert etwa 120.000 Euro) zu vertuschen.

Die Zahlung brachte Stormy Daniels dazu, über eine angebliche Sexaffäre Stillschweigen zu bewahren, die sie mit Trump gehabt hatte und welche dieser bestreitet.

Im Schweigegeldprozess gegen Ex-US-Präsident Donald Trump hat die frühere Pornodarstellerin Stormy Daniels ausgesagt.
Im Schweigegeldprozess gegen Ex-US-Präsident Donald Trump hatte auch die Ex-Erotikdarstellerin Stormy Daniels ausgesagt. © Elizabeth Williams/AP/dpa

Die ehemalige Erotikdarstellerin sei nun erleichtert, dass der Prozess vorüber sei, wie die Deutsche Presse-Agentur (dpa) berichtet. Für die 45-Jährige sei das Urteil „wirklich emotional“ gewesen. Ihr Anwalt Clark Brewster selbst sagte zu dem Schuldspruch: „Kein Mensch steht über dem Gesetz, und der selbstlose, fleißige Einsatz jedes einzelnen Geschworenen sollte respektiert und gewürdigt werden.“

Die 34 Straftatbestände beziehen sich auf die einzelnen Geschäftsunterlagen, die nach Überzeugung der Geschworenen gefälscht wurden. Für jeden einzelnen dieser Tatbestände droht Trump theoretisch eine Haftstrafe von bis zu vier Jahren. Da es aber seine erste strafrechtliche Verurteilung ist und es sich nicht um ein Gewaltdelikt handelt, halten Experten eine Gefängnisstrafe für Trump nicht für wahrscheinlich. Sie rechnen mit einer Bewährungs- oder Geldstrafe oder einer Verurteilung zu gemeinnütziger Arbeit.

„Manipulierter Prozess“: Trump beschwert sich über New Yorker Urteil

Trump, der ohne Kaution auf freien Fuß kam, nahm das Urteil im Gerichtssaal in Manhattan zunächst schweigend und mit hängenden Schultern auf. Das geht aus einer Meldung der dpa hervor. Beim Hinausgehen sprach er vor Reportern von einer „Schande“ und von einem „manipulierten Prozess“. Das „wahre Urteil“ werde am 5. November bei der US-Wahl an den Wahlurnen gefällt, sagte Trump. Er sei unschuldig. „Ich kämpfe für unser Land. Ich kämpfe für unsere Verfassung.“

Kurz nach der Urteilsverkündung veröffentlichte Trumps Kampagne einen Spendenaufruf mit dem Titel „Ich bin ein politischer Gefangener!“ Der Trump-Anhänger und republikanische Vorsitzende des US-Repräsentantenhauses, Mike Johnson, sprach von einem „beschämenden Tag in der Geschichte Amerikas“.

Einer von Trumps Anwälten, Todd Blanche, kündigte im US-Sender CNN an, so schnell wie möglich nach der Verkündung des Strafmaßes im Juli Berufung einzulegen. Ein Berufungsverfahren könnte sich über Monate hinziehen, wahrscheinlich bis nach der Präsidentschaftswahl.

Richter Juan Merchan erlegte dem Ex-Präsidenten nach dem Schuldspruch keine Restriktionen seiner Bewegungsfreiheit auf. Diese Verfügung gilt aber vorerst nur bis zum 11. Juli. Dann will Merchan das Strafmaß für den Ex-Präsidenten verkünden.

Als Präsident kandidieren und das Amt ausüben: Kurioserweise auch aus dem Gefängnis möglich

Der Termin für die Strafmaßverkündung liegt nur vier Tage vor dem Parteitag der Republikaner, bei dem Trump voraussichtlich als Präsidentschaftskandidat nominiert werden wird. Trump will bei der Wahl am 5. November erneut gegen Präsident Joe Biden antreten, der ihn 2020 besiegt hatte. 

Ein verurteilter Straftäter als Präsident? Geht nicht? Geht doch. Trotz seiner Verurteilung als Straftäter darf Trump weiter für das Präsidentenamt kandidieren. Und es geht sogar noch weiter: Wenn Trump tatsächlich ins Gefängnis gehen sollte, könnte er sogar von dort aus für das Präsidentenamt kandidieren: Die US-Verfassung verbietet es nicht. Auch das Amt dürfte er in Haft ausüben. Ein solches Beispiel aus der US-Geschichte gibt es sogar: Der Sozialist Eugene Debs bestritt die Präsidentschaftswahl 1920 aus dem Gefängnis, wenn auch erfolglos. 

Die Verfassung schreibt nur drei Anforderungen vor: Anwärter müssen qua Geburt US-Bürger sein, mindestens 35 Jahre alt und seit mindestens 14 Jahren in den USA leben. Andere Vorgaben gibt es nicht.

Donald Trump gestikuliert, als er am 30. Mai 2024 nach seiner Verurteilung in seinem Strafprozess in New York City wieder im Trump Tower ankommt.
Donald Trump reckt die rechte Faust in die Höhe, als er am Donnerstag (30. Mai) nach seiner Verurteilung in seinem Strafprozess in New York City wieder im Trump Tower ankommt. © Timothy A. Clary/AFP

Dass Trump am Ende tatsächlich ins Gefängnis kommen könnte, halten Experten trotz des Schuldspruchs aber ohnehin für eher unwahrscheinlich. Es ist Trumps erste strafrechtliche Verurteilung und es handelt sich nicht um ein Gewaltdelikt. Der Richter könnte die Strafe zur Bewährung aussetzen, Hausarrest verfügen, am Ende nur eine Geldstrafe verhängen. Auch könnte er Trump zu gemeinnütziger Arbeit verpflichten.

Berufung im Schweigegeldprozess angekündigt: Prozedere könnte sich über Monate hinziehen

Auch die bereits angekündigte Berufung könnte zu deutlichen Verzögerungen führen. Denn das Prozedere wird sich voraussichtlich über Monate hinziehen. Es gilt als wahrscheinlich, heißt es weiter in der Meldung, dass bis zum Wahltermin am 5. November gar kein rechtskräftiges und damit finales Urteil vorliegt.

Es könnte zwar zu der bizarren Situation kommen, dass der Bewerber für das höchste Amt im Staat mitten im Wahlkampf Bewährungsauflagen einhalten muss, sich nur begrenzt bewegen darf oder womöglich Sozialstunden ableisten muss. Ansonsten steht ihm der Schuldspruch aber rein technisch bei der Wahl nicht im Weg.

Politische Auswirkungen des Urteils noch nicht absehbar: Biden appelliert an Wahl der Demokraten

Das Weiße Haus erklärte nach dem historischen Urteil, es respektiere die Rechtsstaatlichkeit, weiter äußerte es sich nicht. Von Seiten des Wahlkampfteams Bidens hieß es, das Urteil zeige, dass niemand über dem Gesetz stehe. Es ändere jedoch nichts daran, dass die Menschen in den USA mit einer „einfachen Realität“ konfrontiert seien: „Es gibt weiterhin nur einen Weg, Donald Trump aus dem Oval Office herauszuhalten: an der Wahlurne.“

Die politischen Auswirkungen des Urteils sind nach Angaben eines Beobachters derweil noch nicht abzusehen, wie die Nachrichtenagentur AFP schreibt. Keith Gaddie, Professor an der Texas Christian University, sagte, es werde vermutlich keine allzu große Bewegung bei den Wählerstimmen geben.

In landesweiten Umfragen liegt Trump seit Wochen ein bis zwei Prozentpunkte vor dem demokratischen Amtsinhaber Joe Biden. Daran hatte auch der Prozess in New York nichts geändert, obwohl dieser pikante Details über Trumps Sexleben und dubiose Geschäftspraktiken offenlegte. Ob dies also das Blatt wenden könnte, ist offen. Trumps Hardcore-Anhänger stehen ohnehin eisern zu ihm. Und generell sind große Teile der US-Bevölkerung eher unbeeindruckt von seinen Fehltritten. 

Unterstützer reagieren, als der republikanische Präsidentschaftskandidat und ehemalige US-Präsident Trump bei einer Wahlkampfveranstaltung in Freeland, Michigan, spricht.
Trump-Anhänger halten eisern zu dem verurteilten Verbrecher. Sein Erfolg bei den Präsidentenwahlen im November 2024 dürften durch das Urteil im Schweigegeldprozess nicht allzu sehr gedämpft werden. © picture alliance/dpa/AP | Paul Sancya

Es sind weitaus schlimmere Dinge über Trump bekannt als die Fälschung von Geschäftsunterlagen zur Verschleierung einer Schweigegeldzahlung an einen Pornostar – ohne dass ihm irgendwas davon politisch etwas anhaben konnte. 

Wohl der Höhepunkt: Vor den Augen der Welt versuchte Trump nach der Präsidentenwahl 2020, die Niederlage gegen Biden umzukehren, und stachelte seine Anhänger zu einem Angriff auf das US-Kapitol an. Wegen versuchter Wahlmanipulation und anderer schwerwiegender Vorwürfe laufen drei weitere Strafverfahren gegen ihn. Und erst vor ein paar Monaten wurde Trump in einem Zivilprozess zu einer Millionen-Zahlung verurteilt, weil er nach Feststellung des Gerichts eine Frau in den 1990er-Jahren sexuell missbraucht und später verleumdet hatte. 

Trump-Anhänger und Partei weiterhin auf Trumps Seite: Jetzt-erst-recht-Mentalität

Nichts davon beendete seine politische Karriere. Im Gegenteil: Trump hat es zur Paradedisziplin gemacht, jeden rechtlichen Vorwurf in einen persönlichen Vorteil umzumünzen, sich als „Märtyrer“ zu inszenieren, seine Anhänger so zu mobilisieren und seine Spendensammlungen anzutreiben. Das schreibt die dpa.

Sein Narrativ, das politische Establishment versuche ihn mit juristischen Mitteln auszuschalten, verfängt bei vielen Amerikanern. Ein Schuldspruch macht es im Trump-Universum auf abstruse Weise quasi nur noch stärker und befeuert dort eine Jetzt-erst-recht-Mentalität, wie Reaktionen von Trump-Anhängern nach dem Schuldspruch zeigen. 

Und die Republikaner selbst? Der Ex-Präsident habe seine Partei fester im Griff denn je, trotz aller Skandale. Nach dem Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 sah es für einen kurzen Moment so aus, als sei er politisch für immer erledigt. Damals gingen selbst treue Weggefährten zunächst auf Distanz zu ihm.

Jake Angeli, der QAnon Schamane beim Sturm aufs Kapitol in Washington DC am 6. Januar
Viele Trump-Anhänger haben im Januar 2021 das Kapitol in Washington gestürmt. Das hatte weltweit für Empörung und Erschrecken gesorgt. © Saul Loeb/afp

Doch aus Angst vor der Parteibasis, die dem Republikaner zum Teil blind folgt, kehrte einer nach dem anderen zurück an Trumps Seite. Sein Durchmarsch bei den parteiinternen Präsidentschaftsvorwahlen hat gezeigt, dass er der klare Frontmann der Republikaner ist.

Auch eine Abkehr durch den Schuldspruch gilt laut dpa als unwahrscheinlich: Trump ließ in New York demonstrativ reihenweise Parteikollegen auflaufen zur obligatorischen Solidaritätsbekundung – vor allem jene, die in seiner möglichen nächsten Regierung etwas werden wollen. 

Trump kommt trotz Verurteilung erstaunlicherweise womöglich ohne größeren Schaden davon

So erstaunlich diese historische Verurteilung eines Ex-Präsidenten und aktuellen Präsidentschaftsbewerbers also ist, umso erstaunlicher ist, dass Trump womöglich ohne größeren Schaden davonkommen wird. Und dass er seinen Versuch, wieder ins Weiße Haus einzuziehen, vorerst unbeirrt fortsetzen kann. 

Diesen Fakt greift auch das US-amerikanische Magazin The New Yorker auf, mit einer kleinen Vorschau auf X, ehemals Twitter. Demnach wird das Cover für die Ausgabe nächste Woche so aussehen:

Trump ist noch in drei weiteren Fällen strafrechtlich angeklagt. In zwei Verfahren in der Hauptstadt Washington und im Bundesstaat Georgia geht es um seine Versuche, den Wahlausgang von 2020 umzukehren. In einem weiteren Verfahren in Miami ist er angeklagt wegen der unrechtmäßigen Aufbewahrung hochsensibler Regierungsunterlagen.

Die Vorwürfe in diesen drei Fällen sind weitaus schwerwiegender als die im New Yorker Prozess. Einer der Anklagepunkte unter vielen: Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten. Doch mit Verzögerungstaktik und juristischen Winkelzügen hat Trump es geschafft, sämtliche dieser Verfahren zu torpedieren und den Prozessauftakt in allen drei Fällen hinauszuschieben. 

Drei weitere Prozesse gegen Donald Trump: Könnte sich als Präsident selbst begnadigen

Der bedeutsame Wahlbetrugs-Prozess gegen ihn in Washington steht sogar komplett auf der Kippe. Denn zunächst muss nun der Supreme Court als höchstes Gericht der Vereinigten Staaten darüber entscheiden, ob Trump nicht möglicherweise immun gegen Strafverfolgung in dem Fall ist. Das dürfte dann auch Auswirkungen auf die beiden Verfahren in Georgia und Florida haben. Momentan sieht es danach aus, dass keiner dieser Prozesse überhaupt vor dem Wahltag stattfinden wird.

Sollte Trump die Wahl gewinnen, hätte er als Präsident dann das Recht, sich selbst zu begnadigen. Dies gilt jedoch nur für Fälle nach dem Bundesrecht und nicht dem Recht der einzelnen Bundesstaaten. Die Möglichkeit der Selbst-Amnestie hätte Trump somit zwar in einem der zwei Fälle zu seinem Vorgehen gegen den Wahlsieg Bidens und in dem Verfahren zur Dokumentenaffäre. Von der Verurteilung im Schweigegeldprozess könnte sich Trump jedoch nicht selbst freisprechen: In diesem Verfahren gilt das Recht des Bundesstaats New York. (Rebecca Fulle, dpa, AFP)

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