Gewalt in Hamburg: Polizei warnt vor „Revierverhalten“ und „Gangsta-Lifestyle“
Die Szenen vom Wochenende sind verstörend: Drei Polizisten wollen einen Mann (19) im Hamburger Stadtpark festnehmen, nachdem dieser einen 17-Jährigen mit einem Messer lebensgefährlich verletzt hat. Plötzlich geht eine größere Gruppe auf die Beamten los, tritt auf sie ein. Ein Polizist wird dabei laut Pressemitteilung mit einer Zeltstange verletzt. Insgesamt 20 Menschen sollen an der Auseinandersetzung beteiligt gewesen sein.
Doch ganz so eindeutig wie im Video, das von dem Vorfall kursiert, gestaltet sich die Situation offenbar nicht.
„Auf Basis der bislang vorliegenden Erkenntnisse ist davon auszugehen, dass die Angriffe nicht primär und gezielt den Einsatzkräften gegolten haben dürften, sondern dem 19-jährigen Tatverdächtigen“, sagt ein Sprecher der Hamburger Polizei auf Nachfrage von FOCUS online. Der 19-Jährige soll einen anderen Jugendlichen der Gruppe mit einem Messer verletzt haben. Gegen ihn wurde inzwischen Haftbefehl erlassen.
Hamburg: Jugendliche umringen Polizisten im Stadtpark - neues "Revierverhalten"
Für Polizeigewerkschafter Lars Osburg und seine Kollegen entsteht deshalb ein Eindruck, der nicht minder alarmierend ist als gezielte Gewalt gegen Einsatzkräfte: Die GdP wertet den Angriff als Form der Selbstjustiz.
„Das Grundproblem ist der fehlende Respekt vor der Staatsmacht“, sagt der Hamburger Gewerkschaftsvize im Gespräch mit FOCUS online. Die Polizisten beobachten demnach zunehmend, wie Jugendgruppen in Hamburg ein „Revierverhalten“ bilden. So wie nun im Stadtpark zu sehen, den die Polizei bisher nicht als Kriminalitätsschwerpunkt identifiziert habe.
„Sie lassen sich vom Gangsta-Rap inspirieren“
Viele der Jugendlichen kämen aus Familien, die sozioökonomisch schlechter gestellt seien, so die Erfahrung aus der Praxis. Daher suchten sie die Anerkennung, die sie zu Hause nicht erhielten, im öffentlichen Raum.
„Sie lassen sich vom Gangsta-Rap und dem vermittelten Lifestyle inspirieren“, beschreibt Osburg; dort gelte die Staatsmacht als Feindbild.
Er geht davon aus, dass sich zwei solcher Gruppen wegen des guten Wetters im Stadtpark aufhielten und begegneten. Die Situation sei in der Dynamik eskaliert und habe sich dann auch gegen die Einsatzkräfte gerichtet. Zu Gangstrukturen gebe es bisher zumindest keine Hinweise.
Jugendgruppen in Hamburg: „Sie verhalten sich wie Hooligans“
Für die Polizisten, die als Erste am Tatort eintreffen, bedeute dieser fehlende Respekt zunehmend eine Gefahr. „Sie verhalten sich wie Hooligans“, sagt Osburg über die Jugendgruppen und warnt: „Aus Profilierungssucht können rechtsfreie Räume entstehen.“
Dabei habe die Polizei in anderen Bereichen wie dem Jungfernstieg erste Erfolge verzeichnet und die Kriminalität durch erhöhte Präsenz eindämmen können.
Erschwerend kommen dem GdP-Vize zufolge die Videos der Einsätze in den sozialen Medien hinzu. Sie würden oft nur den Ausschnitt zeigen, in dem die Polizei Gewalt anwende – ohne Kontext oder Vorgeschichte. Stattdessen seien sie versehen mit Kommentaren, dass das Verhalten unverhältnismäßig sei. Dadurch sinke der Respekt gegenüber den Polizisten weiter.
Polizist: „Wenn eine Situation wie im Stadtpark eskaliert, muss die Polizei eingreifen“
Osburg stellt klar: „Wenn eine Situation wie im Stadtpark eskaliert, muss die Polizei eingreifen.“ Für alle Beteiligten müsse dann auch klar sein, dass sie das Recht nicht selbst in die Hand nehmen könnten – das sei einzig die Aufgabe der Polizisten.
Die GdP fordert Umstehende deshalb eindringlich auf, sich nicht mit den Krawallmachern zu solidarisieren. Vielmehr sollten sie „eine ablehnende Haltung demonstrieren und sich schützend vor ihre Polizei stellen“, fordert der Hamburger GdP-Landesvize. Dabei spricht die Gewerkschaft auch von einem Zusammenhang zwischen zunehmender Selbstjustiz und Personalmangel bei der Polizei.