Betreiber warnen: Gasspeicher sind für den Winter nicht ausreichend gefüllt
Vor drei waren die Füllstände der deutschen Gasspeicher fast täglich eine Meldung wert. In der Energiekrise nach Ausbruch des Ukraine-Kriegs bestand die reale Gefahr, dass die Speicher bis zum Wintereinbruch nicht ausreichend gefüllt sein könnten, um alle deutschen Haushalte und die Industrie durch die kalte Jahreszeit zu bringen. Die Ampel-Koalition entwarf sogar Notfallpläne. Am Ende ging alles gut und die Speicherstände wurden in den Folgejahren - wie schon davor - kaum noch beachtet.
Aktuell spielen sie wieder eine Rolle. Der Verband der Gasspeicherbetreiber mit dem Namen „Initiative Energien Speichern“ (kurz: INES) warnte diese Woche in einer Pressemitteilung davor, dass die deutschen Speicher bis zum Wintereinbruch nur noch auf maximal 70 Prozent gefüllt werden könnten – das wäre zu wenig für einen sehr kalten Winter. Traditionell werden die Gasspeicher in den Sommermonaten aufgefüllt. Zu dieser Zeit des Jahres ist Erdgas auf dem Weltmarkt günstiger als im Winter, wenn die Nordhalbkugel das Gas zum Heizen braucht.
Darum sind die Speicherstände niedriger als im Vorjahr
Doch dieses Jahr füllen sich die Speicher schleppender als sonst. Der EU-Dachverband der Betreiber, GIE, meldet für Deutschland Anfang Juli einen durchschnittlichen Füllstand von 53 Prozent, INES spricht von 51 Prozent. Im Durchschnitt der Jahre 2017 bis 2021 waren es zu diesem Zeitpunkt bereits rund 65 Prozent.

Die Diskrepanz entsteht aus zwei Gründen: Erstens verbrauchte die Industrie im vergangenen Winter mehr Gas als üblich. So entleerten sich die Speicher bis Ende März auf 29 Prozent ihrer Kapazität. In den Jahren zuvor waren es sonst 39 Prozent.
Das Wiederauffüllen verläuft dieses Jahr aber nur schleppend. Speicherstände wie im vergangenen Jahr, als die Lager zu Beginn der Heizperiode Ende Oktober fast vollständig gefüllt waren, wird es dieses Jahr aber wohl nicht geben. Schuld daran sind mehrere Faktoren:
- Der Krieg zwischen Israel und dem Iran hat die Gaspreise zu einem ungünstigen Zeitpunkt ansteigen lassen. Um rund 15 Prozent schoss der Preis für die Megawattstunde Mitte Juni am für Deutschland entscheidenden niederländischen Handelspunkt TTF nach oben. Mittlerweile liegt er nur noch leicht höher als vor dem Krieg. Zwar bezieht Deutschland kaum Gas aus der Krisenregion am Persischen Golf, doch die Sorge davor, dass der Iran die Straße von Hormus sperren könnte, ließ die globalen Preise ansteigen. Über die Meerenge exportiert etwa Katar sein Erdgas für den Weltmarkt.
- Schon vor dem Krieg war Gas teuer: Bis vergangene Woche bewegten sich die Gaspreise monatelang in einem Band zwischen 35 und 42 Euro pro Megawattstunde. Ein Jahr zuvor waren es zum selben Zeitpunkt zwischen 30 und 35 Euro. Das führt dazu, dass Energieversorger mit dem Kauf von zusätzlichem Gas lieber noch abwarten.
- Flüssiggas (LNG) wird immer attraktiver: Durch die in den Vorjahren eröffneten LNG-Terminals an der Nordsee importiert Deutschland immer mehr Flüssiggas, vor allem aus den USA. Das ist meist etwas billiger als Erdgas und wird im Gegensatz zu diesem nicht in Speichern zwischengelagert, sondern dann geliefert und ins Netz eingespeist, wenn es gebraucht wird – also im Winter. Parallel zu den Erdgasimporten sind in den vergangenen Wochen auch die Mengen an importiertem LNG wieder gestiegen.
Was bedeuten die leeren Speicher für den Winter?
Die Gasspeicher müssen zum Beginn der Heizperiode im Oktober nicht zu 100 Prozent gefüllt sein. In den Jahren 2017 bis 2021 ging es im Schnitt nie über 90 Prozent. Dieses Jahr droht jedoch ein Engpass: „Auf Basis der derzeit vermarkteten Kapazitäten können die Gasspeicher noch zu 70 Prozent befüllt werden“, sagt INES. Das aber wäre zu wenig, um sicher durch den Winter zu kommen. Fällt der so milde aus wie in den vergangenen Jahren, gäbe es kein Problem. Erleben wir aber einen knackig-kalten Winter wie etwa zum Jahreswechsel 2010/11, dann reichen 70 Prozent nicht aus. „Bei einem extrem kalten Winter werden die Speicher bereits bis Ende Januar 2026 vollständig entleert“, warnt INES.
Sorgen machen muss sich deswegen noch niemand. Schließlich berechnet INES nur das rein marktwirtschaftliche Szenario, davon ausgehend, wie viel Gas-Kapazitäten private Unternehmen jetzt schon gebucht haben. Erstens können sie jederzeit mehr Kapazitäten hinzubuchen und zweitens kann im Notfall der Staat einschreiten und Energieversorger entweder zum Einkauf von mehr Gas zwingen oder selbst auf dem Markt aktiv werden und die Speicher füllen – und das Gas dann später an Versorger verkaufen. Möglich ist auch, mehr Flüssiggas passend im Winter einzukaufen. Nach gesetzlichen Vorgaben müssen die Speicher Anfang Oktober einen Füllstand von 85 Prozent aufweisen, Anfang November dann von 95 Prozent und Ende Januar noch von 30 Prozent. „Allerdings ist eine vollständige Befüllung der Gasspeicher schon heute technisch nicht mehr möglich“, warnt INES in einer aktuellen Szenarioanalyse.
Wichtig für Verbraucher ist die Frage, zu welchem Preis das Erdgas bis dahin importiert werden kann. „Die Schwankungen des Gaspreises sind weiterhin viel höher als im Zehnjahresschnitt“, schrieb der Experte Greg Molnár von der Internationalen Energie-Agentur (IEA) zuletzt auf LinkedIn. Das liegt vor allem an den zahlreichen geopolitischen Krisen, aber auch daran, dass Gas immer mehr statt Kohle als Back-Up für erneuerbare Energien verwendet wird. Da Erdgas dann stärker benötigt wird, wenn Solar und Wind nicht genug Energie liefern, können die Preise dafür kurzzeitig stark schwanken.
Das macht den Job für diejenigen schwieriger, die das Gas in großen Mengen für Energieversorger einkaufen und in den Gasspeichern bis zum Winter lagern müssen. Damit dies etwas einfacher wird, ändert die EU die Regeln für Speicherstände. Die Ziele sollen flexibler erreichbar sein und größere Abweichungen gestattet werden. So könnten Energieversorger freier auf niedrigere Preise spekulieren - was am Ende den Verbrauchern zugutekäme.
Sollten die gesetzlichen Mindestfüllstandsvorgaben über diese Marktmechanismen jedoch nicht erreicht werden, müsste die extra dafür gegründete Trading-Hub-Europe (THE) eingreifen. Diese Kooperation deutscher Gasnetzgesellschaften stellt siet 2022 im Auftrag des Staates die Gasversorgung in Deutschland sicher. THE würde im Ernstfall auch Gas auch über dem Marktpreis zukaufen, um etwaige Lücken zum Plan zu schließen. Diese Mehrkosten werden in Form der Gasspeicherumlage auf alle Verbraucher umgelegt. Die Umlage wurde zuletzt am 1.7.2025 gesenkt und beträgt aktuell 0,289 Cent je Kilowattstunde. Auf dem Gasspeicherumlagekonto auf der Website der THE ist zu sehen, dass die Mehrkosten zuletzt tatsächlich deutlich gesunken waren.
Ob es am Ende gelingt, die Gasspeicher ohne die THE, allein über den freien Markt zu füllen, wird stark vom Verlauf des Israel-Iran-Krieges abhängen. Bisher, so Molnár, würden die Gashändler noch die Risiken abwägen, die aus dem Konflikt entstehen. Nach dem jetzigen Stand sieht es aber so aus, als müssten sich Verbraucher auf leicht höhere Preise als im vergangenen Winter einstellen.