„Ich sage, was ich denke“: Freie-Wähler-Landrat macht Wahlwerbung für CSU-Kandidaten – jetzt erklärt er sich
Landrat Josef Niedermaier (Freie Wähler) hat in einer bezahlten Anzeige Wahlwerbung für die CSU gemacht. Im Interview erklärt er, wie es dazu kam.
Bad Tölz-Wolfratshausen – Selten hat eine Wahlwerbung für derartiges Aufsehen gesorgt: Am vergangenen Freitag kündigte Freie-Wähler-Landrat Josef Niedermaier in einer bezahlten Anzeige an, bei der Bundestagswahl am kommenden Sonntag, 23. Februar, den CSU-Direktkandidaten Alexander Radwan zu wählen und nicht Felix Leipold von den Freien Wählern. Das sorgte vor allem in den eigenen Reihen für massiven Unmut. Der eine oder andere Leser vermutete allerdings auch, dass die Anzeige gefälscht worden sein könnte. Doch Niedermaier – seit 17 Jahren Landrat von Bad Tölz-Wolfratshausen – steht zu seiner Aussage, erklärt im Interview aber auch, warum es wichtig ist, hier über Parteigrenzen hinaus zu denken.
Die Wahlwerbung, in der Sie ankündigen, dass Sie als Freier Wähler Alexander Radwan (CSU) wählen, hat für einiges Aufsehen gesorgt. Sind Sie der CSU beigetreten?
Um Himmels Willen, nein, werde ich auch nicht! Die kommunalen Themen und Probleme wie Finanzen, Soziallasten, Zukunft Krankenhäuser und so weiter spielen in der Berliner Politikblase leider eine untergeordnete bis keine Rolle. Alle Landräte und Bürgermeister brauchen über Parteigrenzen hinweg in Berlin einen Ansprechpartner, der dort über Netzwerke verfügt und uns Zugänge in die Administrationen und Ministerien verschafft. Denn dort werden die für uns dann entscheidenden Gesetze und Verordnungen formuliert. Mit Alexander Radwan haben wir im Oberland dafür einen starken Partner. Nochmals: unabhängig von Parteiinteressen.
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„Reaktion von Verärgerung bis zu Verständnis“: Freie-Wähler-Landrat erklärt Wahlwerbung für CSU
Ich könnte mir vorstellen, dass bei den Freien Wählern nicht jeder begeistert über die Anzeige war. Wie sind die Reaktionen ausgefallen?
Die Reaktionen reichen von verständlicher starker Verärgerung, vor allem bei den mit Felix Leipold engagiert Wahlkämpfenden, bis zu Verständnis. Den Ärger und das Unverständnis über mein Handeln verstehe ich in der Situation sehr wohl, aber in meinen Augen muss und sollte es auch gerade in der jetzigen heißen Phase Platz für Argumente, Diskussion und Entscheidungen um Bedürfnisse geben, die nicht nur den plakativen Wahlkampfthematiken entsprechen.
Mit Blick auf die Reaktionen: Würden Sie sich noch einmal für eine derartige Anzeige zur Verfügung stellen?
Meine politische Grundeinstellung ist jetzt seit fast 30 Jahren: Ich sage, was ich denke und tue, auch wenn es weh tut. Wenn ich die Emotionalität, die durch die Anzeige ausgelöst wurde, sehe, dann kommen mir schon Zweifel. Aber wenn ich andererseits über die jetzt das erste Mal greifende Wahlrechtsänderungen nachdenke, durch die nur die Direktkandidaten in den Bundestag einziehen, die ein hohes Stimmenergebnis haben, dann schwingt die Sorge schon mit, dass wir keinen starken Direktkandidaten aus dem Oberland mehr haben. Und das wäre ein Supergau für die kommunale Familie.
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Die Fragen stellte: Veronika Ahn-Tauchnitz