Trumps Kehrtwende bei Sanktionen – dramatische wirtschaftliche Folgen für Europa?
Die EU hat sich auf neue Sanktionen gegen Russland geeinigt. Washington dagegen macht einen Rückzieher. Was bedeutet das für Europas Wirtschaft?
Washington – Noch vor wenigen Tagen hieß es, die Europäische Union (EU) und die USA wollten neue Strafmaßnahmen gegen Russland erheben. Der Grund: Kreml-Chef Wladimir Putin bemüht sich nicht um eine Waffenruhe im Ukraine-Krieg. Im Gegenteil; die Drohnenangriffe finden mit ungekannter Intensität statt. Vonseiten der EU kam es vor wenigen Tagen zu einer Einigung. US-Präsident Donald Trump aber schockte seine Verbündeten einmal mehr – nach einem Telefonat mit Putin gab er an, von neuen Sanktionen abzusehen. Das Weiße Haus gab wirtschaftliche Gründe an. Was heißt Trumps Rückzieher für Europas Wirtschaft?
Export-Sanktionen der EU – USA hat eher wenig Gewicht
Hinsichtlich der wirtschaftlichen Sanktionen, die etwa Ein- oder Ausfuhr bestimmter Produkte aus oder nach Russland betreffen, dürfte sich in dem Fall nicht viel ändern. Nur, weil Trump keine neuen Sanktionen einsetzt, heißt das nicht, dass die EU nicht eigenständig neue russische Produkte verbieten oder etwa sich völlig von Gaslieferungen des Kremls lösen kann. Tatsächlich treten die USA beim Handelsvolumen als Leichtgewicht auf. Im Jahr 2021, dem letzten Jahr vor Russlands Invasion, hatten die USA 3,6 Prozent der russischen Exporte aufgenommen. Andersherum stellten die Staaten nur 5,9 Prozent der russischen Importe.

In der EU sieht das anders aus. Die Union war viele Jahre lang Russlands wichtigster Handelspartner. Politico sprach hier noch von 40 Prozent Exportanteil auf beiden Seiten. Handelsbeschränkungen aus der EU wiegen darum wesentlich schwerer als die aus Washington. Vielen russischen Firmen, die auf High-Tech-Güter aus der EU angewiesen sind, bereitete dies Kopfschmerzen. Gleichermaßen schmerzen diese Sanktionen Firmen, die auf EU-Abnehmer bauen. Ein Beispiel dafür ist der russische Maschinenbauer Rostselmash, der zuletzt Entlassungen und Beurlaubungen durchführen musste. In der russischen Luftfahrtbranche fehlen mittlerweile die Ersatzteile, sodass die Airline S7 31 von ihren 39 Airbus A320neos am Boden halten muss.
Bei den Energieexporten ist diese Diskrepanz noch höher. Zwar stellt der Kreml gern die europäische Energiekrise als Beispiel dafür heran, wie viel Macht Russland über Europa via Energie hat, aber russischen Unternehmen entgingen seitdem viele Milliarden. Selbst der Gas-Titan Gazprom musste bereits auf Massenentlassungen zurückgreifen.
USA wollen Ukraine weiter unterstützen – bestehende Sanktionen bleiben
Wo die USA dagegen stärker sind als viele EU-Staaten, sind die Waffenlieferungen – zuzüglich militärischer Ausrüstung und Geheimdienstinformationen. Laut dem US-Außenminister Marco Rubio wird sich daran nichts ändern. Allerdings hatten die USA bereits einmal eine Blockade der Geheimdienstinformationen durchgeführt, die dazu beitrug, dass die Ukraine sich aus der russischen Region Kursk zurückziehen musste.
Zudem wollen die USA bereits seit 2022 bestehende Sanktionen nicht anrühren – diese drücken also weiter auf Russlands Wirtschaft. Unter anderem haben die USA Russland vom SWIFT-Bankensystem ausgeschlossen und sich per G7 am Preisdeckel auf russische Öl-Exporte beteiligt. Die Sekundärsanktionen der USA sorgten im Frühjahr 2025 außerdem dafür, dass selbst enge Russland-Partner wie China oder Indien bestimmte Häfen für russische Frachtschiffe sperrten.
Debatte um Öl-Preisdeckel – ziehen die G7 die Sanktionen an?
Hier kommen wir zu den Maßnahmen, die eine US-Weigerung der Eskalation tatsächlich betreffen könnte. Der Preisdeckel von 60 Dollar pro Barrel ist, wie erwähnt, ein G7-Beschluss, und ohne die Zustimmung der USA könnte es sein, dass es nicht zu einer Anpassung kommt. Kurz zur Erklärung: Mitte Mai hatten sich die Staaten der Europäischen Union darauf geeinigt, den Preisdeckel erstmalig von 60 US-Dollar pro Barrel auf 50 Dollar anzupassen. Diese Maßnahme soll Russlands Einnahmen aus dem Ölverkauf beschneiden.
„Druck auf Russlands Kriegsmaschinerie ist so dringend notwendig wie nie zuvor“, zitierte Bloomberg das Finanzamt des Vereinigten Königreichs am Mittwoch (21. Mai) dazu. Kurz zuvor hatten sich die G7-Finanzminister in Banff, Kanada, getroffen. „Putin hat darin versagt, in gutem Vertrauen mit (dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr) Selenskyj Gespräche aufzunehmen und zu versuchen, einen Waffenstillstand in Putins illegalen und brutalen Krieg zu verhandeln.“
Die G7-Länder (Vereinigtes Königreich, die USA, Deutschland, Frankreich, Italien, Kanada und Japan) haben zuvor neue Wege untersucht, wie sich der Preisdeckel anpassen lässt. Aktuell dürften westliche Akteure nur dann Öl aus Russland versichern und transportieren, wenn es unter dem Deckel von 60 US-Dollar pro Barrel bezahlt wurde.
Sekundär-Sanktionen der EU – legt sich Europa mit China an?
Die zweite große Maßnahme, bei der EU und USA an einem Strang ziehen müssen, sind Sekundärsanktionen. Dabei geht es darum, Länder zu sanktionieren, die russisches Öl jenseits des Preisdeckels kaufen oder auf andere Weisen dabei mitwirken, westliche Sanktionen zu umgehen. Solche Sanktionen könnten große Importeure wie China oder Indien treffen. Die EU hatte sich hier noch zurückgehalten, während die USA vorlegten.
Sollte sich die EU dazu entschließen, ebenfalls solche Sanktionen aufzulegen, könnten verschiedene Wirtschaftsbereiche deutliche Verteuerungen sehen. Ein Beispiel dafür ist die Industrieproduktion – diese ist etwa auf chinesische Seltene Erden angewiesen, und bei denen hat China eine enorme Marktmacht.
Ungarn als Sanktionen-Risikofaktor – fallen Sanktionen im Juli?
Die drastischste Auswirkung von Trumps Kehrtwende dagegen könnte die europäische Einigkeit betreffen. Ohne die Unterstützung der USA bei Sanktionen könnte Ungarn sich sicher genug fühlen, um die Strafmaßnahmen der EU zu blockieren. Im Juli steht eine Erneuerung der EU-Sanktionen gegen Russland bevor, und hier ist Einstimmigkeit gefragt. Wenn Ungarn sein Veto einlegt, könnte die Union eine ihrer wichtigsten Karten verlieren: die über 200 Milliarden Euro an eingefrorenen Assets, die der russischen Zentralbank gehören.
Zwar könnten einige Länder, darunter das Baltikum, eigene Sanktionen auf nationaler Ebene einführen, aber viele andere haben laut dem britischen Guardian nicht den rechtlichen Rahmen dafür. Offizielle suchen offenbar nach Maßnahmen, um die Sanktionspolitik „ungarnsicher“ zu gestalten. Zum Beispiel könnte die EU hohe Zölle auf russische Waren legen, anstatt Sanktionen zu bemühen, denn diese Entscheidung braucht lediglich eine Mehrheit. Allerdings besteht Hoffnung, nicht auf diesen Plan B zurückgreifen zu müssen.
Schlussendlich ist Russland der einzige Gewinner von Trumps Sinneswandel. Die gemeinsamen westlichen Sanktionen haben Russlands Wirtschaft sichtbar zugesetzt – jetzt hat Putin es geschafft, größeren Schaden vorerst abzuwenden.