100 Tage im Amt: Merz punktet im Ausland – doch der Kanzler beginnt zu straucheln

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Kanzler Merz will Deutschland international wieder relevant machen und versprach starke Außenpolitik. Nach 100 Tagen im Amt sieht es schwierig aus.

Berlin – Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) versprach vor seinem Amtsantritt immer wieder einen „Politikwechsel“ – nicht zuletzt in der Außenpolitik. Die schwarz-rote Koalition mit der SPD sollte demnach die Fehler aus der Ära Olaf Scholz (SPD) aufarbeiten und Deutschland wieder zu einem wichtigen Akteur auf der Weltbühne machen, allen voran in Europa. Dies schien besonders im Zuge des Ukraine-Kriegs von großer Bedeutung zu sein.

Merz nähert sich nun der wichtigen 100-Tage-Marke im Amt. Und in der Außenpolitik gibt es zwar Bewegung, inzwischen sieht es aber alles andere als reibungslos aus.

Bundeskanzler Merz seit 100 Tagen im Amt: Bilanz des „Außenkanzlers“

Merz sei in der Außenpolitik im Vergleich zu seinem Vorgänger Scholz „deutlich erfolgreicher, weil er sichtbarer ist, weil er kommunikativer ist, weil er selbst auch die Initiative ergreift“, sagt der Politikwissenschaftler Wolfgang Schroeder von der Universität Kassel laut der Nachrichtenagentur AFP. Dies berge aber auch Gefahr, „Fehler zu machen“. Schröder verweist auf das letztlich folgenlose „Ultimatum“ an Präsident Wladimir Putin im Ukraine-Konflikt zu Beginn von Merz‘ Amtszeit.

Ursula Münch von der Akademie für politische Bildung in Tutzing findet, Merz habe auf internationaler Bühne „einen sehr guten Eindruck gemacht“. Ein „entschieden wirkendes Auftreten“ sei ihm „mit Blick auf US-Präsident Donald Trump ganz gut gelungen“. Auch das Verhältnis zu Frankreich sei „anscheinend wieder ein bisschen besser“. Um Polen habe Merz sich gleichfalls bemüht, dort sei es wegen der innenpolitischen Lage aber gerade schwierig.

Friedrich Merz in Berlin.
Die Regierung Merz ist seit 100 Tagen im Amt. © IMAGO / Chris Emil Janßen

100 Tage im Amt für Bundeskanzler Merz: Guter Auftritt bei Treffen mit Trump

Tatsächlich ist der Auftritt von Merz im Weißen Haus bei Trump eines der Highlights seiner Außenpolitik in den ersten 100 Tagen. Der Eklat zwischen Trump und dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj sowie Trumps Konfrontation mit dem südafrikanischen Präsidenten Cyrill Ramaphosa zeigten, dass der US-Präsident durchaus streitfreudig sein kann. Mit Merz herrschte im Oval Office aber eine entspannte Atmosphäre: ein wichtiger Pluspunkt für den neuen Kanzler.

Das hinderte Trump aber nicht daran, die EU und damit auch Deutschland mit schweren Zöllen zu belegen. Merz räumte ein, dass das Wirtschaftsabkommen zwischen der EU und den USA sowie die darin enthaltenen Zölle der deutschen Wirtschaft „erheblich“ schaden würden. Sein Ziel, die deutsche Wirtschaft zu stärken, dürfte damit ebenso massiven Schaden nehmen.

Im Zollstreit setzte Merz eher auf Dialog statt auf Drohungen gegen die USA, doch dies blieb offensichtlich wirkungslos: Auch, weil die USA einfach am längeren Hebel sitzen. Insofern ging es Merz wahrscheinlich stark um Schadensbegrenzung, statt eine vollständige Abwendung der Zölle. Schließlich hatte der Kanzler offen zugegeben, dass die USA zu einem „symmetrischen Abkommen“ nicht bereit seien.

100 Tage im Amt für Bundeskanzler Merz: Doch keine Unabhängigkeit von den USA

Der Besuch im Weißen Haus blieb zwar ohne Eklat, doch einwandfrei war Merz‘ Auftritt in den USA nicht unbedingt. Besonders, als es um die Ukraine ging. Im öffentlichen Teil des Treffens mit Trump ließ so manche Falschbehauptungen des US-Präsidenten einfach durchgehen. Von überhöhten Todeszahlen in der Ukraine bis hin zu seiner eigenen Rolle beim Ende von Nord-Stream-2 und fragwürdigen Ukraine-Hilfsgeldern: All dies ließ Merz weitgehend ohne Kommentar.

Zwar pochte Merz in der Opposition immer wieder auf eine unabhängigere Haltung zu den USA. So sagte er etwa vor der Bundestagswahl und nach der aufsehenerregenden Rede von JD Vance bei der Münchner Siko, der US-Regierung sei das Schicksal Europas „weitgehend gleichgültig“. Besonders hob er dabei die notwendige militärische Unabhängigkeit angesichts der russischen Bedrohung hervor. Doch statt der versprochenen Unabhängigkeit bewegt sich Merz bislang stark auf dem Pfad der traditionellen transatlantischen Beziehungen.

100 Tage im Amt für Bundeskanzler Merz: Ausschluss von Europa aus Entscheidungen für Ukraine?

Die Ukraine an sich ist ein heikles Thema für den Bundeskanzler. Mit einer Zugreise nach Kiew, die er gemeinsam mit dem französischen Staatschef Emmanuel Macron und dem britischen Premierminister Keir Starmer antrat, zeigte er nur wenige Tage nach Amtsantritt, welch hohen Stellenwert die Beendigung des Kriegs für ihn hat.

Nach 100 Tagen droht nun aber ein Ausschluss von Europa aus den Friedensverhandlungen zum Ukraine-Krieg, obwohl Merz hier doch nach einer Führungsrolle strebte. Trump und Kreml-Chef Wladimir Putin scheinen sich einig über die russische Kontrolle über bestimmte Gebiete in der Ukraine zu sein. Europäische Länder einschließlich Deutschland werden zwar über die Kontakte informiert, doch eine echte Beteiligung bleibt ungewiss. Kanzler Merz pocht auf eine Teilnahme, bisher ohne große Wirkung. Für die Interessen der Ukraine und Europa ist dies ein großes Risiko.

Vor seiner Amtszeit schien es zudem fast schon sicher, dass Merz die Ukraine mit Taurus-Marschflugkörpern versorgen würde. Er kritisierte immer wieder die Haltung von Scholz in dieser heiklen Frage. Als Merz selbst zum Kanzler wurde, kam dann aber die Wende. Seine Aussagen ähnelten einem Zickzack-Kurs. Mal schien es eher wahrscheinlich, mal unwahrscheinlich. Besonders wurde seine Kommunikation kritisiert. Zwar hilft Deutschland bei der ukrainischen Luftabwehr nach wie vor mit, doch die von der Ukraine seit Jahren geforderten Taurus-Raketen lassen weiter auf sich warten.

100 Tage im Amt für Bundeskanzler Merz: Deutschland als Zuschauer im Nahen Osten

Im Nahen Osten sorgte zuletzt die Entscheidung von Merz, keine Waffen mehr an Israel für den Einsatz im Gazastreifen zu liefern, für einen Wirbel mit Blick auf die Außenpolitik. Viele warfen ihm sogar „Verrat“ und eine Verletzung der deutschen Staatsräson vor, andere nahmen ihn jedoch auch in Schutz.

Direkt im Anschluss an die Entscheidung regte sich starker Gegenwind auch aus der CSU, die den Schritt inhaltlich kritisiert und moniert, nicht einbezogen worden zu sein. Merz stellt noch am gleichen Wochenende in einem Fernsehinterview klar, dass er die Entscheidung nicht allein getroffen habe, aber nunmal allein verantworten müsse. Es gibt harte Diskussionen in der Koalition mit der SPD, aber noch härtere innerhalb der Union selbst.

Im Nahen Osten kommt der Regierung von „Außenkanzler“ Merz ohnehin nur eine begrenzte Rolle zu: Dort befand sich Deutschland auch bei den Entwicklungen rund um den Iran-Israel-Krieg eher in einer Zuschauerrolle. (bb mit Agenturen)

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