Eskalation mit Israel befürchtet: Hisbollah soll „hohen Preis“ zahlen – Zweifrontenkrieg droht
Nach dem Raketenangriff auf den Golanhöhen steht der Nahe Osten vor einer Eskalation. Für Israel ist die Lage gefährlich, ein weiterer Krieg würde das Land vor Probleme stellen.
Tel Aviv – Lange Zeit war der Krieg ins Israel und im Gazastreifen beinahe in die geopolitische Vergessenheit geraten: Zu groß waren die Konfliktherde auf der restlichen Welt. Im Ukraine-Krieg wird wegen der westlichen F-16-Kampfjets eine weitere Eskalation mit Russland erwartet und in den USA hat Donald Trump nach Joe Bidens Rückzug mit Kamala Harris eine neue Widersacherin bekommen. Doch ein Raketenangriff auf die Golanhöhen im Norden Israels hat schmerzlich gezeigt, wie aufgeladen die Lage im Nahen Osten weiterhin ist. Der jüdische Staat reagierte umgehend auf den Angriff – nun wird befürchtet, dass der Konflikt in der Region erst vor einer gewaltigen Eskalation stehen könnte.
Reaktion Israels auf Raketenangriff auf den Golanhöhen befürchtet
In Israel herrscht nach dem verheerenden Raketenangriff auf ein Fußballfeld auf den Golanhöhen tiefe Trauerstimmung. Wie die britische Times berichtet, versammelten sich am Sonntag Tausende Trauernde, die der zwölf Getöteten gedachten. Die Kinder waren am Samstagabend beim Fußballspielen von dem Angriff überrascht worden. Mutmaßlich war dieser von der Hisbollah, der militanten Gruppe mit Sitz im Libanon, gestartet worden. Bei den Toten auf den Golanhöhen handelt es sich nach Informationen der Zeitung um Drusen, eine arabische Volksgruppe mit einem eigenen monotheistischen Glauben, der sich vom Islam, Judentum und Christentum unterscheidet.

Schätzungen zufolge gibt es weltweit eine Million Angehörige dieser kleinen ethnisch-religiösen Gruppe. Im vergangenen Jahrhundert wurde die Region zunächst von Großbritannien und Frankreich und später in den Kriegen zwischen Israel und seinen arabischen Nachbarn auf drei Länder aufgeteilt: Israel, Libanon und Syrien. Die Drusen bewahren ihre kulturelle und religiöse Autonomie, engagieren sich aber gleichzeitig für ihren Nationalstaat. Für die israelischen Drusen bedeutet das eine aktive Teilnahme an der Politik und den Eintritt in die israelische Armee, in der viele von ihnen hohe Ränge erreicht haben.
Angriff auf den Golanhöhen: Israel reagiert auf Hisbollah – Gruppe soll „hohen Preis“ bezahlen
Nun, nach dem Angriff auf den Golanhöhen, bereitet sich Israels Regierung, die noch am Wochenende schwere Angriffe auf den Gazastreifen verübte, auf einen Vergeltungsschlag gegen die Hisbollah vor. Seit dem 7. Oktober beschränkte sich der Konflikt zwischen dem jüdischen Staat und der Gruppe im Libanon eher auf kleinere Auseinandersetzungen: Immer wieder wurden in den vergangenen Monaten Raketenangriffe gemeldet, bei denen es vereinzelt zu Todesopfern kam. Zwar hat die Terrormiliz, die zur iranischen „Achse des Widerstands“ gehört, bisher etwa 6000 Raketen aus dem Libanon auf das Nachbarland abgefeuert, doch eine größere Eskalation war im Nahen Osten bisher vermieden worden.
Das könnte sich nun ändern: Das Sicherheitskabinett ermächtigte nach mehr als vierstündigen Beratungen Regierungschef Benjamin Netanjahu und Verteidigungsminister Joav Galant, „über die Art und Weise und den Zeitpunkt des Vorgehens gegen die Terrororganisation Hisbollah zu entscheiden“, teilte das Büro des Ministerpräsidenten am Abend mit. Netanjahu hatte der proiranischen Miliz zuvor gedroht, sie werde einen „hohen Preis“ bezahlen.
Eskalation im Nahen Osten befürchtet: Offener Krieg würde Israel vor Probleme stellen
Bereits am Sonntag soll es im Süden des Libanons Luftangriffe gegeben haben. Unter anderem aus Hula habe es in der Nacht palästinensische Berichte über schwere Angriffe gegeben. Das Gebiet sei schon in den vergangenen Monaten mehrfach von Israels Luftwaffe ins Visier genommen worden. Ob es sich um die erwartete Reaktion Israels auf den Raketenangriff auf dem Golan handelte, war zunächst jedoch unklar. Inwieweit Israel seine Reaktionen auf den Raketenangriff auf den Golanhöhen ausweiten wird, bleibt abzuwarten. Doch die Gefahr ist groß, dass die Hisbollah mit noch schweren Raketenbeschuss antworten könnte.
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Dies könnte Israel in einen offenen Krieg stürzen, während seine Bodentruppen noch immer größtenteils auf Gaza konzentriert sind. Die Gefahr eines Mehrfrontenkriegs für Israel wurde bereits seit dem Hamas-Überfall im vergangenen Oktober diskutiert: Schon damals hatten Analysten die Auffassung vertreten, dass mehrere offene Konflikte Israels Militär überfordern könnte. Nach knapp neun Monaten der Kämpfe im Gazastreifen hat sich diese Lage für Israel weiter verschärft – zumal das Land international immer stärker wegen seines militärischen Vorgehens in die Kritik geraten ist.
Sorge vor Eskalation zwischen Israel und Hisbollah: Diplomaten wollen Feindseligkeiten eindämmen
Wie die New York Times am Sonntag berichtete, versuchten westliche Diplomaten aufgrund der akuten Kriegsgefahr im Nahen Osten eine weitere Eskalation zwischen Israel und der Terrorgruppe im Libanon zu verhindern. US-Diplomaten standen am Sonntag in ständigem Kontakt mit der israelischen und libanesischen Regierung, um die Feindseligkeiten einzudämmen, hieß es in einer Erklärung der zuständigen US-Behörden.
Auch UN-Vertreter forderten Israel und die Hisbollah auf, „maximale Zurückhaltung zu üben“ und warnten, dass „dies einen größeren Flächenbrand auslösen könnte, der die gesamte Region in eine unvorstellbare Katastrophe stürzen würde.“ Das geht aus einer Erklärung der UN-Sonderkoordinatorin für den Libanon, Jeanine Hennis-Plasschaert, und des Kommandeurs der UN-Friedenstruppen im Libanon, Generalleutnant Aroldo Lázaro, hervor.
Türkei reagiert auf Israel-Angriff: Erdogan droht Tel Aviv
Angesichts der Lage in Israel kam es jüngst auch immer wieder zu Drohungen zwischen der Türkei und Tel Aviv. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan machte deutlich, dass sich sein Land womöglich in den Konflikt einmischen könnte. „So wie wir in Berg-Karabach reingegangen sind, so wie wir in Libyen reingegangen sind, werden wir mit ihnen dasselbe tun“, sagte er auf einer Veranstaltung seiner Regierungspartei AKP in Rize am Schwarzen Meer mit Blick auf Israel. Der israelische Außenminister Israel Katz warnte den türkischen Präsidenten prompt: „Erdogan tritt in die Fußstapfen von Saddam Hussein und droht mit einem Angriff auf Israel. Er soll sich nur daran erinnern, was dort geschah und wie es endete“, schrieb Katz am späten Abend auf der Plattform X.
Doch nicht nur durch die Türkei besteht aktuell ein großes Eskalationspotenzial für die Lage in Israel: Sollte Tel Aviv entscheiden, mit massiver Waffengewalt gegen die Hisbollah im Libanon vorzugehen, könnte auf lange Sicht der Iran in den Konflikt offiziell hineingezogen werden. Die Regierung in Teheran machte in der Vergangenheit immer wieder deutlich, wie die Haltung zum „Todfeind“ Israel ist. Die Gefahr, dass ein bisher begrenzter Krieg ausufern und den gesamten Nahen Osten erfassen könnte, ist aktuell realer denn je.
Neue Eskalation wird für Israel gefährlich: Hisbollah wird vom Iran unterstützt
Für Israels kriegsmüdes Militär könnte das Szenario nicht bedrohlicher sein: Sollte die Hisbollah noch stärker vom Iran unterstützt werden, würde die – ohnehin schon starke – Miliz in einem offenen Konflikt große Teile der Streitkräfte binden und das Land anfälliger für Angriffe aus anderen Nachbarländern machen. Eine solche Situation könnte dem Iran mit großer Wahrscheinlichkeit entgegenkommen: Ein israelischer Staat, der in Instabilität versinkt, würde zugleich die Stellung des Regimes in Teheran stärken.
„Wir sind zutiefst besorgt über das Risiko einer weiteren Eskalation und Destabilisierung. Wir haben klargemacht, dass die Hisbollah ihre Angriffe einstellen muss“, schrieb der britische Außenminister David Lammy auf X angesichts des Angriffs auf den Golanhöhen. Die Gefahr für Israel vor einem weiteren Krieg scheint aktuell so groß wie nie. Am Ende wird es entscheidend sein, wie sich die israelische Regierung verhält und welche Ausmaße die Vergeltungsmaßnahmen annehmen werden. (fbu)