„HIMARS standen nicht still“: Ukraine stoppt Truppen-Einmarsch an Charkiw-Front
Die Ukraine hat Putins Truppen bei Charkiw zurückgedrängt. Möglich war das wegen des Einsatzes von US-Waffen. Doch ukrainische Kommandeure wollen mehr.
Charkiw – Die USA haben der Ukraine zuletzt gestattet, mit US-Waffen weiter ins Innere des russischen Territoriums einzudringen. Das hat das russische Militär im Ukraine-Krieg ausgebremst und Putins Truppen schwere Verluste bereitet: Die Ukraine konnte vorrücken und sich Gebiete zurückholen. Die Kommandeure des Landes fordern aber mehr: Sie wollen auch ATACMS-Raketen einsetzen dürfen, um Russlands Infrastruktur anzugreifen.
Von den ersten Tagen nach Erlaubnis der USA an sei es den ukrainischen Streitkräften gelungen, Russlands Truppen entlang der Grenze des Ukraine-Kriegs zurückzuschlagen, die dort auf den Einmarschbefehl gewartet hätten. Das berichtet die Associated Press (AP) auf Grundlage eines Zitats eines Artilleriekommandanten aus der Region Charkiw. „Die HIMARS standen den ganzen Tag nicht still“, sagt er. „Früher konnten wir sie nicht angreifen. Es war ziemlich kompliziert. Alle Lager mit Munition und anderen Ressourcen lagen 20 Kilometer außerhalb unserer Reichweite.“

Schwere Verluste für Russland im Ukraine-Krieg: Kiew hofft auf ATAMCS-Einsatz
Nun würden die Militärkommandeure jedoch auch eine Aufhebung der Reichweitenbeschränkungen für Langstreckenraketen von den USA fordern, berichtet AP. Ohne die Möglichkeit, Langstreckenraketen wie ATACMS einsetzen zu können, würden sie sich machtlos fühlen. „Wir könnten Brigadekommandopunkte und die gesamte nördliche Gruppierung angreifen, da sie 100 bis 150 Kilometer von der Front entfernt liegen“, so Hefastus. Mit „normaler“ Munition sei das nicht möglich.
Die USA hatten der Ukraine zuletzt erlaubt, US-amerikanische Waffen auf russischem Territorium mit einer Reichweite bis hin zu den von Russland stationierten Truppen zu nutzen. Diese Erweiterung war erfolgt, nachdem die Vereinigten Staaten der Ukraine zuvor erstmals gestattet hatten, mit US-Waffen die Region Charkiw auch auf russischen Gebieten zu verteidigen.
ATACMS-Angriff im Ukraine-Krieg: Einsatz auf Ziele in Russland verboten – „erscheint absurd“
Die neue Schussfreiheit habe den russischen Vormarsch stark gebremst, so AP. Ukrainische Truppen hätten an der nordöstlichen Grenze vorrücken und Gebiete südwestlich von Wowtschansk zurückerobern können. Die Beschränkung, die den Einsatz von ATACMS-Raketen auf Gebieten Russlands verbietet, sei allerdings nicht aufgehoben worden, schreibt AP und bezieht sich dabei auf drei anonyme US-Beamte.
Das sorgt in der Ukraine für Unmut: „Es erscheint ziemlich absurd, wenn der Feind so aktiv auf unser Territorium vorrückt und mit Raketen aller Art und Kaliber ukrainisches Territorium angreift und wir auf feindliches Territorium, wo sie Logistik und Nachschub lagern, nicht zurückschlagen können“, zitiert AP Lys Mykyta, den Kommandeur einer Drohnenkompanie der 103. Territorialverteidigungsbrigade.
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Der stellvertretende Vorsitzende des Parlamentsausschusses für nationale Sicherheit, Yehor Cherniev, habe die Regeln zum ATACMS-Einsatz bereits Anfang Juni kritisiert und die Verbündeten um die Aufhebung der Beschränkungen für den Einsatz von Langstreckenraketen gebeten: „Leider können wir beispielsweise Flugplätze und ihre Flugzeuge immer noch nicht erreichen.“ Cherniev rechne aber damit, dass auch die Entscheidung über die Zulassung von ATACMS eng mit der Entwicklung der Kämpfe vor Ort zusammenhängen werde.
Für die USA sind die Entscheidungen zwischen der Unterstützung der Ukraine und einer Vermeidung der Provokation Russlands eine Gratwanderung. So hat der Kreml den USA etwa nach dem ukrainischen Raketenangriff auf die Hafenstadt Sewastopol auf der seit 2014 von Russland annektierten Krim Konsequenzen angedroht.
„Es versteht sich, dass die unmittelbare Beteiligung der USA an Kampfhandlungen, in deren Ergebnis russische Zivilisten ums Leben kommen, nicht ohne Folgen bleiben kann“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow am Montag der staatlichen Nachrichtenagentur Tass zufolge. Moskau wisse genau, wer hinter der „barbarischen Attacke“ stecke. Es seien nicht die Ukrainer, die solch technisch komplizierte Raketen steuerten, hieß es weiter.
Putin droht den USA wegen Verlusten im Ukraine-Krieg mit Waffenlieferungen an Nordkorea
Konkrete Folgen für die USA wollte er nicht nennen. Das werde die Zeit zeigen, sagte Peskow und verwies auf Aussagen von Präsident Wladimir Putin während seiner Asienreise in der vergangenen Woche. Dort hatte der Kremlchef damit gedroht, die westlichen Waffenlieferungen an die Ukraine seinerseits mit der Weitergabe von russischen Waffen und Technologien an Kräfte zu beantworten, die dem Westen feindlich gegenüberständen. Die Aussage traf er vor dem Hintergrund seiner Reise nach Nordkorea, wo Machthaber Kim Jong-un Atomwaffen entwickelt.
Wegen des ATAMCS-Raketenangriffs mit 150 Verletzten bestellte das russische Außenministerium auch die US-Botschafterin in Moskau, Lynne Tracy, ein. Washington trage nicht nur wegen seiner Waffenlieferungen an Kiew, sondern auch weil US-Spezialisten diese Raketen steuern würden, genauso wie die Ukraine die Verantwortung für diese Taten, hieß es in einer offiziellen Mitteilung dazu. (ses/dpa)