Vor 2300 Jahren: Elchjagd im Oberland? Seltenes Geweih in Lenggries gefunden – „Ziemlich einmalig“
Vor rund 2300 Jahren haben Menschen unweit von Lenggries Elche gejagt. Davon zeugen Funde von Skeletten und Knochenresten. Um Elche im Oberland geht es bei einem Vortag des historischen Vereins.
Bad Tölz/Lenggries – Drehen wir das Rad der Geschichte etwa 2300 Jahre zurück: Späte Eisenzeit. Nicht weit von Lenggries gehen Jäger auf die Jagd und bringen einen stattlichen Elchbullen zur Strecke. Nachdem sie ihn zerlegt haben, werfen sie schließlich südlich des Hohenwieser Bergs die Knochenreste in eine etwa sechs Meter tiefe Schachthöhle. Dort wird das fast vollständige Skelett 2012 sowie Knochenreste von einigen Elchkälbern und anderen Tieren geborgen.
„Ziemlich einmaliger Fund“: Lenggrieser stößt 1981 auf seltenes Geweih
Elche im Isarwinkel? Keine Fiktion, sondern ein „ziemlich einmaliger Fund“, wie Dr. Christoph Mayr vom Institut für Geographie an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg erläutert. Der Geowissenschaftler wird im nächsten Vortrag des Historischen Vereins am Mittwoch, 17. Juli, im Tölzer Stadtmuseum darüber sprechen, dass der Elch einst sehr wohl Bestandteil der heimischen Fauna nördlich der Alpen war. Mayr will auch erläutern, warum die größte vorkommende Hirschart verschwunden ist.

Doch zunächst zum Fund, den der Lenggrieser Josef Wasensteiner bereits 1981 gemacht hat. Der 71-Jährige erinnert sich, dass er seinerzeit einer Erzählung von Almerern nachgegangen sei. Es gebe da eine Höhle, in die man einen Stein lange hinabfallen höre. Dem wollte er als junger Mann nachgehen. Er habe sich damals abgeseilt und in dem Loch einen Steinhaufen entdeckt, aus dem die Spitze eines Geweihs hervorschaute. Der Fund sollte Jahrzehnte später für Aufsehen sorgen, als die benachrichtigten offiziellen Stellen die Höhle nochmals genau unter die Lupe nahmen.
Vollständiges Elchskelett in der Lenggrieser Schachthöhle gefunden
Beschrieben wird dies in der Fachpublikation „E&G Quaternary Science Journal“, an der auch Dr. Christoph Mayr beteiligt war. Die Dokumentation weist mehrere Elchknochenfunde im Landkreis Bad Tölz-Wolfratshausen nach. Aus dem Heubach bei Heilbrunn zum Beispiel hat vor ein paar Jahren ein junger Bursche einen Teil eines Elchgeweihs herausgefischt, das heute im Stadtmuseum liegt, wie Leiterin Elisabeth Hinterstocker berichtet. Auch im Walchensee wurden schon prähistorische Elchknochen entdeckt.

Der interessanteste Fund ist aber der in der Lenggrieser Schachthöhle. Es handelt sich laut Mayr um eines der vollständigsten Elchskelette, das bisher in Bayern gefunden wurde. Dass der oder die Elche nicht zufällig in die steil abfallende Schachthöhle hinabfielen, darauf deuten die Spuren an den Knochen hin. In dem Fachartikel werden zahlreiche Schnitt- und Schabspuren auf den Knochen beschrieben. Zudem befindet sich im linken Schulterblatt des mächtigen Tieres ein Loch, das, so Mayr, auf einen Schuss – möglicherweise durch einen Pfeil – hindeutet.
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Wurden die Knochenreste in der Höhle entsorgt?
Wer aber waren die Jäger und warum machten sie sich die Mühe, die Knochenreste in der Höhle zu entsorgen? Da gibt es, so der 53-jährige Experte, mehrere Erklärungsversuche. Vielleicht waren es rituelle Opferhandlungen der Jäger. Oder man ließ die Relikte einer unerlaubten Jagd im fremden Revier verschwinden. Wie es in der Dokumentation heißt, waren die nächsten bekannten eisenzeitlichen Siedlungen immerhin mehr als 30 Kilometer von der Schachthöhle entfernt.
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Der Lenggrieser Höhlenfund ist laut Mayr mit zahlreichen ähnlichen im österreichischen Dachsteingebiet vergleichbar. Seine Kollegin, die Archäozoologin Dr. Kerstin Pasda wird dazu in einem Bericht der „Salzburger Nachrichten“ zitiert. Sie hatte demnach nach Mustern gesucht, welche Skelettteile in den Höhlen gefunden wurden, aber keines entdeckt. Die Wissenschaftlerin hat aber bereits Karibujäger in Grönland begleitet und dokumentiert, wie diese die Tiere verarbeiteten.
Elche sind vom Speiseplan der Menschen verschwunden
Da Jäger dort die erlegten Tiere unter Umständen kilometerweit selbst tragen müssen, nehmen sie nur bestimmte Teile mit und lassen den Rest liegen. Beim Elch aus der Lenggrieser Schachthöhle fehlen, so Pasdas Beobachtung, genau jene Knochen, die auch grönländische Jäger abtransportierten. Eine weitere Interpretation zielt dahin, dass man die Knochen und Tierreste möglichst beseitigen wollte, um damit keine Raubtiere anzulocken. Das würde aber, so Mayr, heißen, dass sich in der Nähe der Lenggrieser Schachthöhle eine Siedlung oder Weidewirtschaft befand. Davon ist bislang nichts bekannt.
Der Vortrag
„Elche im bayerischen Oberland? Neue Erkenntnisse zur Verbreitung des prähistorischen Elchs aus der Umgebung von Bad Tölz“ von Dr. Christoph Mayr findet am Mittwoch, 17. Juli, um 19.30 Uhr im Historischen Sitzungssaal des Stadtmuseums statt. Der Eintritt ist frei.
Warum sind übrigens die Elche, die jetzt ab und an sogar wieder in Ostbayern gesichtet werden, vor über 2000 Jahren wieder vom Speiseplan der Eiszeitjäger verschwunden? Dass dies mit veränderten Klimabedingungen zu tun gehabt hat, glaubt Dr. Mayr eher nicht. Der Elch sei, so ist er überzeugt, einfach ein auffälliges und leicht zu jagendes Wild gewesen. (cs)