Bürgergeld-Reform: Zahlreiche Empfänger sollen leer ausgehen – Experte attackiert Merz-Plan

  1. Startseite
  2. Wirtschaft

Kommentare

Bürgergeld-Empfänger sollen schneller arbeiten – auch wenn sie krank sind. Ein Experte sieht das kritisch, die Pläne könnten Betroffene unter Druck setzen.

Berlin – Chronisch kranke Bürgergeld-Empfänger stehen vor einer bedrückenden Entwicklung: Geplante Reformen könnten sie dazu zwingen, vorzeitig in den Arbeitsmarkt zurückzukehren, selbst wenn ihre Heilung noch nicht abgeschlossen ist. Ein Sozialrechtsexperte schlägt Alarm und warnt vor den dramatischen Konsequenzen für Menschen mit langwierigen Erkrankungen.

Ein Büro der Agentur für Arbeit. (Archivbild)
Bürgergeld-Empfänger mit Schwerbehinderung können einen Mehrbedarf von knapp 200 Euro bekommen. © IMAGO/Rene Traut

Der Grund für diese Sorge liegt in den aktuellen Reformplänen von SPD und Union zur Umgestaltung der Grundsicherung. Die Vorhaben der Parteien sehen vor, dass auch Menschen mit dauerhaften Leiden durch erweiterte Gesundheitsmaßnahmen und Rehabilitationsprogramme rasch wieder erwerbstätig werden sollen. Dabei wird offenbar außer Acht gelassen, wie die Realität der Erkrankten tatsächlich aussieht. Dr. Utz Anhalt, Fachmann für Sozialrecht bei gegen-hartz.de, zeigt sich alarmiert: „Diese Maßnahmen könnten vor allem das Ziel haben, den Weg in eine möglichst rasche Arbeitsaufnahme zu ebnen – selbst dann, wenn eine vollständige Genesung noch nicht in Sicht ist.“

Druck auf Betroffene: Bürgergeldempfänger müssten ohne Genesung arbeiten

Auf den ersten Blick wirken die Konzepte der künftigen Regierung unter Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) durchaus sinnvoll: mehr Rehabilitationsangebote und verstärkte Gesundheitsförderung. Tatsächlich hoffen zahlreiche Betroffene auf fachkundige Hilfe der Jobcenter, um ihre körperliche Verfassung zu verbessern oder wenigstens zu stabilisieren. Doch Anhalt sieht die Gefahr, dass Menschen mit chronischen Leiden durch wenige gezielte Behandlungen kuriert und in die Berufstätigkeit gedrängt werden sollen. Das belegt unter anderem ein kurioser Fall einer sehbehinderten Bürgergeldempfängerin.

Außerdem stehe der Heilungsverlauf dann unter politischem und wirtschaftlichem Zwang. Der Experte bemängelt, dass das System einen Punkt erreicht zu haben scheint, wo es nicht mehr um das Wohlergehen der einzelnen Person, sondern hauptsächlich um statistische Erfolge und Kostenreduzierung geht. Doch auch der Ansatz, qualifizierte Kräfte in den Arbeitsmarkt zu bringen, gerät mit dem neuen Vorstoß ins Wanken. Anfangs hatte das Bürgergeld-Konzept noch den Grundsatz verfolgt, dass eine solide Qualifizierung der Schlüssel zum Erfolg auf dem Arbeitsmarkt sei. Die Ampelparteien hatten zu Beginn ihrer Regierungszeit große Hoffnungen in Weiterbildungsinitiativen gesetzt.

Anhalt ist überzeugt, dass in den vergangenen Monaten jedoch deutlich wurde, dass viele dieser Maßnahmen nicht die gewünschten Effekte erzielten. Oft blieben Betroffene in Kursen, die für ihre berufliche Zukunft wenig Mehrwert brachten.

Finanzielle Förderung vom Staat für schnellere Eingliederung in Arbeitsmarkt

Auf seiner Webseite informiert das Jobcenter ausführlich über Rehabilitationsmaßnahmen für Bürgergeldempfänger sowie über die aktuellen Pläne der Regierung für erkrankte Leistungsbezieher. Als erwerbsfähig gelten Personen, die trotz Krankheit oder Behinderung unter normalen Arbeitsbedingungen täglich mindestens drei Stunden arbeiten können. Gleiches gilt in der Regel für Menschen, die aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen für einen Zeitraum von höchstens sechs Monaten krankgeschrieben sind.

Staatliche Anreize helfen, beeinträchtigte Menschen schneller wieder ins Berufsleben zu integrieren. Über das Programm „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ gemäß § 16i SGB II können Unternehmen zum Beispiel einen Lohnkostenzuschuss von bis zu 100 Prozent erhalten. Das gilt zum Beispiel für die Beschäftigung von Schwerbehinderten. Eine Untersuchung zeigt, dass Frauen beim Bürgergeld benachteiligt werden. (diase)

Auch interessant

Kommentare