Gastbeitrag von Gabor Steingart - Kann ein Segen sein: Warum wir keine Angst vor einer Trumpflation haben müssen

An der Wall Street macht ein böses Wort die Runde: Trumpflation. Gemeint ist die in Charakter und Programm von Donald Trump angelegte Gefahr einer großen Inflationswelle.

Keine Gewissheit, aber eine Möglichkeit: Denn Trump scheint die Komplexität der Globalwirtschaft zu unter- und die Durchsetzungskraft des Präsidenten zu überschätzen. Auf der großen Bühne spricht er wie ein politischer Autokrat – ermuntert und begleitet von Multimilliardären wie Elon Musk, den Joe Kaeser als „Ersten Oligarchen des Landes“ bezeichnet.

Aber in Wahrheit bewegt sich auch der US-Präsident in einem System von Aktion und Reaktion, von Checks und Balances. Gerade der Geldwert und damit die Stärke oder Schwäche des Dollars reagieren nicht auf den Knopfdruck eines Politikers, sondern reflektieren Stärken und Schwächen der US-Wirtschaft und weisen mit seismographischer Präzision auf politische Widersprüche hin – und von denen gibt es reichlich.

#1 Der Notenbankchef als Gegenspieler

Jeder Notenbankchef der USA ist der institutionelle Gegenspieler des amerikanischen Präsidenten. Auch wenn der Fed-Chef per Gesetz zur Unterstützung der allgemeinen Wirtschafts- und Finanzpolitik verpflichtet ist, so gilt sein Hauptaugenmerk doch der Sicherung der Geldwertstabilität.

Anzeige
 

Sieht er diese in Gefahr, muss er mit seinen Instrumenten, also der Zinspolitik, reagieren. So hat auch Jerome Powell unverzüglich auf die nur leicht erhöhte Inflation im Monat Oktober, als der Wert im Vergleich zum Vormonat von 2,4 auf 2,6 kletterte, mit einem verbalen Bremsmanöver reagiert.

„Die Wirtschaft sendet keine Signale, die auf eine eilige Zinssenkung hindeuten würden.“

#2 Risikofaktor Energie

Die Energiepreise sind für eine Volkswirtschaft wie die USA die entscheidende Größe. Kommt es zur Verteuerung der Energie, steigen die Preise, ohne dass sich die Qualität von Produkten und Dienstleistungen verbessert. Genau das nennt man Inflation.

Daher sind die militärischen Verwerfungen im Nahen Osten und in Europa sowie die Schatten des Taiwan-Konfliktes im südpazifischen Meer von hoher Relevanz für das Entstehen einer Trumpflation. Gelingt es Trump nicht, das Kriegstreiben zu dämpfen, Nachschubwege zu sichern und neue Ressourcen zu erschließen, zahlen seine Wähler einen hohen Preis.

#3 Angst frisst Wohlstand

Schon die Sorge, die ökonomische und geopolitische Situation könnte dem neuen Präsidenten entgleiten, kreiert eine Wirklichkeit eigener Art. Die Aktienkurse haben auf die leichte Erhöhung der Inflation und die zur Schau gestellte Aktionsfähigkeit der Notenbank negativ reagiert.

Insbesondere die wichtigsten sieben Technologieunternehmen – darunter Apple, Amazon, Nvidia und Microsoft – sind auf billiges Geld und offene Märkte angewiesen. Der Zyklus der permanenten Gewinnsteigerung befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium und reagiert auf externe Störungen unverzüglich mit einem Downgrade der Investoren.

#4 Strafzölle führen zum Inflationsimport

Setzt Trump sein protektionistisches Zollregime in Kraft, kann er zwar einheimischen Herstellern das Leben erleichtern. Zugleich aber würden die im Wahlkampf angekündigten neuen Zölle – bis zu 60 Prozent auf chinesische Waren und zehn Prozent auf alle anderen Importe – Inflation importieren. Denn diese Zölle würden binnen kürzester Zeit als Preissteigerungen beim Verbraucher landen.

Die Autoren einer Studie des Peterson Institute for International Economics prognostizieren, dass Trumps Zollpolitik zu einem Inflationsanstieg um 1,3 Prozentpunkte in 2025 führen würde. Das wiederum ruft unverzüglich die Notenbank auf den Plan.

#5 Handelskrieg droht

Bei Apple, Nvidia und Co. steht zwar „Made in US“ drauf, aber in großen Teilen steckt Asien drin. Diese Firmen sind groß geworden durch offene Märkte und ein weltweites Kaufpublikum. So produziert der Chiphersteller Nvidia seine Chips bei dem taiwanischen TSMC, Apple seine Hardware in China und auch Tesla bezieht teilweise die Chips für seine Autos aus Taiwan.              

Die Studie des Peterson Institute for International Economics prognostiziert handfeste Wachstumsverluste durch einen Handelskrieg: „Unter der Annahme, dass andere Regierungen in gleicher Weise reagieren, führt Trumps Zollpolitik dazu, dass das reale BIP der USA bis 2026 um 0,9 Prozent niedriger ist als sonst.“                

#6 Wegfall von Billigarbeitsplätzen

Auch die angekündigte Migrationspolitik und hier insbesondere der Plan, „die größte inländische Abschiebungsoperation in der amerikanischen Geschichte“ (Trump im Wahlkampf) zu starten, hat unmittelbar Auswirkungen auf das Preisniveau. Der Grund: Laut dem US-Think-Tank Center for American Progress leben in den USA rund 11 Millionen Menschen ohne Einwanderungspapiere, davon befinden sich schätzungsweise sieben Millionen Menschen in einem Arbeitsverhältnis.

Der Trick: In den USA besitzen auch „illegal Aliens“ (Trump) auf Druck der Arbeitgeberverbände eine sogenannte „Individual Taxpayer Identification Numbers“, also eine Nummer, die es ihnen erlaubt, Steuern zu zahlen, obwohl sie keinen legalen Aufenthaltsstatus vorweisen können. Ohne diese „documented workers“ müssten Landwirtschaft, Gastronomie und Baubranche deutlich höhere Löhne zahlen. Die Migration – auch die Illegale – wirkt also inflationsdämpfend.

Anzeige
 

Fazit: Vielleicht ist die Trumpflation keine Gefahr, sondern ein Segen für die USA. Womöglich sorgen die Rückkopplungen der Globalwirtschaft dafür, dass Trump im Januar zwar Präsident wird, aber nicht verrückt spielt. Oder wie Immanuel Kant zu sagen pflegte:

„Habe Mut, dich deines eigenen Verstandes zu bedienen!“