„Realsatire pur“ - Schauen Sie mal, was ehemalige Grünen-Wähler der Partei zu sagen haben

Betont kämpferisch richteten sich die Grünen nach ihrer krachenden Europawahlniederlage in einem Facebookpost an ihre Follower: „Danke an euch, die sich in den letzten Wochen mit aller Kraft in den Europawahlkampf eingebracht haben", heißt es hier. „Ob als Kandidat*innen oder als Ehrenamtliche, ihr habt alles gegeben und gezeigt: Wir lassen uns auch bei rauem Wind nicht unterkriegen. Wir waren so viele wie noch nie und das macht Mut.“

Grüne: Ergebnis der AfD „bestürzend“

Das sind erstaunlich optimistische Worte für eine Partei, die bei der Europawahl am Sonntag lediglich 11,9 Prozent der Stimmen für sich verbuchen konnte – fast 10 Prozent weniger als noch vor fünf Jahren. Zufrieden können die Grünen mit diesem Ergebnis nicht sein. „Es ist nicht das, wofür wir angetreten sind“, heißt es in dem Post dazu etwas selbstkritischer. „Wir werden uns nun die Zeit nehmen, die es braucht, um es in aller Ruhe zu analysieren.“

Das gute Ergebnis der AfD sei dagegen „bestürzend“. Die Partei sähe Hass und gefährde „mit ihrer europafeindlichen Politik den Wohlstand und die Stabilität des Wirtschaftsstandorts Deutschland“.

Seitenhieb gegen Ricarda Lang

Die angekündigte Selbstreflexion scheint dringend nötig. Denn der im Statement beschriebene „raue Wind“ bläst auch ordentlich aus den eigenen Reihen. Unter dem Post machen zahlreiche ehemalige Grünen-Wähler ihrer Enttäuschung über die Arbeit der Partei Luft: „Ich war - bis zur jetzigen Europawahl- auch immer Grünen-Wähler und sobald sie wieder gute Politik machen, werde ich sie auch wieder wählen“, kommentiert beispielsweise Facebook-User Andreas Badent. Ein guter Social-Media-Auftritt reiche ihm da aber nicht. „Ich möchte gute Politik sehen – und Leute im Vorstand, die eine abgeschlossene Ausbildung haben.“ Das dürfte ein Seitenhieb gegen die Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang sein, die ihr Studium abgebrochen hat und direkt in die Politik eingestiegen ist.

Ehemaliger Grünen-Wähler: „Was ihr jetzt treibt, das ist Realsatire pur“

Auch der ehemalige Grünen-Wähler Jürgen Krämer ist sichtlich frustriert: „Ich hätte, wie noch vor 5 Jahren Grün gewählt“, kommentiert er. „Aber nicht eine Außenpolitik, die sich von Diplomatie komplett verabschiedet hat und nur noch auf Waffenlieferungen setzt. Das hat in der Vergangenheit nicht mal eine CDU-Regierung derart ausufernd gemacht.“ Und auch User Holger Graser zeigt sich desillusioniert: „Ihr seid über Jahrzehnte meine Partei gewesen, aber was ihr jetzt treibt, das ist Realsatire pur“, schreibt er.

Vor allem die im Statement geäußerte Sorge über den Aufstieg der AfD treibt die User um: „Vielleicht mal darüber nachdenken, warum die AFD so viele Stimmen erhalten hat. Wenn ihr gute Politik betrieben hättet, dann wärt ihr nicht nach unten gestürzt, da hilft es auch nicht zu sagen: Jetzt müssen wir erst recht gegen Rechtsextremismus vorgehen“, kommentiert Userin Verena Lan An Shie frustriert. „Es wäre zielführender, endlich zu verstehen, warum die Leute so gewählt haben, wie sie gewählt haben“, bekräftigt User Tü Rhens. „Kleiner Tipp, es könnte etwas mit der Migrationspolitik und deren katastrophalen Folgen in allen möglichen Bereichen zu tun haben.“

„Nationalismus hat nie zu etwas Positivem geführt!“

Neben der großen Enttäuschung gibt es aber auch einige grüne Stammwähler, die ihrer Partei unter dem Statement Hoffnung machen: „Ich wähle Euch schon seit fast 40 Jahren und daran wird sich auch nichts ändern“, kommentiert Claudia Lanviel Schramm mit einem grünen Herz dahinter. Auch ihr Mann und ihre jüngste Tochter hätten der Partei ihre Stimme gegeben. Sie schlägt vor: „Vielleicht solltet Ihr einfach präsenter sein auf Social Media, vor allem Tiktok.“

Die AfD habe die Wichtigkeit des Portals schon lange erkannt und „leider erfolgreich für sich genutzt“. Tatsächlich konnten die Grünen bei der Europawahl gerade bei jungen Wählern nicht mehr so wie sonst punkten. Die Partei verlor mehr die Hälfte ihrer jungen Stimmen von 2019. Ganz anders die AfD: Hier wählten rund 16 Prozent der 16-24-Jährigen die in Teilen rechtsextreme Partei.

Unter den Kommentierenden finden sich auch solche, die das feiern: Endlich seien „die Grünen von der AfD auf ihre Plätze" verwiesen worden, heißt es. Das beunruhigt nicht Wenige. Followerin Susanne Groß schreibt: "Diejenigen, die hier so freudig für die AfD kommentieren, werden leider in der Tat noch ihr blaues Wunder erleben“. Ein Blick in die Geschichte zeige: „Nationalismus hat nie zu etwas Positivem geführt!“. Sie dankt den Grünen für ihren „großartigen Einsatz“ im Wahlkampf.

Trotzdem: Um viele ihre ehemaligen Wähler wieder von sich überzeugen zu können, hilft den Grünen wahrscheinlich nur eines: „die eigenen Kompetenzen bewerten, und das bitte realistisch!“, wie es User Holger Franke fordert.

Derweil haben die Grünen auf Facebook einen neuen Beitrag gepostet: Einen Aufruf zur Mitgliedschaft.