Serie „So geht es Deutschland wirklich“ - Makler kürzt sein eigenes Gehalt: „Von den 10.000 Euro bleibt nicht so viel übrig“

„Wir befinden uns seit vier Jahren im Krisenmodus“, fasst er zusammen. War es erst die Corona-Pandemie, ist es nun der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine mit all seinen Folgeerscheinungen, der die Immobilienwirtschaft und das gesamte Land belaste. Inflation, Kostenexplosion, Jobabbau, wachsende Unsicherheit. „Das ist ein Blumenstrauß mit vielen Problemen und jeder kann sich eins rauspicken“, beschreibt Tolle die gedrückte Stimmung, die er vielerorts wahrnimmt.

Sein Unternehmen ist davon unmittelbar betroffen. In nur zwei Jahren habe sich der Umsatz des Immobilienunternehmens fast halbiert. „Ich musste mich jetzt entschließen, 20 Prozent der Belegschaft zu entlassen – aus wirtschaftlichen Gründen“, erzählt Tolle von einem Schritt, den er schweren Herzens gegangen sei.

Chef reduziert eigenes Gehalt von 14.000 auf 10.000 Euro

Vorher habe er bereits bei sich selbst den Rotstift angesetzt und das Geschäftsführergehalt von 14.000 auf 10.000 Euro brutto reduziert. Perspektivisch könnten es 8000 Euro werden.

Parallel hat Tolle die Einlagen in das Unternehmen erhöht und Ausgaben wie Zeitungsabos auf den Prüfstand gestellt. „Wenn man langjährige Mitarbeiter hat, sollte man die auch halten“, merkt der 54-Jährige an. Er habe ein gutes Team, mit dem er immer sehr zufrieden gewesen sei.

Doch bei einem Umsatzrückgang in dieser Größenordnung müsse er unbequeme Entscheidungen treffen. Zumal auch die Mieten für seine Mietwohnung und das Büro anzogen.

Über die persönlichen Einschnitte will sich Tolle gar nicht beklagen. In den Jahren zuvor habe er gut verdient und komme nach wie vor ohne Existenzängste durch den Alltag. Doch gibt der 54-Jährige zu bedenken, dass er als Unternehmer privat diverse Ausgaben wie Altersvorsorge und Versicherungen zu schultern habe.

„Von den 10.000 Euro bleibt nicht so viel übrig“, merkt er an. Sein Girokonto sei trotzdem gelegentlich im Minus: „Dann muss ich überlegen, auf welches Sparbrötchen ich jetzt zurückgreife.“

In der Folge achte er genauer auf seine Ausgaben. Denn ob bei der Miete, im Restaurant oder bei der Butter im Supermarkt: Überall zeigten sich die Preissteigerungen. Die Unsicherheiten führten privat wie geschäftlich dazu, dass nicht notwendige Ausgaben aufgeschoben würden.

„Wir haben hohe Rücklagen angespart, sonst könnten wir die Zeit jetzt nicht überbrücken“, führt Tolle aus: „Aber wir können nicht in Ideen und Technik investieren.“ Die schwache Konsumlaune münde im Großen betrachtet in eine Abwärtsspirale, die auch andere Branchen wie die Autoindustrie treffe.

An vielen Stellen hemme das den erhofften Wirtschaftsaufschwung zusätzlich. „Mein Fokus ist, das Unternehmen wie ein Kapitän durch den Nebel und unsichere Gewässer zu führen“, beschreibt Tolle seine aktuelle Rolle als Geschäftsführer.

Wunsch an Politik: Mehr Pragmatismus, weniger Auflagen

Die Insolvenzen von Immobiliengesellschaften und Privatkäufern unterstreichen für ihn die kritische Lage. Auch andere Unternehmer trennten sich von betriebsnotwendigen Liegenschaften, weil sie zu teuer seien oder sich das Geschäftsmodell nicht mehr rechne.

Hinzu komme, dass die Banken wegen einer Vorgabe der Europäischen Zentralbank die Immobilien und die Kredite dazu neu bewerten müssten. „Da kann es passieren, dass Kreditnehmer aufgefordert werden, nachzuschießen. Und vielleicht ist es schwer, einen neuen Kredit zu bekommen. Da kann und wird es Verwerfungen geben“, befürchtet Tolle.

Dass die gescheiterte Ampel-Regierung Jahr für Jahr ihr selbst gestecktes Ziel von 400.000 neuen Wohnungen krachend verfehlt hat, trage ebenfalls nicht zu einer Entspannung auf dem Markt bei.

Was sich der Immobilienmakler von der Politik wünscht? Mehr Pragmatismus, Tempo, weniger Auflagen – und mehr Wohnungsbau. „Der Staat sollte sich entschlacken, so wie ich als Unternehmer“, zieht Tolle einen Vergleich. In der Bau- und Immobilienwirtschaft hätten immer neue Auflagen und Gesetze Kapazitäten gebunden und zu deutlichen Mehrkosten geführt.